Konzert

Klänge, die Besucher in der Lorscher Kirche verweilen lassen

Trio „Mélange à Deux“ verzauberte das Publikum in der Reihe „Offene Kirche“ in St. Nazarius. Hunderte von Kerzen erleuchteten das Gotteshaus.

Von 
Marvin Zubrod
Lesedauer: 
Die Reihe „Offene Kirche“ hat die Sommerpause beendet. Auftakt in der mit Hunderten Kerzen erleuchteten Kirche war ein Konzert mit „Mélange à Deux“. © Thomas Neu

Lorsch. Hunderte Kerzenlichter bringen die Kirche St. Nazarius zum Leuchten. Kleine bunte Punkte, die wie Sterne an einem Nachthimmel aussehen, werden an die Wand projiziert und wandern dort entlang. Zwei Flammen lodern links und rechts neben der improvisierten Bühne, eingehüllt von sanfter Musik, die aus den Lautsprechern schallt. Seit 22 Jahren gibt es die „offene Kirche“ in Lorsch, am Montagabend ist sie nach der Sommerpause in die neue Saison gestartet und hat wieder Raum für sinnliche Momente geschaffen.

Klaus Jäger erzählt vom Wert des Zuhörens

Der ehemalige Lorscher Bürgermeister Klaus Jäger lädt die Zuschauer in Vertretung von Organisator Christian Walter zunächst auf eine erzählerische Reise in eine lebendige Kleinstadt ein, die von hektischem Treiben geprägt ist. Ein Mann sitzt da ganz allein auf einer Bank, nur mit einem Pappschild in der Hand, auf dem steht: „Ich höre zu.“ Zunächst wird er von niemandem beachtet, doch dann läuft ein kleiner, etwa zehn Jahre alter Junge an ihm vorbei und bleibt stehen: „Warum hörst du zu?“, will er wissen.

„Weil viele Menschen Frieden suchen. Und manchmal fängt Frieden an, wenn jemand zuhört“, antwortet der Mann. „Wem hörst du zu?“, fragt der Junge. „Allen, die wollen“, sagt der Mann. Dann beginnt der Junge von seinen Sorgen zu erzählen, während mehr und mehr Passanten stehen bleiben, um zuzuhören. Fremde Menschen, die sich einander anvertrauen. Und das nur, weil einer begonnen hat zuzuhören, und ein anderer sich darauf eingelassen hat.

So erzählt Jäger die Geschichte und schafft damit die Überleitung zum Konzert des Abends. Denn kurz danach tritt das Trio „Mélange à Deux“ auf und erfüllt mit seinen sanften Klängen die Kirche mit Wärme, einem Ambiente, das zum Bleiben und Zuhören einlädt.

Da ist zum einen die Österreicherin Ulrike Albeseder, die an Oboe und Flöte für die teils hohen und zugleich gefühlvollen Töne sorgt. Uwe Hanewald verleiht den Liedern mit dem Akkordeon einen kraftvollen Ritt, während Wolfgang Mayé wiederum mit dem ruhigen Kontrabass den Gegenpol dazu bildet. Gemeinsam schaffen die Künstler so ein wunderschönes, weiches Klangbett, das zum Sinnieren einlädt.

Ehrenamtliche investieren viele Stunden Arbeit

Garniert mit insgesamt 1500 Kerzenlichtern, die liebevoll um die Bühne herum aufgestellt sind, schaffen die Organisatoren in diesen rund 75 Minuten eine friedliche, von Liebe geprägte Atmosphäre. Etwa 30 Stunden Arbeit investieren die 16 ehrenamtlichen Helfer für den Auf- und Abbau, um den Besuchern bei freiem Eintritt einen besinnlichen Abend zu bieten, wie Organisator Stephan Straub erzählt. Das Engagement hat sich gelohnt.

Zuhörer schließen die Augen und genießen die Musik

„Fields of Gold“ heißt das erste Lied, das im Original von dem englischen Sänger Sting stammt, und in der Version des Trios gar noch sanfter und mindestens genauso gefühlvoll klingt. Denn obwohl der Gesang in diesen Minuten ausbleibt, fehlt er nicht. Stattdessen schließen manche im Publikum die Augen und lassen sich von den weichen Klängen des Trios treiben.

„Hasta Siempre, Comandante“ des kubanischen Komponisten Carlos Puebla ist gar noch tiefgreifender. Entstanden ist das Lied im Jahr 1965, kurz nachdem der marxistische Revolutionsführer Che Guevara Kuba verlassen hatte. „Bis in alle Ewigkeit“, heißt es in den spanischsprachigen Zeilen, die weit über den karibischen Inselstaat hinaus Bekanntheit erlang haben. Sogar der Liedermacher Wolf Biermann sang 1976 eine Version davon, kurz bevor der Kritiker der SED von der DDR ausgebürgert wurde.

Kontrastreicher ist die Eigenkomposition „Higher Sky“. Es ist das erste Mal, dass das Trio dieses schnelle, energiegeladene Lied in einer Kirche spielt, wie Akkordeonist Hanewald dem Publikum erzählt. Dann legt er mit seinem Instrument für einige Sekunden sogar ein Solo hin, nur ganz zart begleitet von den leisen Klängen des Kontrabasses, während sich Albeseder an der Oboe für einen kurzen Moment zurücknimmt.

Erntedankfest

Beim Gottesdienst in Lorsch wurde ein Kälbchen geboren

Veröffentlicht
Von
Nina Schmelzing
Mehr erfahren
Kirche

Lorscher Katholiken feiern neuen Heiligen als Mutmacher

Veröffentlicht
Von
Nina Schmelzing
Mehr erfahren
Kirche

„Influencer Gottes" wird in Rom heiliggesprochen und in Lorsch bedacht

Veröffentlicht
Von
Nina Schmelzing
Mehr erfahren

Erwärmend ist auch das Lied „Chat Pitre“ des französischen Jazzmusikers und Akkordeonisten Richard Galliano, das langen Applaus bringt. Denn auch das wird in diesen Minuten deutlich: Das Akkordeon ist weit mehr als ein banales Volksmusikinstrument, es beherrscht sogar die besinnlichen Töne, die zum Träumen statt zum Schunkeln einladen.

Noch eindrucksvoller ist höchstens „Skyfall“. Die Filmmusik zum gleichnamigen James-Bond-Film mit Daniel Craig spielt das Trio erst zum Schluss ihres regulären Programms, während die Flammen weiter intensiv zur Musik lodern. Fast so stark, als könnte man glauben, das Knistern des Feuers in diesen Sekunden zu hören. Es ist das epische Finale eines besinnlichen Abends.

Im November kommt Dieter Kordes

Das nächste Konzert in der Reihe „Offene Kirche“ findet am Montag, den 10. November in St. Nazarius statt, dann mit Dieter Kordes.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke