Bücherei

Ukrainische Literatur in der Bensheimer Stadtbibliothek

Von 
Eva Bambach
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Natalia Korchynska (2.v.l.) hat das Projekt „Ukrainisches Buch in Deutschland“ auf den Weg gebracht. Auch Thomas Herborn (Leiter Stadtkultur), Bibliotheksleiterin Winnie Lechterbeck und Bürgermeisterin Christine Klein (v.l.) freuen sich, dass es in der Stadtbibliothek nun ein Regal mit ukrainischen Büchern gibt. © Thomas Zelinger

Bensheim. Im Juni 2022 kam Natalia Korchynska mit Vater und Katze in Deutschland an. Als sie aus Charkiw floh, konnte sie in aller Eile nur das Notwendigste mitnehmen.

Wie ihr ging es Hunderten von anderen ukrainischen Menschen, die inzwischen in unserer Region leben. Was sie vermissen, sind nicht nur die Heimat und die zurückgelassenen Freunde und Verwandten, sondern auch die ukrainische Kultur.

Natalia Korchynska sehnte sich unter anderem nach Literatur. „Wo kann ich ukrainische Bücher kaufen?“, fragte sich die junge Musikerin, die in Charkiw ein Mandoline-Studium abgeschlossen hatte und gerade noch mitten im Studiengang Dirigieren war. Aber ukrainische Bücher waren nirgends zu bekommen, so erzählte sie am Donnerstag in der Bensheimer Stadtbibliothek, wo nun in Anwesenheit von Bürgermeisterin Christine Klein und dem Leiter des Eigenbetriebs Stadtkultur Thomas Herborn ein Regal mit ukrainischer Literatur eingeweiht wurde.

Die rund 50 Bücher umfassen Kinder- und Jugendbücher ebenso wie einige Romane für Erwachsene. Die Sammlung ist das Ergebnis des Projekts „Ukrainische Bücher in Deutschland“, das Natalia Korchynska initiiert und organisiert hat: Mit einer Facebook-Seite rief sie die Menschen in der Ukraine auf, Bücher zu spenden, die zum Teil direkt an die Bensheimer Stadtbibliothek geschickt wurden.

Dort war es zunächst gar nicht so einfach, die in kyrillischer Schrift geschriebenen Medien in das digitale Bestands- und Ausleihsystem einzupflegen, erklärte die Leiterin der Bibliothek Winnie Lechterbeck, die froh ist, den ukrainischen Familien nun dieses attraktive Angebot machen zu können. Die Bibliothek sei schon jetzt vielen der Geflüchteten ein Begriff, weil die örtlichen Sprachschulen im Rahmen ihrer Deutschkurse auch Führungen durch die Bücherei im Programm haben.

Für Natalia Korchynska war der Tag der Einweihung des Bücherangebots auch ein symbolisches Datum. Der 9. März ist der Geburtstag des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko (1814 – 1861), dessen Lyrik als grundlegend für die Entwicklung der modernen ukrainischen Sprache angesehen wird.

Von ihm stammt unter anderem das in viele Sprachen übersetzte Gedicht „Vermächtnis“, das er 1845 als Aufruf zum Befreiungskampf des ukrainischen Volkes gegen das Russische Reich veröffentlichte. Schewtschenko wurde wegen seiner revolutionären Dichtungen verhaftet und aus der Ukraine verbannt, man befürchtete, dass die Verbreitung seiner Gedichte die Idee der Ukraine als selbstständiger Staat stärken würde.

Mit dem Projekt „Ukrainische Bücher in Deutschland“ konnte Natalia Korchynska ein für sie sehr wichtiges Anliegen umsetzen: Sie möchte für ihre Landsleute ein Stück ukrainische Kultur in Deutschland zugänglich machen. Sie hofft, dass auf diese Weise Ukrainerinnen und Ukrainer eine Verbindung zur Heimat aufrechterhalten können. Mit der Möglichkeit, ukrainische Literatur ausleihen zu können, möchte Natalia Korchynska die ukrainische Kultur in den Herzen der Geflüchteten bewahren – neben der Integration in den deutschen Alltag.

Publik gemacht wird das neue Angebot der Bensheimer Stadtbibliothek auf den Facebook-Seiten „Ukrainisches Buch in Deutschland“, des Familienzentrums Bensheim und der Stadt Bensheim sowie in der Webpräsenz der Stadtkultur Bensheim.

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