Fusion

Pfarrer in Lorsch: Wir haben einen Mangel an Glaubenden

In den kommenden Monaten werden die Katholiken aus Lorsch und Einhausen viele Neuerungen erleben, denn die beiden bislang eigenständigen Pfarreien werden fusionieren.

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Nina Schmelzing
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Erstmals predigte der Einhäuser Pfarrer Klaus Rein (r.) in der Lorscher Kirche St. Nazarius. Der Lorscher Pfarrer Michael Bartmann (l.) informierte Gottesdienstbesucher über die Fusion der beiden Pfarreien, die in diesem Jahr abgeschlossen sein soll. © Neu

Lorsch. Eine Premiere gab es am Samstagabend in der Lorscher katholischen Kirche. Dort predigte erstmals Pfarrer Klaus Rein. Selbstverständlich haben in der Vergangenheit schon viele Geistliche in St. Nazarius gepredigt, die von außerhalb kamen – noch nie zuvor aber war es der derzeit amtierende und langjährige Pfarrer der am nahesten gelegenen katholischen Kirche aus Einhausen.

Am Sonntag kein Gottesdienst in St. Nazarius

Im Gegenzug predigte gestern dann auch der Lorscher Pfarrer Michael Bartmann in der Einhäuser Kirche St. Michael – das geschah ebenfalls zum ersten Mal. In der Lorscher Kirche gab es am Sonntag dann, das ist gleichfalls sehr ungewöhnlich für St. Nazarius, keinen Gottesdienst vor Ort.

In den kommenden Monaten werden die Katholiken aus Lorsch und Einhausen noch viele Premieren und Neuerungen erleben, denn die beiden bislang eigenständigen Pfarreien werden bekanntlich fusionieren.

Wie soll die neue Pfarrei heißen?



Bislang heißt die Lorscher Kirche St. Nazarius nach dem Namenspatron Nazarius, einem römischen Soldaten, der Christ wurde und um das Jahr 300 den Märtyrertod starb. Die Einhäuser Kirche trägt den Namen St. Michael. Die Kirchen sollen auch in Zukunft nicht umbenannt werden. Die neue gemeinsame Großpfarrei aber benötigt nun ebenfalls einen Namen. Auf diese Notwendigkeit im Zuge der Fusion machte im Lorscher Gottesdienst Teresa Seidl-Fernandez die Besucher aufmerksam.

Heilige werden gesucht

In beiden Kirchen sind ab sofort Zettel ausgelegt, die zur Mitarbeit an der Suche eines Namenspatrons oder einer Namenspatronin auffordern. Um einen Heiligen oder eine Heilige soll es sich bei den Namensvorschlägen handeln. Auch wird um eine kurze schriftliche Begründung für den jeweiligen Vorschlag gebeten.

Idealerweise wird es sich um einen Heiligen handeln, dem man diese Auszeichnung auch heute noch zusprechen könnte. Manche Päpste schließlich wurden im Laufe der Geschichte heilig gesprochen, die man heutzutage für Taten etwa in Zeiten der Inquisition verurteilen würde.

Vorschläge bis Ende Februar

Pfarrer Michael Bartmann forderte die Katholiken im Gottesdienst zur Beteiligung an der Namensfindung auf. „Machen Sie mit“, rief er ihnen zu. Auch über die Homepage der Pfarrgemeinde kann man sich einen Stimmzettel ausdrucken. Bis spätestens am 28. Februar (Dienstag) sollen die Namensvorschläge im Pfarrbüro abgegeben sein.

In der Pastoralraumkonferenz werden die Mitglieder anschließend über die Vorschläge beraten und entscheiden, berichtete Teresa Seidl-Fernandez. sch

Das Verschmelzen zu einer neuen großen Pfarrei erfolgt nicht gänzlich aus freien Stücken, es handelt sich um eine Vorgabe aus Mainz. Im Bistum müssen sich zahlreiche weitere Pfarrgemeinden zusammenschließen. In Lorsch und Einhausen allerdings muss der Prozess vergleichsweise zügig abgeschlossen sein. Die neue gemeinsame Pfarrei gehört schließlich zum Mainzer Pilotprojekt. Das bedeutet: Bis zum Ende dieses Jahres schon soll die Fusion Realität geworden sein.

Infos für Gläubige gab es bei Gemeindeversammlungen

Zahlreiche Gruppen wurden inzwischen eingerichtet, die diesen Prozess vorbereiten und zum Abschluss bringen werden. Wichtiges Leitgremium ist die Pastoralraumkonferenz, der Mitglieder aus den Pfarrgemeinderäten und den Kirchenverwaltungsräten aus Lorsch und Einhausen angehören.

Sie tagt allerdings nicht-öffentlich. Über den aktuellen Sachstand wurden die Gläubigen am Wochenende in beiden Kommunen nun im Rahmen größerer öffentlicher Veranstaltungen informiert: Nach den beiden Gottesdiensten waren Gemeindeversammlungen in den Kirchen angesetzt, jeweils beide Pfarrer waren dazu präsent.

„Wir sind in einer Komfortzone“

Pfarrer Bartmann machte in seiner Ansprache deutlich, dass die Fusion in Lorsch und Einhausen nicht zu den schwierigsten im Bistum gehöre. „Ich werde nicht müde zu sagen, dass wir in Lorsch und Einhausen in einer Komfortzone sind“, betonte er.

Zunächst sei schließlich auch darüber diskutiert worden, aus allen elf Pfarreien im Dekanat nur eine einzige zu gestalten. „Ich habe gekämpft wie ein Löwe, dass das nicht stattfindet“, sagte Bartmann. Es sei gut, dass jetzt immerhin drei neue größere Pfarreien möglich sind.

Gepredigt wie ein Bischof

Pfarrer Michael Bartmann freute sich, dass erstmals sein „Mitbruder“ Pfarrer Klaus Rein in der Lorscher Kirche predigte. Er informierte die Gottesdienstbesucher auch vorab darüber, dass der Einhäuser Pfarrer die Predigt sitzend halten werde. Dies sei „eigentlich ein Privileg der Bischöfe“, erläuterte er. Weil eine Predigt im Stehen dem Einhäuser Pfarrer aber wegen Knie-Operationen derzeit nicht möglich sei, dürfe er natürlich auch ohne Mitra, der Bischofsmütze, predigen.

Auch Klaus Rein bat die Gottesdienstbesucher um Verständnis für seine Situation. „Es ist auch für mich ungewohnt, dass ich so viel sitzen muss“, sagte er. „Aber lieber ein sitzender Pfarrer als keiner“, meinte er. Kirche sei Glaubensgemeinschaft, „in der Kirche dürfen wir zuhause sein“, sagte Rein: „Leider ist das nicht mehr für viele so“, bedauerte er.

Rein erinnerte an Jesus, der Jünger einlud, Menschenfischer zu sein. „Menschenfischer kann jeder werden und sein“, so Rein, der seine Predigt mit einer direkten Frage an die Besucher abschloss: „Wo können Sie Menschenfischer sein?“ sch

Zwar wächst die Pfarrei St. Nazarius/St. Michael – einen neuen Namen gibt es noch nicht – durch den Zusammenschluss nun auf etwa 8000 Mitglieder. Im gesamten Bistum Mainz sei Lorsch-Einhausen aber dennoch die kleinste Einheit, so Bartmann.

Manche seiner Amtskollegen müssten künftig mehr als 20 Hauptamtliche in Dienstgruppen koordinieren. In St. Nazarius und St. Michael sei man „in einer privilegierten Situation“, meinte er. „Zehn Minuten“ nur brauche man mit dem Auto von Kirchturm zu Kirchturm, auch die Friedhöfe seien nah beieinander. „Im Prinzip sind wir zusammengewachsen“.

Bartmann erinnerte an die Gründe für die Neugestaltung im Bistum. Priestermangel, ein Mangel an weiteren Hauptamtlichen und geringere finanzielle Ressourcen sind ausschlaggebend dafür. „Wir haben einen Glaubendenmangel“, formulierte der Pfarrer aber ebenfalls sehr deutlich einen Hauptgrund dafür, dass nicht alles so bleiben kann, wie es ist: „Das müssen wir sehen und müssen ehrlich sein.“ Eine Aufgabe sei es nun, Kräfte zu bündeln.

Michaela Ludwig-Groß, Mitglied des Lorscher Kirchenverwaltungsrates, berichtete aus einer der Projektgruppen, und zwar der Gruppe „Gebäude und Vermögen“. Im „Gebäudeanpassungsprozess“ sollen Kirchen, Pfarr- und Jugendheime sowie Pfarrhäuser neu bewertet werden. Um sie erhalten und finanzieren zu können, sollen die tatsächlichen Bedarfe und wirtschaftlichen Möglichkeiten ermittelt werden.

Es gibt weniger Zuschüsse

Ludwig-Groß berichtete auch von „massiv geänderten“ Zuschussrichtlinien. Früher habe man mit Geldern in Höhe von 50 Prozent aus Mainz für verschiedene Maßnahmen rechnen dürfen. Nun würden Kirchengebäude in vier Kategorien eingeteilt und unterschiedliche Bezuschussungen eingeführt etwa für Anstriche, Heizung oder die Sicherung der bisherigen Substanz.

Für die Orgel, die Beleuchtung oder die Außenanlagen werde es allerdings keine solchen Zuschüsse mehr geben. Das sei dann „Sache der Gemeinde“, so Ludwig-Groß.

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Eine Rolle werde bei den neuen Richtlinien auch die Zahl der Gemeindemitglieder spielen. Zunächst seien Nutzungsflächen zu definieren und die Lage und Bedeutung der Gebäude in der Gemeinde. Das alles heiße nicht, dass Gebäude verkauft würden, beruhigte Ludwig-Groß. Es sei aber eine langfristige Finanzierung zu erstellen, zum Beispiel sei auch über Vermietungen und Kooperationen zu beraten.

Noch viel Arbeit nötig

„Wir sind kräftig am Arbeiten, vieles ist noch im Fluss“, so Ludwig-Groß, der Zeitplan sei „anspruchsvoll“. Die Aktiven der Pastoralraumkonferenz seien aber zuversichtlich, dass das Projekt gelingen werde.

Zu den weiteren Projektgruppen, die sich zum Beispiel mit dem Thema Liturgie, mit Katechese sowie mit der Verwaltung beschäftigen, gab es am Samstag keine Informationen. In der Gemeindeversammlung, die sich dem Gottesdienst anschloss, wurden von Seiten der Besucher auch keinerlei Fragen gestellt.

Falls sich Fragen ergeben, sollte man diese „nicht an irgendjemanden“, sondern möglichst an die Hauptamtlichen richten, bat Pfarrer Bartmann. Transparenz sei bei der Fusion sehr wichtig. „Wir werden als Kirche neue Wege gehen müssen – und wir werden sie gehen“, sagte er.

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