Einhausen. „Die Deutsche Bahn versucht aktuell, übergesetzliche Maßnahmen zu vermeiden“, sagt Reimund Strauch, Sprecher des Umweltverbandes Mensch vor Verkehr und Vorsitzender des Einhäuser SPD-Ortsvereins. Gemeint ist damit alles, was über die gesetzlichen Regelungen zum Schallschutz hinausgeht. Das bedeute, dass ein bergmännischer Tunnel derzeit wohl nicht zu den Zielen der Bahn gehört.
Der Kreis Bergstraße hatte sich einstimmig für diese Variante („Konsenstrasse“) ausgesprochen. Doch die Sachlage sieht anders aus. Bis auf eine kurze Untertunnelung zur Querung der A 67 bei Lorsch plant die Bahn im Bereich der Kommunen Einhausen, Lorsch und Langwaden eine offene Streckenführung. Schallschutzwände sollen dafür sorgen, dass der durch ICE- und Güterverkehr entstehende Lärm auf der Neubautrasse in den Ortsbereichen unter den gesetzlichen Grenzwerten bleibt. Beim Treffen des Regionalen Projektbeirats wurden vor kurzem Kostenschätzungen vorgestellt, die sich klar auf eine offene Bauweise mit vereinzelten Tunnel-Lösungen beziehen. Der Kurs der Bahn scheint also klar.
„Mit einer Stimme sprechen“
„Es ist deshalb besonders wichtig, dass in der Region weiterhin Einigkeit herrscht“, betonte Strauch bei einem Ortstermin der Einhäuser Sozialdemokraten am Samstag mit dem SPD-Bundestagskandidaten Sven Wingerter. Dieser forderte alle politischen Akteure über alle Parteigrenzen dazu auf, mit einer Stimme zu sprechen. Ansonsten habe man kaum eine Chance, die Planungen zu beeinflussen. Der Bergsträßer Konsens bedeute ganz klar auch einen bergmännischen Tunnel, so der SPD-Kandidat aus Wald-Michelbach. Positiv kommentierten die Sozialdemokraten die Positionierung in Lampertheim, die in die gleiche Richtung geht.
Einhausen, Lorsch und Langwaden gelten als die am stärksten betroffenen Kommunen im Kreis, wenn die derzeitige Planung durchgesetzt würde. Um sich ein ungefähres Bild von der künftigen Trassenführung machen zu können, lud Reimund Strauch die Teilnehmer an den Einhäuser Hundeplatz ein – der auf Lorscher Gemarkung zwischen der L 3111 und der Weschnitz gelegen ist. Der Bereich würde durch einen oberirdischen Tagebau für vereinzelte Tunnelvarianten komplett wegfallen. Bei einer offenen Tunnelbauweise werden die Gleise durch eine extra geschaffene Senke verlegt, die hinterher wieder geschlossen wird. Ähnlich wie ein Trog mit Deckel. Nicht nur die anwesenden Mitglieder des SGV Einhausen hörten das mit gemischten Gefühlen. Auch die SPD verwies auf den enormen Waldverlust, der mit einer solchen Großmaßnahme einhergehen würde.
„Das wäre das Todesurteil für unseren Wald“, so Strauch über die Gefahr für die lokalen Schutzgebiete. Selbst bei einer Wiederaufforstung nach dem Tagebau würde es Jahrzehnte dauern, bis sich die Flächen wieder erholt hätten. Er befürchtet umfangreiche Rodungen und warnt vor der Zerstörung von rund 90 Hektar Forst sowie weiteren negativen ökologischen Auswirkungen durch den Ausbau der Verkehrswege. Denn auch die Autobahn 67 zwischen Lorsch und Darmstadt soll bekanntlich erweitert werden. Man geht davon aus, dass während der Bauphase ein bis zu 100 Meter breites Baufeld geräumt werden muss.
Insgesamt beziffert Strauch die grünen Verluste auf mehr als 400 Hektar durch Rodungen und Schädigungen. Das ist fast so viel wie die Gesamtrebfläche des Weinanbaugebiets Hessische Bergstraße. Mensch vor Verkehr (MvV) kämpft seit vielen Jahren für einen verträglichen Bau der ICE- und Güterzugtrasse zwischen Frankfurt und Mannheim. „Wir arbeiten für die Zukunft, mit Idealismus und Eigeninitiative“, so Strauch. Zur Not auch über die Möglichkeit einer Klage. Dazu sei es derzeit aber noch zu früh.
Auch bei der Umsetzung der Trasse spielt der zeitliche Faktor eine zentrale Rolle. Strauch geht von jeweils cirka sieben Jahren Planungs- und Bauphase aus. Vor Mitte der 2030er Jahre dürfte auf der Neubaustrecke demnach kein Zug rollen. Am Weschnitzufer mit Blick auf die kleine Autobahnbrücke einige Meter nördlich erinnerte er auch an den weiteren Gang der Dinge: Mit dem Planfeststellungsverfahren werde erst nach dem Bundestagsbeschluss zur Neubaustrecke begonnen. Der wird für das Jahr 2023 erwartet. Ein Entwurf liege bereits vor. Zuvor wolle die Bahn die Ergebnisse des Projektbeirats – inklusive übergesetzlicher Forderungen – als gesonderte Stellungnahme der Kommunen in die sogenannte Parlamentarische Befassung einbringen, heißt es.
Der Bundestag entscheidet
So wichtig die Bergsträßer Forderungen im Projektbeirat auch seien: Entschieden werde letztlich allein im Bundestag, betont Reimund Strauch. Daher komme es nun darauf an, dass sich die Politik ein Bild von der Lage mache. Was er keinesfalls wolle, sei eine Situation wie im Dannenröder Forst: Man wolle keine Umweltaktivisten, die auf Bäumen sitzen, sondern eine sachlich-vernünftige Debatte.
Als Kreistagsmitglied sei er lange mit der Thematik vertraut, sagte Sven Wingerter. Hinsichtlich der Neubaustrecke wolle er sich für den Bergsträßer Konsens einsetzen, falls er als Abgeordneter nach Berlin gewählt wird. Der Direktkandidat der Bergsträßer SPD will für den Wahlkreis 188 bei der Bundestagswahl am 26. September die Nachfolge von Christine Lambrecht antreten, die nicht mehr kandidieren wird.
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