Jubiläum

Bibliothek in Lorsch mit 9000 Büchern zur Historie der Kurpfalz

Vor 20 Jahren wurde in Lorsch die Kurpfalz-Bibliothek eröffnet. Die wissenschaftliche Einrichtung dient der Erforschung der regionalen und lokalen Geschichte.

Von 
Eva Bambach
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Nach dem Festakt zum Jubiläum 20 Jahre Kurpfalz-Bibliothek konnten sich Interessierte beim Tag der offenen Tür in den Räumlichkeiten umsehen. © Thomas Neu

Lorsch. Mit einem Festakt wurde am Sonntagmorgen im Lorscher Alten Rathaus der 20. Geburtstag der Kurpfalz-Bibliothek gefeiert. Diese war am 11. Oktober 2002 im alten Schuldienerhaus in Lorsch, Schulstraße 16, eröffnet worden. Die wissenschaftliche Präsenzbibliothek zur Erforschung der regionalen und lokalen Geschichte der historischen Kurpfalz umfasst aktuell etwa 9000 Bände, zu denen auch die im vergangenen Jahr in den Bestand integrierten Titel des Heimat- und Kulturvereins Lorsch zählen. Durch ehrenamtliches Engagement wurden Dubletten aus den Universitätsbibliotheken Stuttgart, Mannheim und Heidelberg und dem Hessischen Staatsarchiv Darmstadt für die Bibliothek kostenlos gesichert, dazu kamen private Schenkungen und Nachlässe wie der des Heimatforschers Rudolf Kunz. Erhebliche finanzielle Unterstützung erfuhr die Bibliothek durch die Heinrich-Vetter-Stiftung.

Bürgermeister Christian Schönung begrüßte unter den Gästen aus der ganzen Metropolregion Rhein-Neckar auch Vertreter der Heinrich-Vetter-Stiftung, Mitglieder des Kuratoriums der Bibliothek, Vertreter des Magistrats und die ehemalige Bibliotheksmitarbeiterin Karen Kempel sowie ihre Nachfolgerin Petra Schöppner. Beiden dankte Schönung ebenso ausdrücklich für ihr ehrenamtliches Engagement wie dem Kurpfalzverein für die Entscheidung, die Bibliothek nach Lorsch zu verlegen, das zwar nicht räumlich im Zentrum liege, aber doch auf eine lange Tradition zurückschaue und örtlich gut vernetzt sei – mit Hinweis unter anderem auf Welterbestätte, Museumspädagogik, Geopark Bergstraße Odenwald sowie Heimat- und Kulturverein.

Ein spezieller Dank galt auch Theo Figaj für die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Lorschs und dessen Engagement für die in Gründung befindliche Dokumentationsstätte, die unter dem Dach der Kurpfalz-Bibliothek angesiedelt sein wird.

Einst „politischer Kampfverein“

Hans-Jürgen Seimetz, Vorsitzender des Vereins Kurpfalz, erinnerte daran, dass der als Träger der Bibliothek fungierende Verein schon wesentlich älter sei als diese, nämlich 1949 als „politischer Kampfverein“ gegründet worden sei, mit dem Ziel, die von den Alliierten gesetzten Ländergrenzen zu überwinden – vergeblich, denn nach wie vor stelle der Rhein eine feste Grenze dar. Heute sei es das Bestreben, die kulturelle Identität der Kurpfalz zu erhalten. Dafür sei die Bibliothek ein Kernstück und der Verein sei Klaus Jäger als ehemaligem und Christian Schönung als aktuellem Bürgermeister zu großem Dank verpflichtet, nicht zuletzt aber dem ehemaligen Staatssekretär Joachim-Felix Leonhard, der seit Beginn ein Spiritus Rector der Bibliothek gewesen sei.

Thilo Figaj, Vorsitzender des Heimat- und Kulturvereins Lorsch, ließ die Geschichte der Bibliothek anhand des Bildes einer Perle in der Muschel Revue passieren, die zunächst von vielen nicht bemerkt worden, inzwischen aber wohl behaust sei.

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An dieses Bild der Perle knüpfte Joachim-Felix Leonhard, Vorsitzender des Kuratoriums des Vereins Kurpfalz und Kurator der Bibliothek, mit seinem Festvortrag an – er wolle darstellen, wie es gelang, die Perle aus der Muschel zu lösen und zu pflegen. Er schlug eine gedankliche Verbindung zwischen den im Lorscher Codex vermerkten Schenkungen Ilvesheimer Äcker im 8. Jahrhundert zu der großzügigen Unterstützung für die Gründung der Bibliothek aus der Stiftung des Ilvesheimer Ehrenbürgers Heinrich Vetter, mehr als 1200 Jahre später. Vorausgegangen war die Idee von Heinz Ufer, Direktor der Mannheimer Abendakademie, für die er auch den damaligen Bergsträßer Landrat Norbert Hofmann und Joachim-Felix Leonhard als ehemaligen Direktor der Universitätsbibliothek Tübingen begeistern konnte. Heinrich Vetter sagte 100 000 DM für die Anschaffung von Regalen und Büchern zu.

Der erste Bücherraum wurde im Dienstzimmer des damaligen Vorsitzenden des Heimat- und Kulturvereins Reinhard Diehl eingerichtet. Im Jahr 2000 wurde die Bibliothek offiziell gegründet. Diehl, Welterbestättenleiter Hermann Schefers und Leonhard fuhren die umliegenden großen Bibliotheken auf der Suche nach Dubletten ab, schleppten Bücherkisten, entfernten Staub und begeisterten durch ihr ehrenamtliches Engagement Heinrich Vetter so, dass er weitere finanzielle Unterstützung gewährte.

Kurfürst raubte Klosterbibliothek

Ein kleiner Seitenhieb Leonhards galt einem weniger förderlichen kurpfälzischen Akt, nämlich dem Raub der Lorscher Klosterbibliothek durch den Kurfürsten Ottheinrich im Jahr 1557. Doch sei diese Schuld durch die Digitalisierung der Bibliotheca Laureshamensis längst beglichen, die den erhaltenen Bestand ehemaliger Texte für jedermann zugänglich macht (auch in den Räumen der Kurpfalzbibliothek über W-Lan).

Nach den Diensträumen Reinhard Diehls fanden die Bücher auf ein Angebot von Hermann Schefers hin Unterkunft im Kurfürstlichen Haus, in Hinblick auf den unaufhaltsam wachsenden Bestand aber keine Lösung von Dauer. Schließlich konnte Leonhard seinen Schulkameraden und damaligen Lorscher Bürgermeister Klaus Jäger überzeugen, das alte Schuldienerhaus in der Schulstraße für die Bibliothek zur Verfügung zu stellen. Mit viel ehrenamtlicher Hilfe von Fachleuten aus der Region wurden die Räume auf Vordermann gebracht und im Oktober 2002 konnte die Bibliothek eröffnet werden – ein Gemeinschaftswerk „mit Strahlkraft für die Kurpfalz und darüber hinaus“, wie Leonhard sagte.

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Annabelle Bechtel (Violine) und Simon Daniel (Klavier) in Begleitung von Petra Weis von der Musikschule Lorsch am Klavier gaben der Matinée mit Stücken von Antoniio Vivaldi, Alexander Skrjabin und Jules Massenet einen festlichen Rahmen – ein Beitrag, der den Lorscher Bürgermeister auch deshalb besonders freute, weil es „Lorscher eigene Gewächse“ seien, nämlich aus der örtlichen Musikschule, „einer ganz tollen Einrichtung“, wie Schönung bei der Begrüßung betont hatte.

Im Anschluss an den Festakt empfing die den Namen Heinrich Vetter im Beinamen führende Bibliothek, als Hinweis auf ihren Mäzen, alle Interessierten zu einem Tag der offenen Tür in der Schulstraße 16.

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