Lorsch. Leerstände gibt es überall, natürlich auch in Lorsch. Manchmal aber gelingt es, dass eine Adresse nach dem Auszug eines langjährigen Betriebes und bevor ein passender Nachfolger gefunden wird, trotzdem belebt und gut frequentiert ist. Der „Raum der Wünsche“, eingerichtet nur für knapp drei Monate in der Bahnhofstraße, bewies gerade, dass ein innovatives Konzept für eine Zwischenlösung Erfolg haben kann. Den angesagtesten Treffpunkt auf Zeit in Lorsch betreibt momentan allerdings ein Einhäuser.
Der junge Mann ist Chef der neuen Klosterbar. Moritz Schumacher heißt der 30-Jährige aus der Nachbargemeinde. Vom großen Zuspruch für seine Arbeit in der Lorscher Stadtmitte ist er selbst etwas überrascht worden. Seit ein paar Tagen jedenfalls ist Andrang vor der ehemaligen Gaststätte in der Nibelungenstraße, in der einst eine Pizzeria ansässig war. Es bilden sich Warteschlangen.
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Eine „lockere Sache“, so hatte sich Schumacher seinen neuen Job vor der Königshalle vorgestellt, den er Anfang August angetreten hat. Die Aufgabe, die er übernommen hat, macht ihm große Freude. Ganz allein zu stemmen, so wie er es anfangs gedacht hatte, ist sie allerdings nicht. Zum Auftakt vor ein paar Tagen mussten an einem Abend schließlich gleich 500 Cocktails zubereitet werden. Schumacher ist froh, dass er auf Hilfe aus seinem Freundeskreis zurückgreifen kann.
Einkehren kann man in Lorsch an zahlreichen Adressen, auf eine ausgesprochene Cocktailbar haben aber offenbar viele gewartet. Vielerorts handle es sich eher um Longdrinks – also Getränke, die aus nur einer Spirituose und einem Softdrink gemixt werden, erklären Gäste mit Fachwissen. Cocktails dagegen sind aufwändiger zuzubereiten. Mit unterschiedlichen Säften und Spirituosen, Früchten, Sirup und einer ansprechenden Dekoration werden besondere Köstlichkeiten zusammengestellt. Der Bartender sollte sein Handwerk verstehen, wenn er mit seinen Kreationen begeistern will.
Abi, Studienabschluss, Weltreise
Moritz Schumacher hat einige Jahre in Darmstadt im „Café Extrablatt“ gearbeitet. Eine Bar zu betreiben, darauf hatte er bisher dennoch nicht hingearbeitet. Nach dem Besuch der Siemens-Schule in Lorsch und dem Wechsel auf die Karl-Kübel-Schule hat er Abitur gemacht. Dann schloss er ein Wirtschaftswissenschaftliches Studium an, er zog dazu nach Barcelona.
Vom Leben in der trendigen spanischen Metropole berichtet er angetan. „Cool“ sei es dort. Die Löhne allerdings seien niedriger als hierzulande, fügt er an. Den Studienabschluss hat der Einhäuser längst in der Tasche, seine an der Fakultät erworbenen Kenntnisse aber bisher noch nicht gezielt eingebracht. Er nutzte zuvor die Chance, ein bisschen von der Welt zu sehen. Australien, Thailand, Vietnam bereiste Schumacher unter anderem. Dann kam eine E-Mail von seinem Bruder: In Lorsch werde ein Betreiber für eine Popup-Cocktailbar gesucht.
Die Entwicklungsgesellschaft Lorsch (EGL) war auf der Suche nach einem geeigneten und spontanen Kandidaten. Sie hat das Gebäude in der Nibelungenstraße 37 erworben und wollte dort – vorübergehend – eine Bar einrichten. Schumacher bewarb sich. „Eine Woche später hatte ich eine Einladung“, berichtet er – und dann auch den Zuschlag. Einfach loslegen, das ging natürlich nicht. Unter anderem musste er sich um eine Schanklizenz kümmern. Bis alle Formulare vorliegen, kann es manchmal lange dauern. Schumacher hatte aber Glück, es ging schnell. Er habe in Lorsch Unterstützung erfahren, freut er sich.
So bleibt ihm noch viel von der Sommerzeit – und eine Win-win-Situation ist es auch für die EGL, die keinen Leerstand hat und natürlich auch für die Gäste, die das unkompliziert dargebotene Angebot schätzen. Aus 19 Cocktails, die auf der Karte angeschrieben sind und frisch gemixt werden, können sie wählen, fünf davon sind alkoholfrei.
Was wird am häufigsten bestellt? Es hat sich noch kein eindeutiger Bestseller herauskristallisiert, berichtet Schumacher mit Blick auf Cuba Libre, Caipirinha, Singapore Sling und Pina Colada. Die Gäste lassen sich auch auf Neues ein. Manchen Cocktail – Pisco Sour etwa – hat er auf Wunsch des Publikums auf die Karte gesetzt.
Verkauf aus dem Fenster heraus
Verkauft wird aus dem Fenster heraus „to go“ an die Gäste. Die Cocktails genießen diese draußen mit dem einmaligen und unverstellten Blick direkt auf die Welterbestätte Königshalle an Stehtischen oder auf Klapp- und Liegestühlen.
Bis Ende März 2025 darf die Cocktailbar laufen, die derzeit mittwochs bis sonntags geöffnet ist. Im Winter denkt Schumacher daran, auch Heißgetränke und Waffeln anzubieten. Was nach der Übergangszeit ab April passiert, ist noch offen, heißt es von der EGL. Abriss und Neubau des kleinen Gebäudes seien möglich. Auch Moritz Schumacher lässt noch offen, was er ab dem Frühjahr macht. Sollte ein guter Standort zur Verfügung stehen, dann kann er sich auch vorstellen, noch länger Cocktails zu mixen und zu verkaufen.
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