Lorsch. Der Haupt- und Finanzausschuss kam am Dienstagabend zusammen. Die öffentliche Sitzung im Paul-Schnitzer-Saal zog allerdings keinen einzigen Zuhörer an. Das Gremium tagte vor leeren Reihen. Auch die Gremiumsmitglieder zeigten sich ihrerseits sehr zurückhaltend. Eine Diskussion kam bei keinem der mehr als zehn Tagesordnungspunkte auf. Auch zur neuen Friedhofsordnung mit höheren Gebühren meldete sich niemand zu Wort.
Ein – von Bürgermeister Christian Schönung sowie von Matthias Schimpf (Grüne) – zumindest etwas ausgeführtes Thema waren allerdings überplanmäßige Aufwendungen im Bereich Sozialleistungen. Da ging es um Kosten vor allem im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung. Erwartet wird, dass die Zahl der Flüchtlinge, die an die Bergstraße kommen, im nächsten Jahr nicht sinkt, sondern im Gegenteil noch deutlich steigen wird.
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Einstimmig wurden im Ausschuss zunächst die neuen Friedhofsgebühren zur Empfehlung für die Stadtverordnetenversammlung ohne weiteren Beratungsbedarf beschlossen. Für eine Bestattung müssen Angehörige künftig deutlich mehr ausgeben. Stimmt das Ortsparlament zu, wovon auszugehen ist, dann steigen die Bestattungsgebühren in Lorsch ab Januar 2024 um knapp dreißig Prozent. Für ein Erdgrab mit Tieferlegung sind dann künftig 1190 Euro statt 930 Euro zu bezahlen, für einen Platz in der Urnenwand 250 Euro, für die neue Baumbestattungsform sollen 350 Euro fällig werden.
Für die Nutzung der Friedhofskapelle sollen ab dem kommenden Jahr 270 statt 200 Euro verlangt werden. Auch die Grabnutzungsgebühren werden angehoben. Zwei Grabstellen im Wahlgrab sollen für die Dauer von 25 Jahren künftig zum Beispiel 2100 Euro statt 1740 Euro kosten.
Mehreinnahmen von rund 38 000 Euro werden durch die jetzt befürwortete Neuregelung erwartet. Letztmals sind die Gebühren im Frühjahr 2018 erhöht worden. Damals beliefen sich die Gebühren für eine Bestattung in einem Erdgrab in Lorsch noch auf 670 Euro. Auch bei der Anhebung vor gut fünf Jahren gab es in Lorsch keine größere Debatte.
Die Aufnahme von Flüchtlingen in Lorsch hat 2023 überplanmäßige Aufwendungen in beträchtlicher sechsstelliger Höhe verursacht. Für die Herrichtung eines städtischen Grundstücks in der Lagerhausstraße plus Anmietung von Wohncontainern und Mobiliar sowie erforderliche Zusatzmaßnahmen – von den Versorgungsanschlüssen bis zum Blitzschutz – summieren sich die Gelder auf mehr als 730 000 Euro.
Weil viele junge Familien in Lorsch leben und der Zuwachs anhält, müssen auch weitere Kinderbetreuungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Containeranlage für zwei Übergangsgruppen für Kinder ab drei Jahren, die ab Januar starten soll, schlägt mit knapp 220 000 Euro zu Buche. Erträge aus Zuweisungen durch den Kreis Bergstraße von gut 270 000 Euro vermindern die zu deckenden Aufwendungen in Höhe von insgesamt rund 950 000 Euro auf knapp 700 00 Euro. Der Finanzausschuss stimmte zu, dass die verbleibenden Kosten durch Einsparungen bei Mitteln anderer Produkte gedeckt werden, etwa beim Abriss von Sozialwohnungen und der Brückensanierung.
Matthias Schimpf, Grünen-Stadtverordneter in Lorsch und hauptamtlicher Kreisbeigeordneter und Dezernent für das Thema Flüchtlinge im Kreis Bergstraße, gab den Ausschuss-Mitgliedern einen Überblick über aktuelle Flüchtlingszahlen. Der Kreis werde – da für das vierte Quartal rund tausend Neuzuweisungen erwartet werden – bis zum Jahresende etwa 2700 Menschen aufgenommen haben. Es sei zu erwarten, dass sich die „dynamische“ Entwicklung 2024 fortsetze.
4000 weitere Flüchtlinge erwartet
Lorsch habe seine „Hausaufgaben“ gemacht und Plätze zur Verfügung gestellt, lobte er. 2024 aber könnten gut 4000 weitere Menschen dem Kreis Bergstraße zugewiesen werden. Schimpf sprach von „großen Herausforderungen“, denn auch genug Kita- und Schulplätze müssen zur Verfügung gestellt und die ärztliche Versorgung gesichert werden. Der Asyl-Gipfel in Berlin habe die Forderung der Kommunalen Spitzenverbände nicht erfüllt, dass möglichst nur Flüchtlinge mit Bleibeperspektive zugewiesen werden. Man habe die Hoffnung gehabt, dass insgesamt weniger Menschen ankommen. Die Kommunen könnten für die große Zahl auch nicht Sprachkurse organisieren. Folge werde sein, dass alle irgendwann „gleich schlecht“ betreut würden.
Chip-Karte statt nur Bargeld
Die Bergsträßer hätten früh auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht, man sei aber nicht ernst genommen worden, nun habe man viel Zeit verloren. Hoffnungen werden unter anderem auf die Chip-Karte gesetzt, um Geldtransfers in Heimatländer und zur Finanzierung von Schleppern zu untergraben.
Die Kommunen nähmen „viel Geld in die Hand“. Lorsch habe zu den ersten Städten gehört, die handelten, so Schimpf. Auch Lorsch müsse aber schon vorab für weitere Unterkünfte sorgen. In der Lagerhausstraße entstand Wohnraum für 115 Menschen, erinnerte Schönung. Die Plätze seien belegt. Lorsch habe in diesem Jahr sein Soll sogar übererfüllt, manche andere Kommunen hätten mit ihrer Aufgabe dagegen noch nicht begonnen. Es dürfe nun auch nicht sein, dass diejenigen, die zügig handelten, noch mehr Zuweisungen bekämen, nur weil andere untätig seien.
In diesem Jahr sollte Lorsch 120 Menschen aufnehmen, 2024 könnten es 53 Menschen je Quartal sein, insgesamt also mehr als 200 Flüchtlinge, die neu unterzubringen sind. Lorsch werde auch für das kommende Jahr Lösungen finden, sagte Schönung. „Aber bitte nur für unser Kontingent“, stellte der Bürgermeister klar.
Schimpf: „Es gibt keinen Rabatt“
„Es gibt keinen Rabatt für diejenigen, die keine Hausaufgaben machen“, bekräftigte Matthias Schimpf in der Ausschuss-Sitzung. Alle Kommunen seien schließlich zum gleichen Zeitpunkt über die Herausforderungen in Kenntnis gesetzt worden.
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