Lorsch. Der 13. Dezember rückt immer näher und damit der Tag, an dem die Aufnahme des Klosters Lorsch in die Welterbeliste der Unesco vor 30 Jahren gefeiert werden kann. Die zum Jubiläum hinführende Veranstaltungsreihe setzte nun ein Vortrag im Museumszentrum fort, in dem Kai. R. Mathieu, früherer Direktor der Schlösser und Gärten Hessen, an den langen Weg zum Status als erste hessische Welterbestätte erinnerte.
Unter dem Titel „Im Dienste des Kulturerbes“ gab Mathieu aber auch einen persönlichen Rückblick auf seine Amtszeit von 1982 bis 2003. Er initiierte in dieser Zeit wichtige Restaurierungsmaßnahmen, Grabungskampagnen und die Neugestaltung des Klostergeländes und bereitete dem Kloster überhaupt erst den Weg zur Welterbestätte.
Vermittlung ist wichtig Am 18. November (Donnerstag) wird die ...
Mathieu begann seine berufliche Laufbahn 1966 in Hamburg als Volontär in der Denkmalpflege und lernte dabei Fragestellungen zu Denkmalen aus neun Jahrhunderten kennen – mit Schwerpunkt auf historischen Gärten. Denn Hamburg war über Jahrhunderte eine Stadt der Gärten und Parks und hatte als Tor zur Welt unter anderem Zugriff auf die vielfältigsten exotischen Pflanzen, wie der Referent am Beispiel zweier von ihm betreuter Hamburger Lusthäuser vom Ende des 16. Jahrhunderts darlegte, die gesellschaftlichen Veranstaltungenim Garten gedient hatten.
1982 wurde Mathieu Direktor von Staatliche Schlösser und Gärten Hessen mit Sitz in Bad Homburg. Einer der prägenden institutionellen Kontakte, so der Referent, war seine Mitgliedschaft bei ICOMOS, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege, wo er 1986 bis 2002 Vizepräsident des deutschen Nationalkomitees war. Der intensive wissenschaftliche Austausch habe zum Überdenken eigener Positionen geführt und zur Erkenntnis, dass es 1986 keine einzige hessische Welterbestätte gab.
Malerei in der Torhalle gesichert
Als er das erste Mal in Lorsch gewesen sei, erinnerte sich Mathieu, war der Verkaufsraum im südlichen Treppenturm der Königshalle untergebracht. Die Notwendigkeit einer Umgestaltung auf dem Klostergelände war offensichtlich und es gab seitens der Stadt Lorsch Gestaltungsvorschläge, die auf Entwürfen des Architekten Paul Rhein beruhten. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen Gottfried Kiesow setzte sich Mathieu zunächst für archäologisch differenzierte Grabungen dort ein – und für die Sicherung der Wandmalereien in der Königshalle, für die eine Restaurierungsstrategie neu erarbeitet werden musste.
Hilfreich, so Mathieu, sei dabei das Vorbild der Restaurierung der frühmittelalterlichen Wandmalereien in der Georgskirche von Reichenau-Oberzell gewesen.
Zu den Prinzipien habe eine Anamnese des Bestandes zunächst ohne mechanische Eingriffe gehört, zudem die sorgfältige Dokumentation und eine konservatorische Arbeit, die von einer wissenschaftlichen Fachkommission und weiteren Experten für frühmittelalterliche Wandmalerei begleitet worden sei. Ein denkmalpflegerischer Marathon, so Mathieu, der bis 1995 gedauert habe, und zum Beispiel naturwissenschaftliche Untersuchungen des historischen Mörtels und die Entwicklung von spezifischen Mörtelnjeweils für die karolingische, die romanische und die gotische Zone umfasste.
Ein weiteres Problem war Taubenkot, der durch das undichte Dach gedrungen und mit nitrifizierenden Bakterien dem Mörtel zu Leibe gerückt war. Mathieus Lob galt in diesem Zusammenhang der Geduld der Lorscher Bevölkerung bis ihr „Kapellchen“ wieder vorzeigbar war. Während andernorts die Geschlossenheit des Ensembles Anlass für die Anerkennung als Welterbestätte war, war es im Fall von Lorsch die Einzigartigkeit des kleinen Denkmals: Am 12. Dezember 1988 stellte Mathieu den entsprechenden Antrag, für den damals noch wenige DIN-A4-Seiten genügten, während heute mehrere Aktenordner gefordert werden, wie Hermann Schefers, Leiter der Welterbestätte, anmerkte.
Wie Schefers nach Lorsch kam
Dass Schefers nach Lorsch kam, ist einem Vortrag zu verdanken, den er im April 1993 hielt und der Mathieu so begeisterte, dass er ihn für den Posten gewinnen wollte. Zunächst auf Basis eines Werkvertrags, der bald auslief. Und ohne das Eintreten der Stadt Lorsch hätte Schefers wohl nicht in Lorsch bleiben können, darauf wies der ehemalige Bürgermeister Klaus Jäger hin: Die Stadt finanzierte Schefers Stelle im Anschluss ebenso wie die Museumspädagogik, für die das Land keine Mittel bereitgestellt hatte.
Zu den Meilensteinen, die die Entwicklung des Klosterareals dann prägten, zählte Mathieu die Entwicklung eigener museumspädagogischer Konzepte durch Claudia Götz, die Zusammenarbeit mit universitären Partnern wie der Universität Bamberg und die Anlage eines Klostergartens in Zusammenarbeit mir Adelheid Platte. Eine wichtige Initiative sei der Besuch Hermann Schefers in Rom gewesen, um die Kooperation mit der Vatikanischen Bibliothek zur Digitalisierung der ehemaligen Bestände der berühmten Lorscher Klosterbibliothek voranzutreiben. Zuvor ungeahnte Besucherrekorde hätten dann drei Ausstellungen von Originalhandschriften gebracht: 1999 das Lorscher Evangeliar, 2001 der Lorscher Codex und 2003 das Lorscher Totenbuch mit zuletzt 35 000 Besuchern. Trotzdem seien die Handschriften-Ausstellungen dann eingestellt worden, bedauerte Mathieu.
Zum Ende seiner Dienstzeit, so Mathieu, sei 2003 mit der Zusammenlegung von Flurstücken des ehemaligen Klostergeländes etwa die Grundlage zur Gestaltung der Zentscheune zum Schaudepot geschaffen worden. Mit einem „Vivat crescat floreat ad multos annos“ wünschte er der Welterbestätte eine blühende Zukunft – und wer durch den Vortrag wieder den Zustand 2003 vor Augen hatte, dürfte sich über die seitdem schon gediehenen Blüten gefreut haben. eba
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