Lorsch. Der Deutsche Bundestag ist zuletzt immer größer geworden. Mit aktuell 736 Mandaten hat er eine Rekordzahl erreicht, sich von den ursprünglichen 598 Sitzen längst weit entfernt und er fällt auch im internationalen Vergleich auf. Denn ein so großes frei gewähltes nationales Parlament leistet sich weltweit niemand sonst. Nach vielen Anläufen für eine Verkleinerung soll der nächste Bundestag nun tatsächlich um gut 100 Sitze reduziert sein. Eine ähnliche Debatte mit allerlei ähnlichen Argumenten gibt es auch auf kommunaler Ebene – und auch in Lorsch könnte es nach zahlreichen gescheiterten Anträgen jetzt doch zu einer Veränderung kommen.
Wenn sich die Stadtverordneten heute (6.) um 20 Uhr zu ihrer öffentlichen Sitzung im Paul-Schnitzer-Saal treffen, steht jedenfalls auch die Verkleinerung des Lorscher Stadtparlaments als Punkt auf der Tagesordnung. Aufgebläht wie der Bundestag ist die Stadtverordnetenversammlung natürlich nicht. Nur 37 Mitglieder umfasst sie, und das schon seit Jahrzehnten. Die Überzeugung, dass auch ein kleineres Ortsparlament ausreichen würde – und vielleicht sogar effizienter arbeiten könnte – gibt es aber ebenfalls bereits seit langer Zeit.
Anläufe scheiterten: es wurde Demokratie-Abbau befürchtet
Schon vor genau 20 Jahren hatten die Fraktionen von CDU und Grünen beantragt, die Stadtverordnetenversammlung etwas zu schrumpfen. Erfolg hatten sie nicht. 2010 wiederholten die Christdemokraten ihre Bemühung, konnten aber erneut nicht die erforderliche Mehrheit dafür begeistern. 2015 brachte die CDU zum dritten Mal einen entsprechenden Antrag ein, unterstützt von der Parteilosen Wählerschaft (PWL). Auch dieser Vorstoß blieb erfolglos.
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SPD, FDP und Teile der Grünen warnten damals vor einem möglichen „Demokratie-Abbau“. Ein kleines Ortsparlament sei möglicherweise nicht mehr repräsentativ für eine Stadt mit weit über 10 000 Einwohnern. Gibt es weniger Mandatsträger, sinke damit auch die Zahl kritischer Fragen, so die Befürchtung derjenigen, die es bei der gewohnten Größe belassen wollten. Die Belastung werde noch dazu für den einzelnen Parlamentarier steigen, wenn die Arbeit nicht mehr auf so vielen Schultern verteilt werden kann. Und habe man erst einmal angefangen mit Reduzierungen, dann könnten noch weitere folgen.
Weniger Mitglieder bedeuten dann auch weniger Kosten
Die Argumente der Befürworter kleinerer Parlamente haben sich in all den Jahren wenig verändert. Die Kosten zum Beispiel werden gerne angeführt. Beim Bundestag lassen sich dreistellige Millionenbeträge an Steuergeldern pro Legislaturperiode einsparen. Beim Lorscher Stadtparlament – die Mitglieder sind ehrenamtlich tätig – sind die Summen bescheiden. Schon 2004 wurde aber ins Feld geführt, dass weniger Mandatsträger finanziell günstiger wären. Und auch im Antrag, der jetzt eingebracht werden soll, steht in den Begründungen, dass sich „jährlich Kosten in Höhe von mehreren Tausend Euro“ einsparen ließen. In Hessen wie auch in mehreren anderen Bundesländern unterstützt nicht zuletzt auch der Bund der Steuerzahler Initiativen zur Verkleinerung.
Dass Lorsch 37 Stadtverordnete hat, liegt an der Einwohnerzahl. Die Zahl 37 ist für Kommunen mit einer Größe bis zu 25 000 Einwohnern vorgesehen. Bei Städten bis zu 10 000 Einwohnern sind es 31 Vertreter.
Andernorts funktioniert es mit kleinen Ortsparlamenten
Hessen bemisst seine Vertretungen jedoch vergleichsweise großzügig. In anderen Bundesländern kommen die Parlamente mit weniger Mitgliedern aus. Läge Lorsch in Rheinland-Pfalz, hätte es nur 28 Ratsmitglieder, in Baden-Württemberg reichen Städten in der Größe von Lorsch sogar nur 22 Vertreter.
Auch in Hessen können Stadtverordnetenversammlungen ihre Mitgliederzahl aber reduzieren. Eine Verkleinerung auf bis zu 31 Mitgliedern ist für Städte wie Lorsch mit seinen rund 14 000 Einwohnern möglich, wenn das gewünscht wird. Nötig ist für die Änderung eine Zweidrittel-Mehrheit.
Erstmals nach den vielen vergeblichen Anläufen in den Vorjahren wird diese heute erreicht werden. Zu erwarten ist sogar eine einstimmige Entscheidung. Denn erstmals wird die nötige Änderung der Hauptsatzung heute nicht nur von einzelnen Fraktionen eingebracht, sondern als Antrag aller Lorscher Fraktionen, also von CDU, Grünen, PWL, SPD und FDP.
Alle wollen nun erreichen, dass die Stadtverordnetenversammlung künftig weniger Mitglieder hat. Nach der nächsten Kommunalwahl im Jahr 2026 soll sie dann nur noch 31 Mitglieder umfassen. Begründet wird die gewünschte Änderung unter anderem mit der finanziellen Ersparnis. „Wir verlangen sowohl von der Verwaltung aus auch von den Bürgerinnen und Bürgern Sparwillen in verschiedenen Bereichen und sollten deswegen auch bei der parlamentarischen Arbeit mit gutem Beispiel vorangehen“, heißt es. Aber es geht nicht nur ums Geld.
„Kleinere Parlamente haben den Vorteil, dass sie ihre Arbeitsabläufe komprimierter und damit vor allem effizienter gestalten können“, wird im jetzigen Antrag ausgeführt. Weniger zeitintensiv könnten demokratische Prozesse somit künftig durchgeführt werden. Der Hinweis auf schnellere Entscheidungsfindungen war schon für die Antragsteller 2010 ein Argument, das sich damals aber nicht durchsetzte.
Zu wenige Lorscher wollen sich kommunalpolitisch engagieren
Ebenfalls nicht neu, aber immer deutlicher erkennbar geworden in den vergangenen Jahren ist ein anderer entscheidender Grund: Es fehlt an Interessierten, die in der Stadtverordnetenversammlung mitarbeiten wollen. Auch schon 2010 klagten Kommunalpolitiker darüber, dass es Probleme bereitet, Wahllisten zu besetzen. Zu wenige Menschen wollen über mehrere Jahre politische Verantwortung übernehmen, sich in Themen einarbeiten, Freizeit opfern. Längst hat sich inzwischen aber gezeigt, dass es sich nicht um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, sondern um einen sich verstärkenden Trend und damit um ein dauerhaftes Problem.
Die Motivation der Bürger zur Mitarbeit in den kommunalpolitischen Parlamenten sei „in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen“, stellen die Lorscher Fraktionen jetzt übereinstimmend fest. Bürgerschaftliches Engagement gebe es zwar bei „speziellen Projekten“, nach Abschluss dieser Projekte ende diese aber häufig.
Lorsch wäre nicht die erste Kommune in der Region, die ihr Kommunalparlament verkleinert. Lautertal beispielsweise hat seine Gemeindevertretung schon 2020 von 31 auf 25 Mandate reduziert, auch diesem Schritt gingen mehrere erfolglose Anläufe voraus.
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