Lorscher Umweltverband

Lorscher Umweltverband lässt sich von Problemen nicht beirren

Von 
Nina Schmelzing
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Reimund Strauch, Vorsitzender von „Mensch vor Verkehr“ referierte. © Gutschalk

Lorsch. Gut besucht war der Infoabend von „Mensch vor Verkehr“ (MvV) – und in der Nibelungenhalle fielen dabei auch hart formulierte Worte. An der von der Bahn favorisierten Streckenführung für die geplante ICE- und Gütertrasse zwischen Frankfurt und Mannheim hat sich nämlich nicht viel verändert, wie MvV-Vorsitzender Reimund Strauch zeigte. Statt des von der Region geforderten langen bergmännischen Tunnels sollen Gleise nach wie vor in weiten Teilen im Tagebau und oberirdisch verlegt werden. Die Gespräche im Projektbeirat, um den MvV lange und letztlich erfolgreich gekämpft hat, fielen ebenfalls alles andere als zufriedenstellend aus.

Gesessen, aber nicht verhandelt

Man habe sich in den zahlreichen Sitzungen mit der Bahn „den Arsch wund gesessen“. Auf die versprochenen Gespräche „auf Augenhöhe“ und die Beteiligungsmöglichkeiten aber warte man bislang vergeblich, erklärten Vorstandsmitglieder verärgert. „Wir wollen verhandeln und nicht nur anwesend sein“, machten sie deutlich. Man habe bei den Versammlungen mit der Bahn ein gemeinsames Arbeiten erwartet, bislang aber noch nicht den erhofften Einfluss nehmen können.

Keine Verhinderer Immer wieder werde er von Bürgern darauf ...

Keine Verhinderer Immer wieder werde er von Bürgern darauf hingewiesen, dass "Mensch vor Verkehr" die Neubaustrecke nicht werde verhindern können. "Darum geht es nicht", stellte Rei mund Strauch daher jetzt erneut klar. Der Verein wolle sie schließ

Seit einiger Zeit schon gebe es Versuche, den Projektbeirat weiter zu beschneiden, berichtete der Lorscher MvV-Sprecher Dr. Jürgen Reiter besorgt. Es sei keine Beteiligung von Bund und Land mehr vorgesehen. Er wies auf die neue Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung hin, mittels der Schienenbauten schnell und sparsam umgesetzt werden sollen. Gelinge es nicht, im Projektbeirat das Level anzuheben, dann werde im Verkehrsausschuss in Berlin nur über die „nackten Zahlen“ abgestimmt. Ermittelt werde die gesetzlich notwendige Minimalvariante. Sobald das Bauprojekt zur Parlamentarischen Befassung in Berlin aufgerufen werde, habe die Region keine Möglichkeit mehr, auf die aus ihrer Sicht erforderlichen Änderungen beziehungsweise übergesetzliche Ausgestaltung hinzuwirken. Es bestehe dann die Gefahr, dass die Kosten abgelehnt würden.

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Auch der hessische Verkehrsminister habe es bisher an der erhofften Unterstützung fehlen lassen, erinnerte Reiter an eine öffentliche Großveranstaltung zur Bahntrasse 2016 mit Tarek Al-Wazir in Lorsch. Es sei zugesagt worden, dass es keine Neuverlärmung geben dürfe. Man habe „viele Versprechungen“ gehört. Auf spätere MvV-Briefe aber sei keine Antwort mehr gekommen.

Mit Überraschung hat man in Lorsch zur Kenntnis genommen, dass die Bahn zusätzliche 300 Millionen Euro zur Untertunnelung der Spargelfelder in Lampertheim erwirkte. Im Bereich Langwaden, Einhausen und Lorsch werden die Züge dicht besiedelten Raum und Naherholungsgebiete queren.

Gewaltige Waldvernichtung

Reimund Strauch erinnerte daran, dass der Wald schon jetzt stark belastet sei. Für den Bau der reinen Bahnstrecke würden mehr als 80 Hektar Wald direkt gerodet. Weitere Flächen müssten für die Betriebsinfrastruktur, Verkehrssicherungszonen und die Baustelleneinrichtung dazugezählt werden. Die Rodungen würden dem Wald weiter erheblich schaden, zumal auch die Erweiterung der A 67 und der Ausbau der B 47 „Waldvernichtung“ bringe. In der Schneise „Alte Mannheimer Straße“ solle im Tagebau ein Tunnel entstehen.

Schutzgebiete seien verstärkt zu schützen. Die Neubaustrecke sei mit vorhandenen Verkehrswegen zu bündeln, der Wald zu schonen. Strauch wiederholte den Kreistagsbeschluss zur Konsenstrasse. Dort ist eine durchgängige Tunnellösung in bergmännischer Ausführung gefordert. Es sei völlig unverständlich, dass dieser Beschluss von der Bahn nicht ernst genommen werde.

Als „Unverschämtheit“ wertete Strauch Antworten der Bahn auf MvV-Anfragen zur detaillierten Streckenführung. Denn man habe den Vereinsvorstand nur auf die Webseite verwiesen. Keine Antworten habe es somit auf die Fragen gegeben, wie das große Regenrückhaltebecken von der Trasse betroffen sein werde, die keltischen Gräber, die Sportplätze und viele weitere Areale. Auf der Neubaustrecke könnten von 22 bis 6 Uhr 140 Güterzüge fahren, das habe die Bahn bestätigt.

Mensch vor Verkehr habe also „nichts erreicht“, meldete sich ein Zuhörer enttäuscht zu Wort. So „krass“ würde er das nicht ausdrücken, entgegnete Strauch. Man sitze immerhin inzwischen gemeinsam an einem Tisch, habe die Bahn „sensibilisiert“ und wolle nun im Projektbeirat ein gutes Ergebnis schaffen. Als Umweltverband könne man auch den Klageweg beschreiten.

Millionen Euro fürs Maut-Debakel

Wenn andernorts für Spargelfelder 300 Millionen Euro investiert werden, sollten Gelder auch für die berechtigten Anliegen in Lorsch und Einhausen möglich sein, meinte der Einhäuser Bürgermeister Helmut Glanzner. Knapp bei Kasse könne Berlin nicht sein. Unter dem Beifall der Infoabend-Besucher erinnerte er an die 600 Millionen Euro, die durch das Maut-Desaster des Bundesverkehrsministers in den Sand gesetzt wurden.

Auch Bürgermeister Christian Schönung zeigte sich beim Infoabend „zuversichtlich“. Im Projektbeirat habe man etwa erreicht, dass der Landrat den Vorsitz inne hat: „Wir sind Herr des Verfahrens und stellen die Tagesordnung zusammen.“ Auch auf die juristische Beratung der Kommunen und vor allem der Grundstückseigentümer verwies er. Wichtig seien allerdings Zusammenhalt und die Unterstützung der Abgeordneten. Man wolle den Zug in Lorsch weder sehen noch hören, erinnerte an den geforderten Tunnel. Gefragt nach Zahlen bezifferte Schönung die Kosten für einen Meter Tunnel auf etwa 45 000 Euro, in bergmännischer Bauweise gehe man vom doppelten Betrag aus. Das sei insofern nicht viel, als die Trasse für rund 200 Jahre Nutzungszeit errichtet werde.

Die Bahn verweise immer auf die Politik, erinnerte Reimund Strauch. Bevor das Bauprojekt ins parlamentarische Verfahren komme, müssten die Bergsträßer Anliegen daher mit den Politikern in Berlin abgesprochen sein, hieß es auch aus dem Publikum. „Sprechen Sie mit denen, die sich jetzt zur Wahl stellen“, appellierte Jürgen Reiter auch an die Zuhörer im Vorfeld der Bundestagswahl. Die Abgeordneten sollten klare Kante für ihre Region beweisen.

Er sei trotz allem „entspannt, weil wir gute Arbeit leisten“, bilanzierte Strauch für „Mensch vor Verkehr“.

Gefragt bei Bauwilligen und bei Großprojekten wie Schredderanlage und Steinbruch-Erweiterung

In der Hauptversammlung im Anschluss an den Infoabend informierte Reimund Strauch über die Teilnahme von MvV an zahlreichen Sitzungen, Beteiligungsforen und Arbeitsgruppen.

Der Umweltverband sei zunehmend auch für Stellungnahmen als Träger öffentlicher Belange gefragt.

Auch bei Bürgern steige das Interesse. Man habe eine Initiative in Bensheim gegen eine Schredderanlage beraten, habe Stellung genommen zur B 47, der Ortsumgehung Rosengarten und der Erweiterung des Steinbruchs Röhrig.

Auch Bauträger und Bauwillige informierten sich über den Stand der Neubaustrecke bei Mensch vor Verkehr.

Die künftigen Initiativen wolle man „mit Bedacht“ ausweiten.

Zu den geplanten Aktivitäten des 230 Mitglieder starken Vereins gehört die Aufstellung von Infotafeln in Lorsch, Einhausen und Langwaden.

Die Beteiligung an allen Foren soll fortgesetzt werden, gesonderte Gespräche mit der Bahn sind geplant.

Auch an die Idee für einen unterirdischen Bahnhof in Lorsch wurde beim Infoabend erinnert. sch

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