Lorsch. Was heißt schon alt? Ist alt sein ein Zustand gesundheitlicher Defizite? Sind es allein Falten und Rollator, die einen alt machen? Geht es nur um biologische Verfallserscheinungen? Oder definiert sich Alter sogar ausschließlich an den Zahlen im Ausweis? Und warum altern manche Menschen kalendarisch erheblich schneller als psychologisch? Und umgekehrt.
„Was heißt schon alt?“ titelt auch eine Wanderausstellung, die nicht nur schöne Fotos zeigt, sondern zum Reflektieren über Stereotype, Ängste und Rollenbilder anregen will. Es geht darum, frische Perspektiven zu ermöglichen, vorhandene Altersbilder zu hinterfragen und den Dialog zwischen den Generationen zu beleben. Auf Initiative von Christina Adler-Schäfer ist die Ausstellung aktuell im Foyer des Paul-Schnitzer-Saals in Lorsch zu sehen. Die kommentierten Bildertafeln vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend präsentieren ein differenziertes Bild vom Alter in der Gesellschaft. Die Motive stammen zum Teil aus einem Foto- und Videowettbewerb des Jahres 2011. Unterstützt wird die Ausstellung vor Ort vom Fachbereich Prävention des Bergsträßer Gesundheitsamts und vom Kreisseniorenbeirat.
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Das Thema Alter sei noch immer noch mit vielen Klischees geprägt, so die Psychosoziale Fachkraft auf dem Land (Paula) im Netzwerk Ortsnahe Versorgung Ried (Norie) bei der Vernissage am Montag. Doch die wenigsten Altersbilder entsprechen noch den vielfältigen Lebensentwürfen und Stärken der heutigen älteren Menschen. Dennoch beeinflussen solche Vorstellungen nicht nur das Miteinander der Generationen, sondern auch die Erwartungen der meisten Menschen an ihren eigenen Alterungsprozess, so Adler-Schäfer. Sie verweist darauf, dass sich neben der gestiegenen Lebenserwartung – 30 Jahre in den letzten hundert Jahren – auch das Selbstverständnis der Menschen erheblich verändert hat.
Blick auf die Zukunft gerichtet
Ältere jonglieren souverän mit digitalen Medien, gehen händchenhaltend durch die Stadt, investieren in häusliches Mobiliar und spazieren voller Initiativen Richtung Zukunft. Auch für Bildung sei man nie zu alt. So manch einer studiere und promoviere noch mit über 80. Jeder Dritte ab 70 treibt einmal die Woche Sport. Die meisten Menschen in diesem Alter fühlen sich im Durchschnitt 13 Jahre jünger als sie sind. Allerdings ist das Aussehen für 72 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren noch immer das deutlichste Zeichen für einen alten Menschen.
„Wir sollten weg vom defizitären und hin zu einem kompetenz-orientierten Denken“, so Christina Adler-Schäfer in Lorsch. Denn eine Definition des menschlichen Reifegrads sei nicht an ein bis zwei Phasen auszumachen: „Alter ist heterogen.“ Es gibt keinen Schalter, der umgelegt wird, und auf einmal gehört der Mensch zu einer neuen sozialen Gruppe – das gibt es nur im Verständnis von Ämtern und Behörden. Im wahren Leben bewege man sich in fließenden Übergängen Richtung Ende. Und – jeder kennt jemanden – es hat schon immer junge Alte und alte Junge gegeben. „Es geht nicht nur um Biologie, sondern auch um den Kopf“, so die Initiatorin der Ausstellung für die Bergstraße.
Die Bilder sprechen eine deutliche Sprache: Das Alter hat verschiedene Gesichter. Lebenssituationen und Lebensentwürfe älterer Menschen sind unterschiedlich und die Vielfalt des Lebens hängt nicht mit der biografischen Spanne zusammen, die hinter einem liegt. Die Ausstellung soll auch ein Forum sein, um den Themenkomplex in die breite öffentliche Diskussion zu bringen. Die Vorstellungen vom Leben im Alter sollen erneuert und veränderte Perspektiven ermöglicht werden. Auch jüngere Menschen werden angeregt, über ihr Bild vom Alter nachzudenken und dieses zu überprüfen.
Neben dem Lorscher Bürgermeister Christian Schönung (54) nahm auch die Erste Kreisbeigeordnete Diana Stolz (47) an der Vernissage teil. Die Gesundheitsdezernentin appellierte zum Hinterfragen der eigenen Altersbilder – die Ausstellung könne dabei wichtige Impulse bieten.
Auch die Heppenheimerin Susanne Hagen, seit 2022 Vorsitzende des Kreisseniorenbeirats Bergstraße, ist davon überzeugt, dass die Motive in der Lage seien, persönliche Haltungen und Konzepte herauszufordern. Die in Lorsch gezeigte Wanderausstellung vermittele einen wertschätzenden, aber auch prüfenden Blick auf die Facetten des alternden Menschen.
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