Lorsch. In Lorsch wird es einen „Katharina-Hartnagel-Platz“ geben. Der Haupt- und Finanzausschuss jedenfalls sprach sich in seiner Sitzung einstimmig für eine entsprechende Empfehlung für die Stadtverordnetenversammlung aus, die das letzte Wort für die Beschlussfassung haben wird. Eingebracht hatte den Namensvorschlag in Absprache mit dem Heimat- und Kulturverein Friedel Drayß (FDP).
„Halb Lorsch“ habe die Hebamme in ihren langen Berufsjahren von 1928 bis 1966 auf die Welt gebracht, erinnerte Drayß. Bei mehr als 5200 Entbindungen konnte Hartnagel Müttern und ihren Babys helfen.
Oft Retterin in höchster Not
„Sie war mit ihrem Fahrrad und später mit ihrer Vespa zu vielen Hausgeburten unterwegs, oft als Retterin in höchster Not“, berichtete Drayß. Geburten im Krankenhaus wurden erst ab den 1960er Jahren üblich. „Hartnagels Kätche“, den Lorschern als „Ammebäs“ vertraut, sei eines der bekanntesten Lorscher Originale gewesen – und „nie um einen humorvollen Kommentar verlegen“, sagte Drayß.
Öffentliche Würdigungen für Katharina Hartnagel muss man bislang suchen, es gibt wenige. Im „Lorscher Heimatbuch“ immerhin wird ihr ein „Denkmal“ gesetzt. Autor Harald Kohl widmet der Hebamme darin zweieinhalb Seiten. Als „resolut“, aber herzlich wird Hartnagel in seinem Bericht beschrieben.
Die viele Jahre lang einzige Hebamme in Lorsch hatte natürlich enorm viel zu tun. In einer Nacht zum Beispiel hatte sie bei verschiedenen Müttern sechs Kinder zur Welt gebracht, kann man im Heimatbuch lesen. Nebenbei erfährt man mit Staunen, dass die fleißige Hebamme auch selbst drei Kinder hatte.
Man fragt sich, wie Frauen wie Hartnagel ihren Alltag damals geschafft haben – ohne heute fast selbstverständliche Hilfen wie etwa einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, ohne Wegwerfwindeln, ohne eine eigene Waschmaschine, manchmal in Kriegszeiten auch ohne fließendes warmes Wasser. Die Lebensleistung nötigt auf jeden Fall Respekt ab.
Drayß: Sie stand ihren Mann
Friedel Drayß erklärte in seiner kurzen Rede in der Ausschuss-Sitzung, Hartnagel sei auch ein Beispiel für die Gleichberechtigung der Frau. „Sie stand ihren Mann“, so der Liberale, der nicht zuletzt auch ihr soziales Engagement hervorhob, ihren Optimismus und ihre „menschliche Wärme“.
Den Platz mit Ruhebank unter dem Kastanienbaum zwischen Klara-, Josef- und Rheinstraße nach Katharina Hartnagel zu benennen, bietet sich auch deshalb an, weil das Areal bislang namenlos ist – und das Wohnhaus der Hebamme einst nur wenige Meter von diesem Ort entfernt lag.
Er sei selbst kein Lorscher, meldete sich in der Sitzung Matthias Schimpf (Grüne) zu Wort. Einwände dagegen, mit der neuen Adresse ein Stück Heimatgeschichte sichtbar zu machen, brachte er nicht vor. Er fragte aber gleich nach, ob es noch weitere Persönlichkeiten gebe, die auf diese Weise geehrt werden sollten – und ob das dann „auf Zuruf“ geschehen sollte. Schimpf erinnerte daran, dass Lorsch möglicherweise auch noch weitere Bürger hatte, die sich zum Beispiel in der Nachkriegszeit verdient gemacht haben. Auch auf Ehrenbürgermeister, an die bislang nur mit einem Baum, nicht mit einem Platz, erinnert wird, wies er hin.
Es sei „sehr gut“, wenn mit der Platz-Taufe Heimatgeschichte gepflegt werde, erklärte Dirk Sander (SPD). Auch mit der Entscheidung, den Saal am Museumszentrum einst nach Paul Schnitzer benannt zu haben, habe man das vor Jahren in Lorsch getan.
Endlich wird eine Frau geehrt
Sicher hätten auch Bürgermeister eine ähnliche Ehrung verdient, räumte Dirk Sander ein. Es handle sich bei den Lorscher Verwaltungschefs allerdings bislang allesamt um Männer. Es sei deshalb sehr gut, mit einem „Katharina-Hartnagel-Platz“ einer Frau eine solche Ehre zukommen zu lassen, meinte der SPD-Fraktionschef.
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