Lyrik-Veranstaltung

Krimi-Autorin Ingrid Noll war beim Lorscher Leseschwarm zu Gast

Von 
Nina Schmelzing
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Auch die Lorscher „Leseschwarm“-Aktiven Sibylle Römer, Nicole Margraf und Heidrun Scheyhing (v.r.) hörten gespannt zu, als sich Ingrid Noll bei der Veranstaltung einreihte und mit Gedichten und ihrem Werk „Schweinepascha“ begeisterte. © Schmelzing

Lorsch. Texte von berühmten Autoren sind bei Veranstaltungen des Lorscher „Leseschwarms“ selbstverständlicher Bestandteil des Programms. Dass aber noch dazu eine international bekannte Schriftstellerin auch selbst auf der Bühne steht, kommt nicht alle Tage vor. Die berühmte Krimi-Autorin Ingrid Noll beehrte die jüngste „Leseschwarm“-Veranstaltung. Sie las aus einem ihrer Bücher vor und zitierte zudem auch einige Gedichte prominenter Kollegen. Das Publikum war sehr angetan, es gab viel Beifall.

Er erklang diesmal mitten in Weinheim. Dorthin hatten die Lorscher ihren Poesie-Abend verlegt, der den Abschluss der Sommertour namens „Leseschwarm fliegt aus“ bildete. „Die Sonne ist ein Lutschbonbon“ lautete das Motto zum Finale. Die originelle Zeile aus einem Gedicht des hierzulande nicht sehr bekannten österreichischen Schriftstellers Georg Bydinski gab das Thema vor: Diesmal drehte sich alles um Gedichte für Kinder.

Texte von Maar, Krüss und Ende

Das Team mit Sibylle Römer, Nicole Margraf, Heidrun Scheyhing, Karl-Heinz Mulzer und Renate Stippler hatte für das Gastspiel ein abwechslungsreiches Repertoire zusammengestellt. Ihre Auswahl bewies, dass Lyrik für Kinder keineswegs weniger anspruchsvoll sein muss als Poesie für Erwachsene. Reime von Kinderbuch-Stars wie Max Kruse, Paul Maar oder James Krüss präsentierte die „Leseschwarm“-Gruppe unter anderem.

Von „Momo“-Autor Michael Ende wurde „Schnurps grübelt“ zum Besten gegeben, in dem auf kindliche und tröstende Art das Sterben thematisiert wird. „Ist man dann weg? Ist man einfach fort? / Nein, man geht nur woanders hin. / Ich glaube, ich bin dann halt wieder dort, / wo ich vorher gewesen bin“, heißt es in dem Vierstropher, in dem „über die Zeit, als ich noch gar nicht da war“, sinniert wird.

Straße nach Weinheim benennen?

Auch Weinheim hat viele schöne Ecken, stellten manche Lorscher fest, die bislang nur den Hermannshof, den Marktplatz und die beiden Burgen der Stadt kannten. Die „Leseschwarm“-Bühne war im idyllischen Gerberbachviertel aufgebaut worden.

Auf der Busfahrt nach Weinheim erinnerte der „Leseschwarm“ die Zuhörer unter anderem daran, dass die Burg Windeck einst zum Schutz des Klosters Lorsch errichtet wurde. Bürgermeister Schönung berichtete das auch kurz in seiner Rede in Weinheim. Während es in Weinheim zudem eine Lorscher Straße gibt, fehlt in der Klosterstadt allerdings bislang eine Straße, die die Zweiburgenstadt würdigt. Der Weinheimer Oberbürgermeister gab den Lorschern als Anregung mit auf den Weg, über eine solche Weinheimer Straße nachzudenken. sch

Das „Schnurps“-Gedicht kann man auch in Gedichte-Sammlungen für Senioren finden. Und Goethes „Hexeneinmaleins“ sowie Fontanes Ballade „Herr Ribbeck von Ribbeck im Havelland“, an die der „Leseschwarm“ erinnerte, sind natürlich sowieso in jedem Alter lesenswert.

Häufig ging es bei den „Gedichten für Kinder“ um Tiere – oft um gemeinhin wenig beliebte. „Die Wühlmaus“ etwa, den „Heuschreck“ oder auch „Die Spinne“. Heidrun Scheyhing trug das Spinnen-Gedicht von Mascha Kaléko vor, das mit dem Reim endet: „Die Spinne gleicht dem Menschenkind / weiß selber gar nicht, dass sie spinnt.“

Unsinnsgedicht, das jeder kennt

Lustige Unsinnsgedichte über Schnäpse trinkende Möpse oder Sieben kecke Schnirkelschnecken sorgten für gute Unterhaltung. Vom vor fast 100 Jahren verstorbenen Pädagogen Alwin Freudenberg kannten noch viele Zuhörer seinen „Riesen Timpetu“, aus dem der „Leseschwarm“ zitierte. Noch sehr viel präsenter ist bis heute das Werk eines unbekannten Verfassers, das in Weinheim so gut wie alle Zuhörer sofort mitsprechen konnten: „Dunkel war’s , der Mond schien helle / als ein Auto blitzesschnelle / langsam um die Ecke fuhr. / Drinnen saßen stehend Leute / schweigend ins Gespräch vertieft.“

Der vor einigen Jahren in Frankfurt verstorbene geniale Zeichner und Satiriker Robert Gernhardt war gleich mit zwei Gedichten vertreten, seinen Versen über die „Weißen Riesenhasen“, in denen er den „hundertzwölften Januar“ beschreibt und dem Text „Übers Wasser laufen“, in dem allerlei komplizierteste Rezepte zur Erlangung dieser Fähigkeit beschrieben werden. Man kann sich diese Mühen aber auch ersparen, verrät er in den Schlusszeilen – wenn man einfach schwimmen lernt.

Beifall für den „Schweinepascha“

Ingrid Noll entführte unter anderem ins „Schlaraffenland“, so heißt das Gedicht von Hoffmann von Fallersleben, der auch die deutsche Nationalhymne textete. Besonders begeisterte die Krimi-Autorin mit einer Lesung aus einem ihrer eigenen Bücher. „Der Schweinepascha“ ist weniger bekannt als ihre Bestseller wie „Die Apothekerin“ oder „Der Hahn ist tot“.

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Bei dem schmalen, 1996 im Diogenes-Verlag erschienenen Werk, das Noll auch selbst illustriert hat, geht es nicht um Kriminalität, sondern um Emanzipation und den Sieg der Liebe. Dem „Schweinescheich“-Macho jedenfalls laufen insgesamt fünf Frauen weg, wählen lieber interessante Jobs als das Leben mit ihm, bis er mit der sechsten das Familienleben mit zwölf Ferkeln packt. Dass dieser Alltag tägliche Schufterei bedeutet, verschweigt Noll in ihrer Geschichte in süffigen Reimen nicht. Das Buch, beim Verlag aktuell nicht lieferbar, aber antiquarisch erhältlich, hätte mancher gern sofort vom Fleck weg gekauft.

Von Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just wurden die Lorscher persönlich zu ihrem Gastspiel begrüßt. Der „Leseschwarm“ fungierte als Teil des Programms „Weinheimer Kultursommer“. Auch Bürgermeister Christian Schönung war mit in den Bus gestiegen, der die „Leseschwarm“-Akteure sowie die Zuhörer in diesem Sommer stets gratis von Lorsch zu den Auftrittsorten und wieder retour transportierte. Ob in Bensheim, Zwingenberg oder Hemsbach – überall wurde die Gruppe sehr willkommen geheißen.

Neuer Roman kommt im Oktober

Schönung überreichte Ingrid Noll eine „Lorsch-Tasse“ als Dankeschön und lobte ihren professionellen Bühnenvortrag gemeinsam mit den Ehrenamtlichen. Die Tasse sei passend, entgegnete die 86-Jährige erfreut. Ihr nächster Roman, der im Oktober erscheinen wird, heißt schließlich „Tea Time“, berichtete sie. Der „Leseschwarm“ werde für das kommende Jahr weitere Programme ersinnen, versprach Nicole Margraf, um dem Gedichte liebenden Publikum weitere „unvergessliche Momente“ zu bescheren.

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