Lorsch. Wo gibt es eine Auszeit von den bedrohlichen Krisen weltweit? Bei den Fastnachtern zum Beispiel. Die N3 stellten am Wochenende ein Programm mit zweimal je gut viereinhalb Stunden Unterhaltung auf die Beine. Trump und Putin bekamen darin keinen Raum – und auch Künstliche Intelligenz brauchen die Närrischen Drei nicht, wie Sitzungspräsident Simon Helwig ausrief. Für beste Laune in der zweimal ausverkauften Halle sorgten die Blau-Weißen allein mit ihrer fastnachtlichen Leidenschaft. Die steckt an.
Bloß nicht auf den Tischen tanzen
Wären die Tische im Saal massiver, dann hätten die Besucher wohl schon bald auf ihnen getanzt. Das verbat sich allerdings. Denn die Lorscher Fastnachtsvereine sind diesmal nicht Hausherrn, sondern nur zu Gast. Die Sanierung der Nibelungenhalle zwingt sie dazu, nach Einhausen auszuweichen. So wurde bloß auf die Holzstühle der dortigen Mehrzweckhalle geklettert, wenn die Hände zum Himmel gingen. Die Lorscher hoffen schließlich darauf, dass sie auch 2026 noch willkommen sind bei ihren freundlichen Nachbarn.
Vielleicht sind Auswärtsspiele sogar noch viel länger nötig. Denn vom umfangreichen Umbau am Wingertsberg ist von außen noch immer nichts zu sehen. Die gesperrte Nibelungenhalle war ein Dauerthema auch der N3-Sitzung. Nicht nur „Helwig und Helwig“ trauerten ihr heftig nach. Zur Freude des Publikums half eine gute Fee, die im rosa Tüllröckchen auf die Bühne rollerte.
Andreas Mizera entpuppte sich zwar als „Kleinhäuser Kerwegiggel“ und wollte auch nur einen einzigen statt drei Wünschen erfüllen, wie er mit ausgestrecktem Mittelfinger anzeigte, aber immerhin. Als Simon und Christoph Helwig ihre Bauarbeiter-Kluft wegwarfen, zur Gitarre griffen und losrockten, da stand der Saal. Begeistert klatschten und sangen alle Besucher mit als die beiden mit ihrem Hit „Immer bist du der Bestimmer“ lautstark für Stimmung sorgten.
Die für Lorscher Verhältnisse „Riesenhalle“ der Einhäuser hat aber auch Vorteile. Zwar nicht, was das Mobiliar betrifft, aber für eine Polonaise eignet sie sich prima, wie das Publikum bewies, das sich zur „Ode an die Freunde aus Einhausen am schönen Weschnitzstrand“ fröhlich durch den Saal schlängelte.
Auch den Elferrat hielt es bei der geforderten Zugabe nicht auf den Sitzen und die Zuschauer schwenkten Leuchtwirbel und ließen im Rhythmus mittanzend ihre Smartphones in Richtung der Künstler leuchten.
„So lange Gänge“ seien in der Einhäuser Halle zu bewältigen, nölten „Manuel und Manuel“, die als „Brezelverkäufer“ wenig Lust auf solch anstrengende Arbeitsbedingungen zeigten. Die angestammte Spielstätte in Lorsch werde sich wegen unendlich langer Bauzeit doch hoffentlich nicht zu einer „Jahrhunderthalle“entwickeln? Dank deutscher Bürokratie, die ein Jahrhundertwerk aus dem Umbau macht, könnte die Nibelungenhalle allerdings auch besonders wertvoll werden, meinten die Caterer Manuel Hartmann und Manuel Rau. Vielleicht sogar ein weiteres Lorscher Weltkulturdenkmal?
Sprengung am Wingertsberg
Auch „Ludwig und Karl“ mussten nach Einhausen, inkognito wollten sich die Lorscher Rentner dort aufhalten und waren bass erstaunt, wie viele Lorscher schon angekommen waren. Die „Mitfahrbank“ muss erstmals ein Erfolgsmodell geworden sein, vermuten sie. Dr. Sebastian Koob und Alexander Löffelholz, die das Einhäuser Hallenbad als „Spa“ nutzen wollen, berichten in ihrer bewährten N3-Paraderolle allerlei abenteuerliche Neuigkeiten: die Nibelungenhalle „steht kurz vor der Sprengung“, das „Ampel-Aus“ in Berlin ist durch die damalige Reise des Frauenbunds in die Hauptstadt verursacht worden – die Zeitgleichheit kann jedenfalls kein Zufall sein.
Die Mitwirkenden der N3-Sitzungen
- Sitzungspräsident: Simon Helwig.
- Elferrat (Freitag/Samstag): Thorsten Wienold, Rudolph Hutzl, Barbara Wuthe, Thomas Jochum, Karl-Heinz Fillauer, Heribert Koob, Hiltrud Koob, Cindy Ludwig, Sven Lautenschläger, Andreas Diehl, Markus Neundörfer, Christoph Geiß, Pascal Berg, Mathias Horlebein, Cindy Graf, Sandy Theobald, Kerstin Koob, Kerstin Wienold, Jenny Ospeld, Volker Reichstein.
- Büttenredner: Enja Hartmann, Manuel Hartmann, Manuel Rau, Christine Andes, Tanja Dohrmann, Dr. Sebastian Koob, Alexander Löffelholz, Simon Helwig, Christoph Helwig.
- Musikzug Laurissa: Vorsitzender Markus Maier, Dirigent Tobias Molitor.
- Garde: Florian Fillauer, Patrick Froitzheim, Andy Gärtner, David Koch, Christian Koob, Dominique Völker, Jan Niewiadomski, Benjamin Purkert, Kevin Theobald, Maximilian Walter.
- Tanzpaar: Sven Theobald, Emely Dohrmann.
- Mädchengarde: Elly Brunnengräber, Merle Adamovic, Marie Andes, Selina Drax, Martyna Czaplowska, Julia Jünke, Emily Derst, Lucy Brunnengräber, Adrienne Wachtel, Lucy Seehaus, Marie Rau, Lara Zöller.
- N3-Chor: Stephan Koob, Hans Jäger, Christoph Geis, Anna-Lena Geis, Theresa Geis, Ulrike Helwig, Katrin Helwig, Rosi Fetsch, Karin Koob, Mandy Kirpal.
- Mädchenballett: Elly Brunnengräber, Julia Klos, Anna Zintl, Theresa Geiß, Alena Kristel, Anna-Lena Steyer, Aaliyah Schär, Eva Maria Elbert, Jana Baier, Julia Rothenheber, Lena Rudolph, Chantal Schmitt, Patricia Schumacher.
- N3-Trommler: Andreas Diehl, Timo Stockmann, Lars Seehaus, Robert Markgraf, Manuel Hartmann, Marc Speckhardt, Daniel Andes, Karsten Clasen.
- Männerballett: Christoph Helwig, Cyrille Klein, Sebastian Koob, Alexander Volk, Alexander Löffelholz, Jörg Steffan, Daniel Helwig, Nils Engel, Luca Wiegand, Christopher Papst, Matthias Drax, Christoph Stolle, Christian Rogalsky.
- Damenballett: Zoe Ramser, Elena Bihn, Alena Hartmann, Selina Wienold, Jessica Stockmann, Luisa Froitzheim, Lilli Essbach, Laura Heidkamp, Lara Zöller, Vanessa Emig, Andrienne Wachtel, Manuela Petsch, Celine Steyer, Valerie Schiro.
Die jüngsten TV-Bilder aus dem Bundestag beweisen zudem, dass das „Dschungelcamp“ inzwischen offenbar auf dem Sender Phönix läuft. Aber Karl beunruhigen noch viel mehr die Zeichen, die auf grundlegende Veränderungen direkt vor Ort hindeuten – und das, obwohl die „kulturellen Unterschiede“ zwischen den Nachbarkommunen nun wirklich gravierend sind: „Die Einhäuser reden doch ganz anders.“
Die Kirchengemeinden aber sind bereits zusammengelegt, die Lorscher Fastnacht findet jetzt in Einhausen statt – sonnenklar also, dass die Fusion von Lorsch und Einhausen unmittelbar bevorsteht. „Niemals!“ ertönt da plötzlich ein resoluter Zwischenruf aus dem aufmerksamen Publikum.
Bald regiert Christmut Glanzung
Karl aber ist sicher, dass der Bürgermeister bald Helmut Schöning heißen wird oder Christmut Glanzung. Die von den Senioren erhoffte hohe Gage für ihren Auftritt in Einhausen – Ludwig und Karl vergleichen sich mit den Rolling Stones –, macht der N3-Sitzungspräsident allerdings jäh zunichte: „Es langt“, lässt er das Duo abblitzen, das viel Beifall erhält.
Die Lorscher Fastnachter haben sich auf ihr Publikum, zu dem jetzt naturgemäß auch viele Einhäuser gehören, sowieso gut vorbereitet. „Wir reden langsam und deutlich“, hatte Simon Helwig als Devise ausgegeben. Neben jedem Einhäuser Besucher der Saalfastnacht werde zudem ein Lorscher sitzen – falls es Fragen zur Lorscher Fastnacht geben sollte, könnten diese so umgehend beantwortet werden. „Uiuiuiuiuiuiui“, kommentieren dieses Betreuungsangebot die einheimischen Zuhörer.
Urgesteine der N3-Fastnacht sind auch Tanja Dohrmann und Christine Andes, diesmal als Bauchrednerin mit einer schüchternen Sandhas-Puppe zu erleben. Das Lorscher Hasenmädchen traut sich in Einhausen nur auf die Bühne, wenn es vom Publikum jubelkreischend begrüßt wird. Die Besucher tun den Künstlern natürlich diesen Gefallen. Und so fliegen ihnen Kleidungsstücke entgegen und die Sandhäsin erzählt daraufhin lispelnd freche Witze, flirtet mit Büttenschieber Marcel und Andreas aus dem Publikum, zaubert ein Foto des Lorscher Bürgermeisters aus einem Briefkuvert.
Mit vielfachem „Laurissa Helau“, donnerndem Beifall und Zugabe-Rufen bedanken sich die Zuschauer für die zahlreichen Tanzdarbietungen. Allen voran brilliert das neue N3-Tanzpaar Sven Theobald und Emely Dohrmann mit einem atemberaubenden Auftritt. Eine Fülle von präzise ausgeführten Hebefiguren, kunstvoll und ungemein temporeich vorgeführt, sind eine Klasse für sich. Umrahmt wird ihre eindrucksvolle Partnerakrobatik von der Hüttengaudi der Garde, die sich mit Skigymnastik fit hält und verrät: „Ich war noch niemals in den Bergen nüchtern unterwegs.“
„Helwig und Helwig“ schufteten als Bauarbeiter und freuten sich über die Fee, die aber nur einen einzigen Wunsch erfüllen wollte. Dann wurde gerockt.
650 Mitglieder stark sind die N3, die jüngsten 200 Aktiven haben ihr Können bereits bei der Kindersitzung gezeigt. Die Mädchengarde begeistert auch bei der abendlichen Saalfastnacht. Die „Summervibes“ des Mädchenballetts, anschließend an der Reihe, bringen die Zuschauer mit Sambaklängen und einem selbst einstudierten Tanz zu „Let’s Get Loud“ von Jennifer Lopez in farbenfrohen Outfits auf Temperatur.
Der Musikzug Laurissa stimmte auf die Saalfastnacht ein, der N3-Chor animierte den Saal erfolgreich zum Mitsingen bei Hits wie „99 Luftballons“. Als „Major Tom“ mit dem Raumschiff abhebt, bleibt kein Besucher sitzen, manche tanzen auf den Stühlen.
Einzigartig sind die N3 nicht allein mit ihrem Tanzpaar, auch die Trommler suchen ihresgleichen. Sie liefern, sportlich in dunklen Jogginganzügen unterwegs, eine grandiose instrumentale Show ab – und demonstrieren, dass wahren Könnern sogar bei gewagten akrobatischen Übungen kopfüber exakte Trommelwirbel gelingen.
Gegen Mitternacht geben sich die „NBA“-All-Stars die Ehre in Einhausen. Die Lorscher Mitglieder des Männerballetts können mit den amerikanischen Basketballern athletisch locker mithalten, Michael Jordan kann einpacken. Das krönende Finale gehört den „Divas on fire“ des Damenballetts.
Ein Hoch auf den Frieden
Dass es draußen in der Welt gerade alles andere als heiter und humorvoll zugeht, das blendeten auch die Fastnachter nicht aus. Einen Appell für Zusammenhalt und ein „Hoch auf den Frieden“ riefen Sitzungspräsident Helwig und die junge Büttenrednerin Enja Hartmann zum Auftakt aus. „Närrische Zeiten braucht die Welt“ lautet das Motto der Blau-Weißen in diesem Jahr. „Ich bin ein Narr, ich bleibe Optimist“, erklärte Hartmann, die außerdem dazu aufrief, bei der Wahl für demokratische Parteien zu stimmen. Die Uniformen der Fastnachter sind keine Verherrlichung, sondern im Gegenteil eine Persiflage auf Militarismus.
In Wahrheit sind auch Lorscher und Einhäuser dicke Freunde, wurde auf der Bühne versichert und im Publikum erlebt. Dass die N3 zudem alle Generationen begeistern, bewies die Information, dass die älteste Besucherin in der Mehrzweckhalle auch im Alter von 92 Jahren gerne mitfeierte. Nach dem offiziellen Programm wurden Tische zur Seite geräumt und zur Musik von Barbara Boll und Patrick Embach getanzt.
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