Lorsch. Mehrere Anlieger in der Stift- und der Schulstraße machen sich Sorgen um ihre Häuser. Grund ist, dass auf dem Gelände in ihrer direkten Nachbarschaft das Lorscher Ärztehaus entstehen soll. Auf dem Areal, das einst von der Feuerwehr, dem DRK und daneben vom Mütter- und Familienzentrum („Mütze“) genutzt wurde, sollen zusätzlich 20 Wohnungen gebaut und insgesamt etwa 90 Parkplätze angelegt werden, zum Teil in einer Tiefgarage.
Anlieger fürchten, dass dieses Vorhaben zu groß für die schmale Stift- und die Schulstraße mit Einbahnverkehr werden und für ihre zum Teil sehr alten Häuser fatale Auswirkungen haben könnte. Neun Anlieger haben sich jetzt zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Sie erhoffen sich, so mehr Aufmerksamkeit und mehr Gehör zu finden.
Das älteste Haus in Lorsch
Tobias und Ulrike Bucher zum Beispiel gehören dazu. Sie sind Eigentümer eines Häuschens, das errichtet wurde in dem Jahr, als der 30-jährige Krieg begann. Das Fachwerkhaus, Baujahr 1618, ist das älteste Haus in Lorsch, wie eine Hinweistafel vor dem Kulturdenkmal informiert. 400 Jahre hat das Gebäude in der Stiftstraße überstanden. Die Baustellenarbeiten für das Ärztehaus mit – so wünschen sich viele in Lorsch – vier Praxen, den Wohnungen und der Tiefgarage aber könnten das Häuschen beschädigen, das seit Jahrzehnten vermietet ist.
Setzrisse im historischen Gemäuer, verursacht durch Rüttelarbeiten, befürchten die Eigentümer etwa. Das Grundstück der Buchers in der Stiftstraße 19 bis 23 schließt direkt an das Gelände an, das neu bebaut werden soll. Das Fachwerkhaus hat kein Fundament. Das Paar selbst wohnt im mittleren Bereich des Areals, ebenfalls in einem Fachwerkgebäude. Das Anwesen des Großvaters hat Ulrike Bucher geerbt, Philipp Wagner arbeitete in der Stiftstraße einst als Hufschmied. Pferde wurden dort beschlagen, manche Tiere in Obhut genommen, erzählt die Enkelin, die das Haus und die Nebengebäude renoviert hat.
Besorgt ist Ulrike Bucher auch deshalb, weil sie ungute Erfahrungen gemacht hat. Das Elternhaus ihrer Mutter in Heppenheim sei bei einer Baumaßnahme beschädigt worden, auf Entschädigung habe die Familie vergeblich gewartet.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Von der Entwicklung auf dem Ex-Feuerwehrgelände zeigten sich die Buchers überrascht. Sie hatten erwartet, dass Anlieger von der Stadt zu einer Anliegerversammlung eingeladen würden. Ihre öffentlich geäußerte Kritik, da sei wohl etwas „im stillen Kämmerlein ausgetüftelt“ worden, wiesen die Stadt und auch Stadtverordnete allerdings sehr deutlich zurück und erinnerten an Bürgerbeteiligungen und öffentliche Ausschuss-Sitzungen, bei denen das Thema auf der Tagesordnung stand. Die Möglichkeit zu Fragen sei in einer der Sitzungen von Anliegern selbst genutzt worden, auch über eine Stellungnahme der Anlieger sei beraten und beschlossen worden. Sie hätten sich nicht ernst genommen gefühlt, beklagen dagegen Anlieger. Ihre Einwände seien „bagatellisiert“ und abgetan worden, hieß es beim Treffen der Interessengemeinschaft.
Dabei unterstrichen die Teilnehmer auch – zur Interessengemeinschaft zählen neben den Buchers derzeit unter anderem auch Manuela Lazaro Ortis sowie Daniel Krauth aus der Schulstraße –, dass sie nicht gegen ein Ärztehaus seien. Eine „massive Bebauung“ passe allerdings nicht in den Ortskern, verweisen Anlieger auf die befürchtete Verkehrsbelastung und besonders auf den „Ensembleschutz“, den sie ebenfalls zu beachten hätten. In Sorge sind Anlieger nicht zuletzt deswegen, weil sie bislang nicht wissen, wer der neue Eigentümer ist und was genau er auf dem Gelände bauen will.
Bebauungsplan hat Rechtskraft
Die Grundstücke zu verkaufen, haben die Stadtverordneten bereits vor mehreren Wochen beschlossen, einstimmig. Der Bebauungsplan hat Rechtskraft. 700 Quadratmeter müssen für gesundheitliche Zwecke reserviert werden. Die Stadt könne schon deshalb nicht mit den Nachbarn über die Pläne in der Schulstraße sprechen, weil sie selbst nicht als Bauherr auftrete, hatte die Stadt in einer Mitteilung in Reaktion auf die Anlieger-Sorgen erklärt. Es sei „üblich, dass ein neuer Eigentümer seine Pläne vorstellt“, hatte es in dem Schreiben der Stadt ergänzend geheißen. Dies jedoch erst, wenn die Tinte des Vertrags trocken sei.
Das wird für den September erwartet. Die Anlieger in der IG hoffen, dass der Käufer mit Augenmaß plant und sie bald mehr über die Neubauten in ihrer direkter Nachbarschaft erfahren.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch_artikel,-lorsch-anlieger-hoffen-auf-augenmass-bei-der-aerztehaus-planung-in-lorsch-_arid,1990551.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html