Lorsch. Zur letzten Stadtverordnetenversammlung in diesem Jahr sind Mitglieder sowie interessierte Zuhörer am heutigen Donnerstag (19.) eingeladen. Vorsteherin Christiane Ludwig-Paul wird die Sitzung um 20 Uhr im Paul-Schnitzer-Saal eröffnen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Beschlussfassungen über die Wasser- und Abwassergebühren ab 2025 sowie die Hebesatzung, und damit unter anderem eine Entscheidung über die Grundsteuer B. Sie betrifft nahezu jeden Bürger, und über ihre Höhe wird derzeit allerorten intensiv diskutiert.
Lorscher dürfen zum Jahresanfang keine Steuersenkung erwarten. In der Sitzung des Finanzausschusses vor wenigen Tagen haben die Mitglieder jedenfalls dafür gestimmt, den Hebesatz vorerst nicht zu reduzieren. Er ist in Lorsch im Vorjahr deutlich angehoben worden: um 135 Prozentpunkte auf den aktuellen Satz von 695 Prozent. Die Grundsteuer zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen.
Last kann steigen oder sinken
Die individuelle Steuerlast kann für Eigentümer und Mieter, auf die die Grundsteuer umgelegt werden kann, trotz unverändertem Hebesatz dennoch ab 2025 eine andere sein. Sie kann etwas geringer werden, kann aber auch steigen. Das liegt an der Grundsteuerreform, die eine Neubewertung des Grundbesitzes in Deutschland vorsieht, und die ab dem kommenden Jahr greift.
Ziemlich geärgert hat man sich in der Kämmerei im Stadthaus über die Mitteilungen der hessischen Landesregierung vor einiger Zeit zu diesem Thema. Unter anderem mit Verweis auf die Aufkommensneutralität waren aus Wiesbaden Hebesätze errechnet und veröffentlicht worden, die zum Teil deutlich unter den bisher erhobenen liegen. Für Lorsch etwa hatte das Land einen Satz von nur 586 Prozent kommuniziert.
Städte und Gemeinden müssen mit sinkenden Steuereinnahmen rechnen
Das Land wecke bei Bürgern mit dieser Empfehlung Erwartungshaltungen auf Einsparungen, die nicht haltbar seien, hieß es im Finanzausschuss dazu. Denn bei den niedrigeren Hebesätzen sei der Haushaltsausgleich in Gefahr. Einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, gehört aber zu den vom Land selbst formulierten Vorgaben, die die Kommunen erfüllen müssen.
Vom hessischen Finanzministerium hatte es im Sommer geheißen, die finanzielle Lage der Kommunen habe sich in den vergangenen Jahren „erheblich verbessert“. Dass die Städte und Gemeinden wegen der „schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland“ mit sinkenden Steuereinnahmen rechnen müssten, wird dort aber nicht verschwiegen.
Kommunen können ihre Hebesätze selbst bestimmen
Die Finanzlage ist derzeit schlecht – und nicht nur die Lorscher Verwaltung geht außerdem davon aus, dass sich die finanzielle Entwicklung der kommunalen Haushalte im Jahr 2026 noch weiter verdüstern wird. Auf die Verpflichtung, trotzdem einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erarbeiten, wies Bürgermeister Christian Schönung in der Fachausschuss-Sitzung hin.
Daran, dass die Kommunen nicht an die rein mathematisch ermittelten Landesempfehlungen gebunden sind, sondern ihre Hebesätze selbst bestimmen können, erinnerte der Verwaltungschef ebenfalls. Als die ersten Zahlen in Umlauf gebracht wurden, ging man noch von höheren Einkommenssteuer-Anteilen aus, es habe aber eine „drastische Absenkung“ gegeben. Schlüsselzuweisungen seien nicht in der erwarteten Höhe gestiegen, für die Kreis- und Schulumlage müsse dagegen mehr aufgebracht werden.
Straßenausbaubeiträge werden aus der Grundsteuer finanziert
Das alles führe zu „Veränderungen“, so Schönung. Mehrere umliegende Kommunen wollten den Grundsteuerhebesatz deshalb ebenfalls unverändert lassen – mancher Ort, der Lorscher Bürgermeister nannte etwa Lautertal, wolle die Grundsteuer sogar „drastisch erhöhen“. Um den Haushaltsausgleich und die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts mittelfristig zu gewährleisten, seien die Beibehaltung oder Erhöhung der Grundsteuerhebesätze aktuell die einzige Möglichkeit, heißt es in Lorsch.
Prostituiertenschutzgesetz auch Thema
In der heutigen Sitzung der Stadtverordneten wird Bürgermeister Christian Schönung den Haushaltsplanentwurf einbringen. Zuvor haben die Gremiumsmitglieder über eine Reihe von Themen zu beschließen, etwa über die Erhöhung der Wassergebühr. Statt 91 Cent pro Kubikmeter sollen künftig 1,07 Euro netto fällig werden. In der Satzung wird sie, das ist Vorschrift, als Bruttogebühr mit 1,15 Euro ausgewiesen.
Unverändert soll die Schmutzwassergebühr bei 3,82 Euro pro Kubikmeter bleiben, die Niederschlagswassergebühr bei 60 Cent pro Quadratmeter.
Auch über die Verlängerung der interkommunalen Zusammenarbeit mit dem Kreis Bergstraße beim Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes ist zum Beispiel abzustimmen. Die Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis habe sich bewährt, heißt es in Lorsch.
Mitarbeiter des Kreises durchforsten täglich „alle einschlägigen Angebotsseiten in den Internetportalen, um auch Angebote in Sperrgebietskommunen zu lokalisieren“. Dass auch Lorscher Adressen dort bereits auftauchten, wurde in der Ausschuss-Sitzung bestätigt. sch
Unter anderem die abgeschafften Straßenausbaubeiträge werden aus der Grundsteuer finanziert. Steigende Personalkosten im öffentlichen Dienst sowie der weitere Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die Unterbringung von Flüchtlingen sind gleichfalls zu stemmen.
AG soll nach Lösungen suchen
Auch die Gewerbesteuer – derzeit liegt sie bei 420 Prozent – und die Grundsteuer A mit Hebesatz von 360 Prozent sollen unverändert bleiben, empfiehlt der Finanzausschuss der Stadtverordnetenversammlung. Die Fraktionen von Grünen, CDU, PWL und SPD haben in der Ausschuss-Sitzung aber zugleich einen Änderungsantrag eingebracht. Beschlossen wurde, eine „interfraktionelle Arbeitsgruppe“ namens „Hebesatzung 2025“ einzurichten. Ihre Aufgabe: Bis zur Verabschiedung des Haushaltsplans 2025 Möglichkeiten einer Hebesatzsenkung der Grundsteuer B aufzuzeigen – unter Berücksichtigung der mittelfristigen Finanzplanung und der „notwendigen Genehmigungsfähigkeit des Haushaltsplanes 2025“ natürlich.
„2026 wird noch schwieriger“
Um „auf der sicheren Seite“ zu bleiben, sei die AG vernünftig, erläuterte Matthias Schimpf (Grüne). Die Mitglieder sollten herausfinden, ob es Möglichkeiten zur Abmilderung des Hebesatzes geben kann. Grundlage für alles müsse ein genehmigungsfähiger Haushalt sein. Das kommende Jahr werde „nicht das schwierigste werden“, so Schimpf: „2026 wird noch deutlich schwieriger werden“, zeigte er sich sicher.
Bis die Steuerkraft wieder anziehen werde, „vergeht locker mehr als ein Jahr“, meinte der Grünen-Chef. Schimpf erinnerte an Nachrichten über angekündigte Entlassungen. Wer von Transferleistungen leben müsse, könne die Einkommenssteueranteile der Kommunen nicht verbessern. „Die Situation macht uns nicht glücklich“, so Schimpf über die Unsicherheiten. Und die „Versprechenskultur“ der Landesregierung falle den Kommunen nun auf die Füße, kritisierte er. Unabhängig von Parteipolitik habe man deshalb in Lorsch den gemeinsamen Antrag für die AG eingebracht.
Von Projekten Abstand nehmen und „kleinere Brötchen backen“
„In Lorsch sieht‘s doch noch gut aus“, stellte Dirk Sander (SPD) mit Blick nach Bensheim fest. Auch manchem Lorscher aber werden Erhöhungen „weh tun“. Daher sei es wichtig, dass die Arbeitsgruppe nach möglichen Einsparungen suche. Auch die Liste der Förderprogramme sei dabei zu durchforsten. Von manchem Projekt sei vielleicht Abstand zu nehmen oder es seien „kleinere Brötchen zu backen“, so Sander.
Christian Walter (PWL) mahnte Fairness und Ehrlichkeit bei der Grundsteuer-Diskussion gegenüber den Bürgern an. Das bedeute: Die Hebesätze dürften „nicht leichtfertig“ gesenkt werden. Die kommende Haushaltsberatung werde vielleicht anders ablaufen als früher üblich. Man habe sich nun gemeinsam verpflichtet, Lösungen zu suchen. Er glaube daran, dass man Ergebnisse werde präsentieren können, zeigte sich Christian Walter zuversichtlich.
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