Bensheim. FDP-Fraktionschef Thorsten Eschborn war „erstaunt darüber, wie sich aus dem Nichts eine Diskussion aufbauschen lassen kann“. Er hätte zumindest nicht gedacht, dass der von ihm an seinem Geburtstag geschriebene Änderungsantrag für die Koalition solche Debatten nach sich zieht.
Winnie Lechterbeck wiederum, die Leiterin der Bensheimer Stadtbücherei, dürfte ebenfalls leicht fassungslos ob der Debatte im Haupt- und Finanzausschuss über die Satzungsänderung für die Bibliothek gewesen sein.
Zumindest sah sie sich genötigt, mehrfach einzugreifen, zuletzt sogar, als die Abstimmung schon lief, um aus ihrer Sicht eine fatale Entwicklung zu verhindern. Wochenlang habe man sich in ihrem Team Gedanken gemacht, wie man die Satzungsanpassungen formulieren könne. „Ich verstehe nicht, warum sie es nicht so akzeptieren, wie wir es geschrieben haben“, bemerkte sie in Richtung des Dreier-Bündnisses.
Nur beste juristische Absichten
Dort versicherte Rechtsanwalt Eschborn, nur juristisch beste Absichten im Sinne der Stadtbücherei zu verfolgen und verwies auf andere städtische Satzungen mit deckungsgleichen Paragrafen. Die Details der verbalen Auseinandersetzung, in der auch Bürgermeisterin Christine Klein wenig Sympathien für die Einlassungen der Koalition zeigte, drehte sich um Feinheiten im Kleingedruckten, die – je nach Lesart – größere Auswirkungen haben könnten.
Befürchtet wurde eine Ausgrenzung auswärtiger Nutzer oder Besucher ebenso wie mögliche künftige Kontrollen am Eingang der Bücherei, ob jemand einen Ausweis besitzt und überhaupt rein darf. Am Ende hätte man vermutlich besser beherzigt, was Ausschussvorsitzender Bernhard Stenger (CDU) zu Beginn konstatierte: „Das sind zu viele juristische Details. Wir brauchen die Satzung, um Gebühren zu erheben. Wir sollten da nicht zu viel reininterpretieren.“
Der Ruf verhallte weitgehend ungehört, letztlich kam es dennoch zu punktuellen Änderungen im Änderungsantrag der Koalition, wie von Winnie Lechterbeck empfohlen. Abbringen konnte sich CDU, SPD und FDP aber nicht davon, die Jahresgebühren für Erwachsene zu erhöhen. Die müssen ab dem 1. Januar, sollte die Stadtverordnetenversammlung zustimmen, 18 Euro (statt 17) zahlen, wenn sie in Bensheim wohnen, und 23 statt 22 Euro, wenn sie von außerhalb kommen.
Für die Leiterin der Bücherei kein gutes Signal. „Wir sind schon die Teuersten in der Umgebung, haben keine Luft mehr nach oben. Eine Anhebung ist unser Untergang“, meinte sie mit Blick auf die günstigeren Bibliotheken in der Nachbarschaft. In Zwingenberg beispielsweise zahlen Erwachsene zwölf Euro jährlich, Kinder seien kostenlos.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Abwanderungsbewegungen wollte sie daher nicht ausschließen und die Bemerkungen von Thorsten Eschborn, dass die Gebühren nicht immer so hoch bleiben müssten, wenn es dem Haushalt bessergeht, konnten die Rathauschefin nicht überzeugen. „Wer einmal weg ist, ist weg und kommt nicht wieder.“ Die Anregung des FDP-Fraktionschefs, die Erhöhung als Ansporn für die Verwaltung zu nehmen, künftig an der richtigen Stelle zu sparen und das Geld nicht zum Fenster hinauszuwerfen, ließ Christine Klein unkommentiert.
Nach einer Stunde zähen Ringens blieben immerhin ein paar Erkenntnisse hängen: Unisono bekannten sich die Fraktionen dazu, niemand (sprich Auswärtige) durch Formulierungen in der Satzung ausgrenzen zu wollen. Wie schon im Sozialausschuss wies Franz Apfel (BfB) daraufhin, dass man um jeden Besucher in der Bücherei und damit in der Innenstadt dankbar sein müsse. Ähnlich argumentierte Rolf Tiemann (FWG). Etwa 25 Prozent der Ausweisinhaber kommen von jenseits der Stadtgrenze, wegen der höheren Gebühr bringen sie ein Drittel der Jahreseinnahmen. Dass die beliebte Einrichtung an Kapazitätsobergrenzen stößt und niemanden mehr aufnehmen kann, hält die Leiterin für eine „absurde“ Vorstellung. Solche Bedenken waren von der Koalition in der Begründung ihres Antrags geäußert worden.
Die Grünen wollten die Anhebung aller Gebühren verhindern, dafür gab es keine Mehrheit. Ausnahme: Inhaber der Bensheim-Card sind von der Erhöhung ausgenommen. Sie hätten ansonsten 50 Cent mehr als bisher zahlen müssen. Die BfB konnte sich mit ihrem Anliegen durchsetzen.
Die Koalition wollte die Mahngebühren anpassen, was de facto eine Senkung bedeutet hätte – in der fünften Wochen pro Medium beispielsweise nur noch acht statt 15 Euro. Im Haupt- und Finanzausschuss fiel dieser Punkt jedoch durch, weil Maximilian Gärtner (CDU) sich enthielt und dem Bündnis eine Stimme für die Mehrheit fehlte. In der Stadtverordnetenversammlung könnte dies final wieder korrigiert werden.
Wobei man im Sinne aller Beteiligten hoffen sollte, dass in der Sitzung am Donnerstag (3.) die Kontroversen nicht erneut aufbrechen. Dazu durften sich jetzt alle Beteiligten ausführlich in zwei Fachausschüssen äußeren, Bedenken vortragen und Argumente erläutern. Wie praxistauglich der Kompromiss am Ende ist, muss unter Umständen nie einem Härtetest unterzogen werden.
Worauf die Nutzer (und Besucher) der Stadtbücherei vielmehr schauen werden, sind die Kosten. Und da bleibt festzuhalten: Es wird teuer – zu welchem Preis, wird sich mittelfristig in der täglichen Arbeit der Stadtbücherei zeigen.
Für den Zuschlag bei den Bensheimer Erwachsenen votierte übrigens neben der Koalition auch die BfB. Bei den auswärtigen Nutzern der Bücherei kamen die notwendigen Stimmen nur vom Dreier-Bündnis.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-naechstes-kapitel-in-der-bensheimer-buecherei-debatte-_arid,2013180.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html