Heppenheim. Ein Jahr ist es her, dass Olga in Heppenheim ankam. Am 6. März 2022 endete ihre Flucht aus der Ukraine, die sie über Polen führte, in der Kreisstadt. Seitdem engagiert sie sich selbst bei der Flüchtlingshilfe in Heppenheim. Gemeinsam mit anderen Ukrainerinnen kümmert sie sich um die Kleiderkammer im Marienhaus. Diese ist mittlerweile offen für alle Bedürftigen und bietet den Geflüchteten soviel mehr als nur neue Kleidung.
„Es ist ein bisschen wie ein Treffpunkt, ein Stammtisch geworden“, beschreibt Anna Cammilleri das Miteinander an den Mittwochabenden. „Wir haben hier auch schon versucht, viele Dinge zu vermitteln.“ Dinge wie etwa Küchen, aber auch Arbeit.
Cammilleri gehört mittlerweile zum Vorstand der Heppenheimer Flüchtlingshilfe. Ursprünglich hatte die Heppenheimerin mit der Gruppe Mrija (Ukrainisch für Traum) Hilfstransporte in die Ukraine organisiert, aber auch geholfen, Flüchtlinge nach Deutschland zu holen und Wohnraum zu vermitteln.
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Karsten Lang, der ebenfalls bei Mrija startete, und Cammilleri sind bei der Heppenheimer Flüchtlingshilfe für die Kleiderkammer zuständig. „Irgendwann haben wir gemerkt, dass wir alle möglichen Hilfsgüter in die Ukraine schicken, aber die Flüchtlinge hier nichts hatten“, so Lang. So wurde die Mehrzweckhalle in Erbach zum „Kleider-Café“.
Im November 2022 folgte dann der Umzug ins Marienhaus. In der direkten Nachbarschaft zu Annies Suppenküche blieben die Gespräche mit deren Besuchern nicht aus. „Uns haben dann Gäste der Suppenküche angesprochen, ob sie auch zur Kleiderkammer kommen können“, erinnert sich Lang. Für ihn gab es nichts zu überlegen: „Wir lassen keinen vor der Tür stehen. Egal, ob Flüchtling oder andere Bedürftige.“
Für die Aufgabe "wie geschaffen"
Durch den Einzug junger Kinder und Jugendlicher in das ehemalige Weiterbildungszentrum Haus am Maiberg, kommen nun auch vermehrt junge Männer zur Kleiderkammer.
Schon früh begann Olga bei der Kleiderkammer zu helfen. „Uns war schnell klar, dass wir das nicht alles machen können“, so Cammilleri. Da sie bei der Unterbringung von Olga involviert war, bezog sie die Ukrainerin in das Projekt mit ein.
Es gibt die Möglichkeit zu Spenden
- Die Kleiderkammer der Heppenheimer Flüchtlinghilfe im Marienhaus, Laudenbacher Tor 2, ist nicht nur ein Angebot für ukrainische Flüchtlinge, sondern auch für alle anderen Bedürftigen.
- Mittwochs von 18 bis 20 Uhr ist geöffnet.
- Wer Kleidung spenden möchte, kann diese während der Öffnungszeiten vorbeibringen. Besonders Kleidung für junge Männer ist derzeit gefragt. Bei Sachspenden sollte zuvor per E-Mail Kontakt aufgenommen werden: kleiderkammer@fh-hp.de bib/ü
Sie scheint für die Aufgabe wie geschaffen. In ihrer Heimat war sie beruflich im Bereich Management und bei der Organisation von Ausstellungen tätig. Für die herzliche Aufnahme in Heppenheim ist sie noch immer dankbar. „Viele Deutsche haben uns geholfen, uns hier wie zu Hause zu fühlen. Ohne diese Hilfe wäre es schwer gewesen.“
Mit Dokumenten geholfen
Gemeinsam mit ihrem Sohn kam sie bei der ersten Flüchtlingswelle in die Kreisstadt. Nur einen Rucksack hatten die beiden dabei. Die Hilfe, die sie von den Heppenheimern erfahren hatten, wollte sie ebenfalls bieten und nicht untätig zusehen. „Wir haben dann versucht zu helfen, da wir auch selbst Ukrainer sind.“
Etwa später als Olga, am 3. Mai, kam Hanna aus Mariupol mit ihrer Tochter nach Heppenheim. Über eine Hilfsstelle fand sie den Weg zu einer Familie in der Kreisstadt, bei der die beiden unterkommen konnten. „Die Familie hat uns dann mit Dokumenten geholfen und uns alles in Heppenheim gezeigt. Ich bin sehr dankbar, dass sie mir auch die Kleiderkammer gezeigt haben“, sagt Hanna.
Auf ihrem Handy hat die Ukrainerin Bilder des Gebäudes, in dem sie einst arbeitete – nichts von der gewohnten Umgebung ist mehr übrig, das Haus ist zerbombt. Das Leben, das sie einst führte, existiert so nicht mehr. Hanna wird wohl fürs Erste in Heppenheim bleiben. Die ersten Sätze in Deutsch sitzen bei der Ukrainerin auch schon, vieles versteht sie bereits.
Nun hilft sie in der Kleiderkammer, sortiert die gespendete Ware nach Größe, hängt die Kleidung auf und räumt auf. Als Nächstes steht der Wechsel von Winter- zu Sommerkleidung an. Der Raum im Marienhaus soll jedoch nur eine Übergangslösung sein, erklärt Cammilleri. „Ziel ist es natürlich irgendwann, wenn das Bruchseehotel fertig ist, Räume zu bekommen.“
Olga hat dagegen ein ganz anderes Ziel: „Ich warte, dass es in der Ukraine wieder sicher ist für mein Kind und wir zurückkommen können.“ So unterschiedlich wie die Zukunft von Olga und Hanna aussieht, so verschieden sind auch die Geschichten aller anderen Geflüchteten. „Jeder hat sein eigenes Buch geschrieben mit der Ausreise aus der Ukraine“, sagt Cammilleri. „Und jeder wird auch sein eigenes Ende schreiben.“ bib/ü
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