Lorsch. Viele Städte suchen händeringend nach Ideen, um ihre Ortszentren lebendig und gut frequentiert zu halten. Lorsch hat vergleichsweise wenig Probleme. Einheimische und Besucher halten sich gern in der Ortsmitte auf. Es gibt Läden, Cafés und Restaurants und natürlich das unschätzbar wertvolle Alleinstellungsmerkmal der historischen Welterbestätte im Herzen der Stadt. Ein besonderes gastronomisches Angebot fällt allerdings in Kürze weg: die Klosterbar vor der Königshalle. Anfang Juni sollen die Bagger anrollen und das Gebäude in der Nibelungenstraße abreißen.
Dass die Klosterbar dort keine Chance haben sollte auf eine lange Geschichte, stand immer fest. Sie war von Anfang an nur als Übergangslösung gedacht. Es sollte nach dem Auszug der einstigen Pizzeria kein Leerstand in der Stadtmitte entstehen. Man wollte auch verhindern, dass das Grundstück vielleicht eine künftige Nutzung erfährt, die an dieser sensiblen Stelle nicht passt. Für Lorsch hatte deshalb die Entwicklungsgesellschaft EGL das Grundstück erworben und dann einen Betreiber für eine Popup-Bar gesucht. Jetzt aber sind doch viele sehr traurig, dass deren Ende naht. Letzter Öffnungstag ist der 31. Mai.
Dass die Klosterbar in kurzer Zeit so beliebt werden würde, damit hatten wohl doch nur wenige gerechnet. Im Sommer vorigen Jahres erst hat Moritz Schumacher den Betrieb geöffnet. Der junge Einhäuser hatte damals spontan zugegriffen, als er von der Suche der EGL erfahren hatte. Nach dem Abschluss seines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums bereiste er gerade Asien, da erreichte ihn eine E-Mail seines Bruders mit der Nachricht. Das ungewöhnliche Projekt einer Bar auf Zeit interessierte ihn, er kam zurück und erhielt den Zuschlag – und es gelang ihm schnell, die Bar zu einem angesagten Treffpunkt zu machen.
Schumacher, der einige Jahre lang im Café Extrablatt in Darmstadt gearbeitet hat, bewies ein ausgesprochen gutes Händchen für die Lorscher Bar. Im Sommer über war es keine allzu große Herausforderung, Kundschaft mit der Karte von gut 20 verschiedenen frisch gemixten Cocktails, mehrere davon alkoholfrei, anzuziehen. Nicht selten schlenderten Besucher mit einem Caipirinha oder einem Cuba Libre in der Hand auch ein paar Schritte weiter und ließen sich auf den Stufen der Königshalle nieder oder auf der Bank am Museumszentrum, genossen das Ambiente, die einmalige Kulisse. Die Bar an sich ist klein, die Zahl der Sitzplätze überschaubar.
In gut einer Woche soll endgültig Schluss sein
Selbst wenn man an einem kühlen, regnerischen Mittwochabend im Frühling vorbeikommt, kann es sein, dass der Treffpunkt am Kloster gut besucht, die Sitzplätze belegt sind – im Freien wohlgemerkt, denn die Klosterbar hat nur Plätze unter freiem Himmel. Sie läuft als Kiosk-Betrieb mit dem Verkauf aus dem Fenster heraus. Schumacher hat es aber geschafft, sie auch den Winter über als gefragte Adresse zu etablieren, er bot dann auch Glühwein und Limonaden an. Als ein unkonventioneller und stilvoller Treff, nicht als x-beliebige Trinkhalle wurde die Klosterbar geschätzt.
Dennoch kommt sie jetzt weg. Ursprünglich war der Ausschank nur bis März festgelegt worden, dann bis Mai verlängert. In gut einer Woche soll nun aber endgültig Schluss sein, die EGL schickt den Bagger. An der Adresse in Lorscher Bestlage soll nach dem Abriss Neues entstehen. Was genau, das steht noch nicht fest, wird jedenfalls bislang nicht verraten. Ein erneutes gastronomisches Angebot ist vorstellbar. Wann genau eröffnet wird, ist aber ebenfalls noch offen.
Arbeit für die Archäologen: Menschliche Skelette unter dem Keller der Bar nicht ausgeschlossen
Denn nach dem Abriss werden zunächst die Archäologen den Untergrund untersuchen. Das Grundstück in unmittelbarer Nähe zur Königshalle zählt für die Erforschung der Vergangenheit zu einer Top-Adresse. Bevor der Boden neu versiegelt wird, stehen unter anderem Georadaruntersuchungen an, das gehört zu den Auflagen des Landesamts für Denkmalpflege. Kein Willkürakt, sondern eine routinemäßige Verpflichtung. Nicht ausgeschlossen ist es zum Beispiel, dass unter dem Kellerbereich der Klosterbar eventuell sogar menschliche Skelette von anno dazumal gefunden werden. Nahe der Torhalle aus der Karolingerzeit ließen sich bei früheren Grabungen unter anderem schon Teile eines einstigen Friedhofs für Männer, Frauen und Kinder nachweisen.
Kann sein, dass sich nichts Spektakuläres ergibt, kann aber auch sein, dass die Archäologen auf interessante Funde aus dem Mittelalter stoßen und lange zu tun haben. Er wäre gerne „für immer“ am Benediktinerplatz geblieben, sagt Moritz Schumacher. Seine Arbeit auf unbestimmt lange Zeit einzustellen, ist für ihn als Geschäftsmann aber keine Option. Er habe sich mit dem Aus für die Klosterbar inzwischen notgedrungen abgefunden, sagt der 31-Jährige – er hat aber bereits neue Pläne geschmiedet. Er will die Klosterbar umziehen lassen.
Begeisterung für die neue Klosterbar
Als neuen Standort hat er die Bahnhofstraße im Blick. Im ehemaligen „Unverpackt“-Laden, der schon lange leer steht und nur einen Katzensprung vom Kloster entfernt ist, will er einen Neuanfang wagen mit einem erweiterten Konzept. Italienische Vorspeisenplatten könnte es dort geben und samstags und sonntags Frühstücksbüfett, erzählt er. Umliegenden Gastronomen wolle er keine Konkurrenz machen, er sieht sein Angebot als Bereicherung. Mit seiner Begeisterung für die neue Klosterbar hat er bereits viele Bergsträßer angesteckt.
Bürgermeister Schönung: Klosterbar ist ein "Glücksfall" für die Stadt Lorsch
Seiner Bitte, ihn zu unterstützen bei dem Vorhaben „das gastronomische Angebot der Stadt auszubauen“ und sie „attraktiv zum Ausgehen und Verweilen zu machen“, kommen jedenfalls viele Menschen nach. Auf einer Unterschriftenliste haben sich in kurzer Zeit schon fast 950 Unterstützer eingetragen.
In der Süßkindgasse, die von der Bahnhofstraße abzweigt, wünscht sich der Gastronom Platz für eine Terrasse der neuen Bar. Stadt und EGL haben das Gässchen seit einigen Wochen für den Verkehr gesperrt, um die Situation zu testen. Nicht jedem Lorscher gefällt das, von größeren Protesten aber ist bisher nichts bekannt.
Im Gegenteil: Wen man auch fragt, die meisten Innenstadt-Nutzer zeigen sich beeindruckt davon, was der junge Einhäuser bisher in Lorsch bewirkt, wie er auf charmante Weise einen Anziehungspunkt geschaffen hat. Das bloße Gebäude am Benediktinerplatz nämlich ist alles andere als ein Schmuckstück. Vor Jahrzehnten, als der Busverkehr noch direkt an der Königshalle vorbeibrauste, diente das Häuschen bereits als eine Art Kiosk an der einstigen Haltestelle, weiß Welterbestättenleiter Dr. Hermann Schefers. Schumacher habe auf pfiffige Art für eine Neubelegung gesorgt, lobt er.
Auch Bürgermeister Christian Schönung spricht, fragt man ihn nach der Klosterbar, von einem „Glücksfall“ für die Stadt, nach dem sich andere Kommunen wohl die Finger lecken würden. Ob der Magistrat den Neuplanungen an der Bahnhofstraße zustimmen wird oder ob dort vielleicht doch noch länger ein Leerstand bleibt, ist aber noch offen.
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