Einhausen/Lorsch. Der Verein „Mensch vor Verkehr“ (MvV), der für einen verträglichen Bau der Neubautrasse zwischen Frankfurt und Mannheim kämpft, hatte zur Hauptversammlung eingeladen. Dabei war auch ein neuer Vorstand zu wählen. Die Mitglieder entschieden sich einstimmig für das langjährig bewährte Vorstandstrio mit dem Einhäuser Reimund Strauch an der Spitze sowie Jürgen Reiter aus Lorsch und Robert Loreth aus Langwaden als seine beiden Stellvertreter.
Kassenwartin bleibt Andrea Müller, Schriftführer Rainer Buchdunger. Auch im erweiterten Vorstand verfügt der als Umweltverband anerkannte Verein über jede Menge Erfahrung und Sachkenntnis. Ehrenbürgermeister Klaus Jäger, Rosemarie Krauth, Hans-Jürgen Sander, Jörg Sebastian, Boris Jäger, Jürgen Sonnabend und Stojan Alexiev arbeiten als Beisitzer mit. Als geborene Mitglieder gehören die Bürgermeister von Lorsch und Einhausen – Christian Schönung und Helmut Glanzner – sowie der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Wolfram Grüneklee, MvV an.
Video geplant
„Wir sind finanziell gut aufgestellt“, sagte Vorsitzender Strauch auf die Frage eines Versammlungsteilnehmers mit Blick auf eine mögliche Klage. Auch von den Kommunen werde „Mensch vor Verkehr“ zudem unterstützt.
Vielleicht könnte ein „Spendenaufruf“ zu noch mehr Stärke beitragen, meinte ein Zuhörer: „Damit die Bahn sieht, welche Power hier ist.“ Das wisse die Bahn, versicherte Strauch. Man habe Großveranstaltungen auf die Beine gestellt und beweise seit inzwischen fast 25 Jahren einen „langen Atem“. Die wenigsten Bürgerinitiativen hielten so lange durch. „MvV“ dagegen hat sich zu einem Verein und anerkannten Umweltverband entwickelt.
Weitere Info-Termine und ein Videodreh über die Mannheimer Straße sind in Kürze geplant. Auf der „Alten Mannheimer Straße“ will die Bahn im Tagebau einen Tunnel realisieren. Auch den Projektbeirat werde man nicht in der Form akzeptieren, wie er der Region zuletzt zugestanden wurde. „Wir wollen einen echten Projektbeirat“, machte Strauch klar, dass man auch mit Blick auf die übergesetzlichen Maßnahmen Verhandlungen „auf Augenhöhe“ führen wolle. sch
Ein Bauwerk, das lange bleibt
Bei der Hauptversammlung erinnerte unter anderem Alexander Löffelholz daran, dass die Neubaustrecke in ihren Dimensionen ein „Jahrhundertprojekt“ für die Region werde. Vor allem die jüngeren Generationen werden mit der Trasse entlang der A 67, auf der tagsüber ICE- und nachts Güterzüge unterwegs sind, lange leben müssen, so der Lorscher Erste Stadtrat, selbst erst 34 Jahre alt. Weitere jüngere Mitstreiter, die sich für die Bergsträßer Anliegen einsetzen – vor allem für die Realisierung des langen bergmännischen Tunnels – sind gesucht. Sehr begrüßt wurde deshalb, dass sich bei der Versammlung eine fachlich versierte Mitstreiterin wie Anne Loreth für die künftige Mitarbeit vorstellte. Die Tochter von Robert Loreth ist 29 Jahre alt und Biologin.
Mehrere Großprojekte geplant
Viele Aktive wünschen sich, dass der Verein noch wächst. 232 Mitglieder umfasst er aktuell. Die jüngsten Aktionen – in Lorsch und Einhausen war der Verein zeitgleich zum jeweiligen Stopp des DB-Infomobils mit eigenen Ständen zur Strecke präsent – brachten viel Anerkennung und gleich fünf neue Vereinsbeitritte.
Ursprünglich war einmal eine ICE-Trasse geplant, bald wurde eine Mischstrecke daraus, zweigleisig und zu weiten Teilen oberirdisch, erinnerte Strauch in seinem Rückblick auf nun fast 25 Jahre Vereinsarbeit. Bis zu 320 Güterzüge pro Nacht könnten auf der neuen Strecke unterwegs sein. Ein Problem für die Region seien die inzwischen vielfachen Bauvorhaben. Er verwies auf die geplante Erweiterung der A 67 auf sechs Fahrstreifen, die vierspurige B 47, die Verlegung der L 3345, die Höchstspannungsleitungen.
Unbedingt müssten die Auswirkungen all dieser Projekte auf den bereits stark belasteten Raum bei Lorsch und Einhausen gemeinsam betrachtet werden. Die Bahn- und Straßenbauten bedeuteten laut Hessen Forst einen Verlust von 400 Hektar Wald im Bereich Südhessen. Während MvV den Lückenschluss im Schienennetz befürwortet, wenn die Züge im Tunnel fahren, lehnt der Verein den Ausbau der A 67 ab. Dieser spreche zudem gegen die von der Koalition propagierte Verkehrswende, erklärte Strauch, und zerstöre viel Wald. Die Bahn wirbt in neuen Charts mit drei Grünbrücken, die im Jägersburger und Gernsheimer Wald zur Vernetzung von Waldbiotopen angelegt werden sollen, hieß es bei der Hauptversammlung. Vor wenigen Jahren, 2018, seien diese noch nicht geplant gewesen. Von den Kosten der sicher nicht billigen Maßnahme sei aber nichts bekannt.
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Sogenannte Abkommensschutzwände aus Beton sollen es ermöglichen, dass Autobahn- und Bahnstrecke näher aneinanderrücken und Waldverlust minimiert wird. Die Streckenführung sei aber derzeit schon deswegen wieder unklar, weil die Bahn mit neun Promille Streckenneigung plane. Dies würde bedeuten, dass besonders schwere Güterzüge auf Bestandsstrecken ausweichen müssten, die doch ursprünglich entlastet werden sollten, referierte Strauch und wies auf den Lärmschutz hin.
Während MvV einen langen bergmännischen Tunnel fordert, der von Langwaden bis hinter Lorsch verläuft und unter der Erde gebohrt wird, sieht die Vorzugsvariante der Bahn vor, dass die Züge Einhausen auf freier Strecke passieren und bei Lorsch in einem nur 2,8 Kilometer langen Tunnel fahren. Oberirdische Trassenführung und ein von der Bahn geplanter Tunnel im Tagebau aber zerstören Natur und Landschaft nachhaltig, warnt MvV. Dass bei Lampertheim ein „Spargeltunnel“ zur Untertunnelung von Spargelfeldern möglich werden soll, der Lorscher Wald als ökologisch wertloser eingestuft ist und der Schutz für Anwohner vernachlässigt wird, damit will sich MvV nicht abfinden. Der Wald sei auch für die Naherholung enorm wichtig.
Berlin kann Forderung zustimmen
Resolutionen, Kreistags- und Landtagsbeschlüsse interessierten die Bahn bislang nicht, kritisierte die Hauptversammlung. Sie konzentriere sich ausschließlich auf die gesetzlich verpflichtenden Maßnahmen. Die Argumente der Region für den langen bergmännische Tunnel bleiben aber überzeugend, war sich die Hauptversammlung einig. „Wir müssen weitermachen“, gab Strauch daher als Devise aus. Schließlich kann der Bundestag im Rahmen der Parlamentarischen Befassung auch Forderungen der Region zustimmen, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen, sofern sie wirtschaftlich sind.
Ob es klug wäre, wenn beim Bau eine Art Billigvariante ohne Tunnel beschlossen würde, wurde bei der Hauptversammlung sehr bezweifelt. Schließlich ist MvV bereit, im Ernstfall den Klageweg zu beschreiten, um die Forderungen durchzusetzen. Eine juristische Auseinandersetzung würde das Bauprojekt verzögern und so zudem verteuern. Würden diejenigen, die den Tunnel ablehnen, dagegen früh auf die Linie der Befürworter einlenken, brächte die neue Strecke für alle Vorteile.
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