Lorsch. „Kräppelkaffee“ nennt der Katholische Frauenbund Lorsch seine große Fastnachtsveranstaltung schlicht. Wer meint, man sitzt dabei in geselliger und fröhlicher Runde an Tischen und stärkt sich am süßen Fastnachtsgebäck, liegt nicht falsch. Die Lorscher Frauenfastnacht ist allerdings viel mehr als nur das. Im Paulusheim steppte am Sonntag der Bär.
Der Frauenbund unter Vorsitz von Walfriede Heinz begeisterte mit einem unterhaltsamen mehrstündigen Programm. Auf der Bühne wurde mehrfach getanzt, aber auch die Zuschauer ließen sich von der guten Laune anstecken, tanzten deshalb ab und an spontan vor der Bühne sowie zwischen den Stühlen.
Erstmals als Aktive mit ins Programm eingebunden waren die Fastnachter des jungen Lorscher Vereins „Rock’n Rabbits“ – und die Mitglieder, von denen mehrere auch ihre Kinder mitbrachten, sorgten nebenbei auch für einen größeren Anteil junger Zuschauer. Die Mehrheit des Stammpublikums ist üblicherweise im etwas gesetzteren Alter.
Beliebt ist die Frauenfastnacht. Die Organisatorinnen hatten ihre Veranstaltung daher diesmal in den großen Saal verlegt. Der „Kräppelkaffee“ war schnell ausverkauft, es gab mehr Nachfragen als Eintrittskarten, so der Frauenbundvorstand.
Politik bleibt bei den Fastnachterinnen außen vor. Das betont die Gruppe um Walfriede Heinz jedes Jahr. Dass ihnen auch ohne das riesige Feld an politischen Anregungen die Fastnachtsthemen nicht ausgehen, beweisen sie ebenfalls stets aufs Neue.
Sie nehmen kein Blatt vor den Mund und in die Vorträge werden selbstverständlich auch jede Menge Lorscher Namen eingebaut. Grandios waren zum Beispiel Rosi Lamura und Marianne Horlebein in der Rolle als zugezogene Lorscherinnen.
Unbedingt wollten die beiden nach Lorsch. Sie hatten gehört, dass die Leute dort besonders nett und gescheit seien. Mit der Gastfreundschaft ist es dann aber doch nicht so weit her, muss das Duo erfahren.
Die Bemühungen, Vereinsmitglied zu werden, scheitern jedenfalls vielfach. Die Feuerwehr unter Stadtbrandinspektor Stracke habe bei ihrem Anblick den Alarmknopf gedrückt, beim Obst- und Gartenbauverein hätten sie als Vogelscheuchen im Rapsfeld anfangen sollen, die Turnvereinigung habe sie nicht aufnehmen wollen, weil die Neuen mit ihrem „Gehopse“ den Sportboden ruinierten. Auch bei der Schola werden sie abgewiesen.
Nachtigallen sind sie halt keine. „Wir singen laut, falsch, grässlich und schräg“, trällern die beiden. Aufgeben aber ist glücklicherweise nicht ihr Ding – und so finden sie zum Frauenbund, bei dem ausgelassen gefeiert wird. Zur Musik von Tony Marshalls „Wir sind die Tramps von der Pfalz“ geht das Publikum begeistert mit und fordert von Horlebein und Lamura Zugabe, mit Erfolg.
Der Lorscher Pfarrer Michael Bartmann kommt im weißen Kittel in der Rolle als „Dr. Psych“. Weil er von der Schweigepflicht entbunden ist, kann er frisch von der Leber weg aus seiner Sprechstunde erzählen, die von erstaunlich vielen Lorschern besucht wird, wie der Facharzt zur Freude des Publikums ausplaudert.
Auch der Frauenbund-Vorstand konsultierte „Dr. Psych“. Denn nach einem Missgeschick auf dem Golfplatz glaubt die stellvertretende Vorsitzende doch glatt, sie sei die neue Chefin. Auch von Fällen, in denen eine Dame überzeugt ist, Nofretete zu sein, wusste der Pfarrer zu berichten, dessen ärztliche Ratschläge man aber besser nicht beherzigen sollte.
Zustimmung im Publikum, als „Dr. Psych“ zur Melodie von „Auf der Schwäb’schen Eisenbahne“ erklärt, einen kleinen Spleen „haben wir alle“. Großer Applaus für Bartmann, der mit einer Rakete und einem dreifachen Laurissa-Helau verabschiedet wird.
Wurstsalat mit Zyankali
Bei der Frauenfastnacht geht es nicht zimperlich zu. Als „Witwen“ verraten Gabi Froitzheim, Uschi Franke, Christel Haßlöcher, Marianne Horlebein, Rosi Lamura und Christel Jakob, wie sie ihre Ehemänner um die Ecke brachten: Sie haben den Wurstsalat mit Zyankali gewürzt oder ein Fliegenpilz-Ragout serviert.
Viel Geld braucht man nicht unbedingt, um Spaß zu haben und dabei gut auszusehen, versichern die Fastnachterinnen. Das zeigt auch ihre Modenschau. Graublaue Müllsäcke, mit ein bisschen Glitzer aufgepeppt, seien vorteilhafter als Leder und Lack, versichern die Models, die den praktischen Look preisen.
Uschi Franke erzählt vom Umgang mit Blähungen, Anita Koch besingt als „verfressene Nudel“, was glücklich macht: Süßes von Buttergebäck bis Schoko-Bananen und dazu Eierlikör. „Es kann nicht genug dran sein an einer schönen Frau“, tröstet sie sich mit Blick auf die folgende molligere Figur.
Beifall für die Schönheitskönigin
Als Schönheitskönigin im barocken Stil und bayerischen Zungenschlag begeistert Christel Haßlöcher samt ihrem Verehrer. Ohne Worte kommt der Sketch im Kino aus, bei dem Lemura, Franke, Horlebein, Haßlöcher, Froitzheim und Hanne Wiesenbach für Heiterkeit sorgen.
Manfred Winkler reiht am Piano einen Hit an den anderen, lässt als Alleinunterhalter Schunkelwalzer und berühmte Fastnachtssongs erklingen. Die Rabbits sorgen mit einer Tanzeinlage als „neue Sandhasen“ für Stimmung und marschieren mit einer Polonaise durch den Saal. Es werden Zugaben gefordert, Raketen steigen.
Walfriede Heinz führte am Sonntag gewohnt souverän durchs Programm. Die Frauenbundvorsitzende, die erneut mehrere Fastnachtstexte selbst geschrieben hat und die Veranstaltung seit Jahrzehnten managt, wurde zum Abschluss des gelungenen Kräppelkaffees für ihr 50-jähriges Engagement als Moderatorin geehrt.
Das Finale führte nach Italien, in den berühmten venezianischen Karneval. In den Rokoko-Kostümen und den typischen Masken wollen Fastnachterinnen auch am kommenden Sonntag am Fastnachtsgottesdienst in St. Nazarius teilnehmen.
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