Lindenfels. Kochen verbindet Kulturen – bestens bewiesen haben das am vergangenen Wochenende die beiden Lindenfelserinnen Ute Glasemann und Friedrun Desaga sowie die zwei Ukrainerinnen Iryna und Hanna mit ihren Kindern. Sie alle trafen sich in Lindenfels, um sich beim gemeinsamen Essen und Trinken über die kulturellen Besonderheiten der jeweiligen Länder auszutauschen.
„Beim Pilze sammeln habe ich die zwei ukrainischen Frauen und ihre Kinder kennengelernt“, erzählt Ute Glasemann. Sie und Friedrun Desaga wohnen in der Nähe des Kappwalds. Danach haben sie sich wieder getroffen und beispielsweise Äpfel gesammelt oder Marmelade gekocht.
Den Frauen kam der Zufall zur Hilfe. Der Sohn von Ute Glasemann ist Arzt und arbeitet in Frankfurt. Seine Freundin Katja stammt aus Liv, dem früheren Lemberg, in der Ukraine. Sie ist 2018 für ihr duales Informatikstudium nach Darmstadt gekommen. Heute arbeitet sie als Informatikerin für eine Computerfirma. Sie spricht mehrere Sprachen fließend und übersetzt bei den Begegnungen, da sie in Deutschland lebt.
An Weihnachten haben sich die Mütter mit ihren Kindern und den beiden Lindenfelserinnen schon mal zum Feiern getroffen. In der Ukraine wird erst am 6. Januar Weihnachten gefeiert, der Termin richtet sich nach dem julianischen Kalender. „Traditionell gibt es an Weihnachten zwölf Gerichte, für jeden Apostel eines – und eines für Jesus“, erzählt Katja.
Sie waren nun in der Küche von Friedrun Desaga verabredet, um ukrainische Spezialitäten zuzubereiten. Einen Tag zuvor hatte Desaga mit den Frauen die Lebensmittel eingekauft.
Sehnsucht nach der Heimat
Die beiden Mütter Iryna und Hanna haben sich in Deutschland kennengelernt. Sie besuchen einen Deutschkurs in Bensheim. Hanna kam im Mai vergangenen Jahres nach Hessen. Sie lebte mit ihrem Sohn zuerst im Zeltlager in Bensheim. Eine schwierige Zeit für die Krankenschwester, das kann man an ihrem Gesicht ablesen. Ihre Arbeit und ihre Familie in der Heimat fehlen ihr.
Der 17-jährige Denys geht in die Karl-Kübel-Schule in Bensheim. „Mein Hobby ist das Basketball spielen“, erzählt der große Junge mit den schwarzen Haaren.
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Die 15-jährige Liliia geht auf die Mittelpunktschule in Gadernheim. Liliia liebt Musik. „Ich mag alles, ob Folklore oder modern, alles, zu dem ich tanzen kann.“
Die Kinder sprechen ein bisschen Deutsch und Englisch. Ansonsten zeigen sie auf den Gegenstand, den sie zum Kochen brauchen. „Im Urlaub verständigen wir uns ja auch mit Händen und Füßen“, meint Friedrun Desaga.
Die 15-jährige Liliia backt sehr routiniert dünne Pfannkuchen (sogenannte „Blinys“) in der gusseisernen Pfanne. Denys bereitet die Füllung vor. In eine Schüssel gibt er Hüttenkäse, Rosinen und Vanillezucker. Er rührt die Masse vorsichtig um. Dann bittet er Friedrun Desaga und Ute Glasemann: „Einen Esslöffel Füllung auf den Pfannkuchenteig, die Seiten einschlagen und fest zusammenrollen.“ Die Pfannkuchenröllchen kommen in eine Auflaufform und werden im Backofen mit Butter überbacken.
Pelmeni werden mit Fleisch gefüllt
Unterdessen widmet sich Iryna den „Pelmeni“, das sind mit Hack- und Hühnerfleisch gefüllte Teigtaschen. Zuerst wird der Teig ganz dünn ausgerollt. Iryna hat ein Hilfsmittel zum Füllen mitgebracht. Zunächst rollt sie den Teig über einer Metallplatte mit Löchern aus. Anschließend drückt sie den Teig in die Löcher und befüllt diese Löcher mit der Füllung. Dann kommt eine dünne Teigplatte obendrauf. Auf der anderen Seite der Metallplatte kommen schließlich die berühmten runden Teigtaschen, die Pelmenis, raus. „Die müssen noch einen Moment ruhen und anschließend können wir sie in heißem Wasser garen“, weiß Denys.
Iryna macht noch zwei Salate. „Das ist vegetarischer Salat nach altem Rezept mit Erbsen, roten Beeten, Essiggurken und Mais.“ In der zweiten Schüssel ist ein Rezept mit Mohrrüben, Kartoffeln und Hühnerfleisch. Eine Kartoffel-Hühnerfleisch-Mischung kommt auch in die Blinys. Beim nächsten Treffen möchten Ute Glasemann und Friedrun Desaga ihnen Odenwälder Spezialitäten servieren. Vielleicht kann man das ja im Dorfgemeinschaftshaus in Kolmbach machen, so ihre Idee.
Beim Essen am liebevoll gedeckten Tisch beginnen Iryna und Hanna zu erzählen. Die Ukrainerinnen und ihre Kinder kommen aus Mykalaiv nahe der Krim und Sumy im Norden des Landes. „Wir wünschen uns mehr Kontakt zu den Lindenfelsern, wir fühlen uns ein bisschen isoliert.“ Die Ukrainerinnen vermissen ihre Ehemänner und die Kinder ihre Freunde, die in der Heimat geblieben sind. Die zwei Frauen sind wegen des schrecklichen Kriegs geflohen. Das kennen auch Lindenfelser, die im Zweiten Weltkrieg in den Odenwald vertrieben wurden. Zurück in ihre Heimat möchten alle vier, sollte der Krieg vorbei sein.
„In der ukrainischen Community in Deutschland läuft alles über Facebook und Whatsapp“, berichtet Übersetzerin Katja. „Aber ein Lächeln, ein freundliches Nicken zur Begrüßung auf der Straße oder im Supermarkt kostet doch nichts.“ Es gibt das Gefühl, willkommen zu sein, in der Heimat auf Zeit, auf der Flucht. Ukrainische Volkstänze haben Liliia und Freundinnen schon beim Sommerfest in der Seniorenresidenz Parkhöhe vorgeführt. „Wie wäre es mit einer Tanzvorführung zur 900-Jahr-Feier der Stadt Lindenfels?“, träumt die 15-Jährige. gg
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