Lorsch. Dreiviertelblut – der Name schmeckt nach Walzer und nach Wildem Westen, ein bisschen nach Heimat und ein bisschen schaurig. Doch ganz gewiss sind die sieben Musiker, die auf der Lorscher Sommerbühne nach eigenen Angaben ihr zweites Debüt außerhalb Bayerns gaben, keine Großstadtindianer. Das Theater Sapperlot brachte die Band nach Lorsch.
Melancholie und der Nihilismus der Musiker sind nicht in einer Kulisse aus Beton und Straßengewirr gewachsen. Vielmehr sind der Wind, sind Wolken und der lange Blick in den immer gleichen, doch immer weiterströmenden Bach, in den langsam erwachenden Tag oder der heraufziehende Sturm die Bilder, die sie bewegen. In Lorsch, obwohl schon im südlichen Deutschland gelegen, mussten die Konzertbesucher gut zuhören, um die Texte zu verstehen. Denn die sieben sind nicht nur Vollblutmusiker, sondern auch Vollblutoberbayern. Das ist die Sprache, in der sie singen. Auch musikalisch gibt es deutliche Reminiszenzen an ihre Herkunft.
Die Stimmsätze und viele der melodischen Phrasen nehmen deutlich Anleihen bei der bayerischen Volksmusik – um im nächsten Moment mit harten Rockelementen gecrasht, mit punkigen Soundgewittern verjagt oder mit jazzigen Auflösungen konterkariert zu werden.
Sie musikalische Qualität mit einer beeindruckenden Bandbreite an Instrumenten machte den Abend dicht und erlebenswert. Die Intensität der Lieder, die auch immer wieder politisch Stellung beziehen, liegt in ihrer Stimmung, die sich zunächst von den Texten ableitet. „Folklorefreie Volksmusik“ überschreiben Dreiviertelblut ihren Musikstil. Ihre Botschaft ist, dass es kein Paradies gibt, selbst da (oder gerade da) nicht, wo die Welt als noch in Ordnung vermutet wird.
Längst ist der Herrgottswinkel leer und was bleibt, ist die Natur, die die Menschen vor allem eines lehrt: Vergänglichkeit und Vergeblichkeit.
Sie malen in dunkelbunten Farben einen Reigen, in dem sie vorzugsweise mit Tod und Teufel tanzen.
Der morbide Charme der Lieder enthält immer wieder kräftige Prisen schwarzen Humors, mit dessen Hilfe sie über manchen Abgrund tänzeln. In Lorsch folgte ihnen ihr Publikum begeistert.
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