Erntedankfest

Beim Gottesdienst in Lorsch wurde ein Kälbchen geboren

Evangelische Kirchengemeinde hatte zum Erntedank auf den Seehof eingeladen. Zahlreiche junge Familien freuten sich über die Veranstaltung auf dem Bauernhof mit Kuhstall-Besuch

Von 
Nina Schmelzing
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Der Erntedankgottesdienst, zu dem die Lorscher Protestanten gestern auf den Bauernhof eingelden hatten, war außerordentlich gut besucht. © Jürgen Strieder

Lorsch. Die Geburt eines Kälbchens miterleben zu können, ist heutzutage ein seltenes Ereignis geworden. Gestern hatten zahlreiche Lorscher das Glück, nah dabei zu sein, als neues Leben auf die Welt kam. Der Familiengottesdienst zum Erntedankfest wurde von der evangelischen Kirchengemeinde nämlich diesmal auf dem Seehof ausgerichtet.

Während Pfarrer Renatus Keller in der erst vor wenigen Wochen fertiggestellten neuen Lager- und Gerätehalle des Bauernhofes predigte und die Schöpfung pries, gebar im Stall direkt nebenan eine Kuh ihr Kälbchen. Ein passendes „Wunder“, so meinte Claudia Jöst, die die Gottesdienstbesucher gestern umgehend darüber informierte. Die Bäuerin bat die zahlreichen Besucher, die sich auf Einladung der Kirchengemeinde zum Erntedankfest am Seehof aufgemacht hatten, aber auch darum, der Mutterkuh zunächst Ruhe zu gönnen. Diese war erst einmal vollauf damit beschäftigt, ihren Nachwuchs trocken zu lecken.

Schon lange gab es die Idee, einen Familiengottesdienst auf dem Hof des Lorscher Ortslandwirts zu feiern, erinnerte Pfarrer Keller. „Endlich“, freute er sich, habe es geklappt. Alles lief nach intensiver Vorbereitung bestens – der Neuzugang im Kuhstall kam als ungeplantes I-Tüpfelchen nun noch hinzu.

Der einzige große Milchviehhof der Stadt Lorsch

Fast so voll besetzt wie an Weihnachten waren die Stuhlreihen in dem besonderen Gottesdienst. Viele junge Familien nutzten die Gelegenheit, sich auch während der Ansprachen und Liedvorträge des Chors sowie des von Ulrike Wollny geleiteten Kinderchors umzusehen auf dem Bauernhof. Auf dem großen Sandberg nahmen viele Kinder gern die Schippen in die Hand oder rollerten mit dem Trettraktor über den Hof, die meisten aber zog es in den Stall. Der Hof der Familie Jöst ist inzwischen der einzige große Milchviehhof in der Stadt.

75 Kühe waren im Stall zu bewundern. Alma, Marianne und Rosa heißen sie zum Beispiel. Dazu kommt die gleiche Menge an Jungvieh. Die meisten Tiere ließen sich von den interessierten Besuchern nicht stören beim ausgiebigen Fressen und Wiederkäuen von Heu und Silage. Manche Kinder trauten sich, einzelne Kühe mit Karotten als Leckerbissen zu verwöhnen.

Die Jösts kümmern sich um Rinder der Rasse Holsteiner. Sie halten schwarz-weiße und braun-weiße Exemplare, denen am Seehof viel Auslauf auch außerhalb des Stalls zur Verfügung steht. Für die Kühe, die sich „frei bewegen können“, dankten die Gemeindemitglieder dann auch explizit im Erntedankgottesdienst.

Viele Probleme seien durch Teilen zu lösen

Ein großer Strohballen war gestern mit zahlreichen Gaben geschmückt, die unter anderem von Kindern mitgebracht worden waren: Sonnenblumen, Blumenkohl, Äpfel, Birnen und Kartoffeln zum Beispiel. Ein knapp vier Monate altes Kind stand gestern außerdem im Mittelpunkt: Paula. Denn das Erntedankfest wurde mit dem Tauffest für die Enkelin von Reiner und Claudia Jöst verbunden. Paula nahm gemeinsam mit ihren Eltern Anna und Michael Jöst und ihrer Schwester Johanna am Gottesdienst auf dem Seehof teil.

Erzieherin Alex Reifarth berichtete auf Nachfrage von Pfarrer Keller von den Gedanken der Kinder der evangelischen Kita zum Erntedank. Viele Probleme ließen sich lösen, wenn man beginne, zu teilen, merkten die Drei- bis Sechsjährigen an. Kinder seien besser als viele Erwachsene in der Lage, Gaben und Dank in Empfang zu nehmen, so Keller.

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Gisela Grünwald
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Teil des Gottesdienstes war zudem ein Gespräch, das Pfarrer Keller mit Reiner Jöst und dem Bergsträßer BUND-Vorsitzenden Guido Carl führte. Ob sie Veränderungen in der Natur registrierten und wofür sie dennoch dankbar seien, wollte er etwa wissen. Auf Klimaerhitzung und Artensterben wies Carl hin und die Warnung von Wissenschaftlern, dass der Planet übernutzt werde. Jeder könne aber etwas tun, um die Erde für kommende Generationen lebenswert zu halten, appellierte er vor allem an Gemeinschaft.

Die Schöpfung meine es „gut mit uns“, merkte Jöst an. Jeder habe hier beispielsweise täglich zu essen und ein Bett zum Schlafen, sagte er. Diese Erinnerung wurde mit Applaus der Zuhörer belohnt.

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