Langwaden. In Langwaden blicken die Menschen weiterhin skeptisch auf die Planung der ICE-Neubaustrecke, die parallel zur A67 verlaufen soll. Man befürchtet nicht nur den Verlust von Naturschutzgebieten und Waldflächen, sondern auch eine erhebliche Geräuschbelastung insbesondere durch einen stärkeren nächtlichen Güterverkehr.
In der momentan entscheidenden Beratungsphase im Dialog mit der Deutschen Bahn wünscht sich der Ortsbeirat daher eine deutlichere Positionierung aus dem Bensheimer Rathaus. Die Bürgermeister von Lorsch und Einhausen hatten sich jüngst wiederholt kritisch gegenüber der aktuellen Streckenführung und den Lärmschutzmaßnahmen geäußert. Und genau das vermisst man in dem kleinsten Stadtteil, der von der sogenannten Konsenstrasse besonders stark betroffen wäre.
Höchste Geräuschbelastung
Von allen Siedlungen im betreffenden Streckenbereich habe Langwaden die mit Abstand höchste Geräuschbelastung zu erwarten, so Ortsvorsteher Robert Loreth im Gemeinschaftshaus, wo er auch zahlreiche Einwohner begrüßte. Insbesondere der nächtliche Güterverkehr werde sicherlich für Unmut sorgen. Außerdem würden einer neuen, breiteren Gleisführung rund 90 Hektar Waldfläche zum Opfer fallen. Zusätzlich zum Bau der reinen Bahnstrecke kommen weitere Rodungsflächen für die Betriebsinfrastruktur und die Baustelleneinrichtung.
Daher fordert das Gremium die Stadt Bensheim ausdrücklich auf, sich im Sinne der Bergsträßer Wunschvariante aktiv gegen eine oberirdische Bauweise auszusprechen, um einen größtmöglichen Schutz von Mensch und Natur zu erreichen. Der Beschluss wurde einstimmig gefasst. Ortsbeirat Philipp Lämpe plädierte für eine engere Zusammenarbeit und Abstimmung mit Lorsch und Einhausen, um in der Sache mit einer starken Stimme sprechen zu können. Langwaden allein werde in dem laufenden Prozess kaum gehört. Moritz Bischof sieht das genauso. „Wir haben hier 350 Menschen, die erwarten, dass ihre Sorgen ernst genommen werden.“
Die Stadt Bensheim hatte es ausdrücklich begrüßt, dass es mit der Trassenentscheidung entlang der A67 – und nicht entlang der A5 – zu keiner zusätzlichen Lärmbelastung in der Kernstadt und in Auerbach kommen werde. Die vorgesehene Strecke führt an Darmstadt vorbei, entlang der A 67 vorbei an Lorsch und Einhausen mit einer Unterquerung der Autobahn am Kreuz Lorsch und weiter durch den Lorscher Wald nach Lampertheim und Mannheim. Allerdings seien der Schutz der Menschen und des Waldes bei diesem Kurs in keiner Weise berücksichtigt worden, so Robert Loreth. Eine normale, oberirdische Trassierung wird von der Bahn als ausreichend angesehen. Das sieht man vor Ort völlig anders. Hinzu kommt die Enttäuschung darüber, dass eine langjährige Bürgerbeteiligung mit etlichen Vorschlägen und alternativen Ideen praktisch nicht berücksichtigt wurde.
Das Hauptaugenmerk liege daher auf dem bestmöglichen Lärmschutz für die Anwohner in Langwaden, so Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung im Ortsbeirat. Sie hofft auf den Einfluss des Projektbeirats, über den regionale Belange, die über die Vorzugsvariante der Bahn hinausgehen, formuliert werden. Er ist Grundlage für die spätere parlamentarische Befassung.
In diesem geografisch fokussierten Gremium (eins von derzeit zweien) sollen die erweiterten Forderungen aus dem Bergsträßer Konsens zur Verbesserung der Vorzugsvariante auf Augenhöhe eingebracht und diskutiert werden. Der Dialog im Projektbeirat ist der parlamentarischen Debatte im Bundestag vorgeschaltet. Er bildet ein Forum, in dem letztlich festgelegt wird, welche Ziele und Forderungen im Bundestagsbeschluss aufgenommen werden sollen. Die nächste Sitzung soll Ende der kommenden Woche stattfinden.
Im Beirat Bensheim-Mannheim/Waldhof sitzen unter anderem Vertreter von Umwelt- und Naturschutzverbänden sowie Kommunen und Bürgerinitiativen. Unter anderem sind die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, der Nabu und der BUND eingebunden. Hinzu kommen der Landrat und Vertreter von Fahrgast- und Wirtschaftsverbänden sowie die zuständigen Bundestagsabgeordneten und der Umweltverband „Mensch vor Verkehr“. Dessen Sprecher Reimund Strauch betonte in Langwaden, dass die Bahn aktuell immerhin 140 Züge prognostiziert, die nachts am Ort vorbeirauschen würden. Um die Wohngebiete abzuschirmen, ist eine sechs bis acht Meter hohe Schallschutzwand vorgesehen. Der Verband hatte sich daher früh für einen bergmännischen Tunnel als beste Lösung stark gemacht.
Strauch geht davon aus, dass es im Falle einer überirdischen Variante oder eines Tagebautunnels eine Reihe von Klagen geben wird. Dadurch käme es zu massiven Bauverzögerungen und steigenden Projektkosten. „Eine unterirdische Lösung wäre am Ende wenig teurer.“ Die Bahn hatte diese Alternative vor drei Jahren als finanziell zu aufwändig kommentiert und ad acta gelegt. Laut Strauch komme es jetzt darauf an, möglichst geballt und erfolgreich auf die finale Entscheidung des Bundes einzuwirken und Korrekturen im Sinne der Region durchzusetzen. Der Umweltverband hatte mehrfach eine Klage als letzten Ausweg nicht ausgeschlossen.
Vor einer juristischen Auseinandersetzung sieht Nicole Rauber-Jung das konstruktive Gespräch. Die Stadträtin setzt auf überzeugende Argumente im Sinne einer Lösung, mit der die Bergsträßer Kommunen leben können. Ein Konsens bei den Forderungen, die über die gesetzliche Norm hinausgehen, wäre für alle Beteiligten von Vorteil, sagte sie. Ihre Hoffnungen ruhen auf dem Erfolg des Projektbeirats.
Auf eine klare Kante aus dem Rathaus könnten sich die Bürger von Langwaden verlassen, betonte sie. Die Stadt habe dem Ortsteil wiederholt ihre Unterstützung zugesagt. „Vielleicht hätte man das noch besser kommunizieren müssen“, so Rauber-Jung.
Gemeinsam mit dem Ortsbeirat und „Mensch vor Verkehr“ hatte Bürgermeisterin Christine Klein im Februar eine Infotafel an einem Wirtschaftsweg östlich der Autobahn aufgestellt. Darauf werden die Belastungen durch Lärm und Flächenverbrauch zusammengefasst. Ein weiteres Schild soll demnächst am alten Forsthaus platziert werden.
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