Bürgerdiskussion

Flüchtlinge in Lindenfels: Kaum Probleme, viele Fragen

Bei einer Runde mit dem Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf wurde deutlich, dass sich viele mit dem Thema überfordert sehen.  

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Philipp Kriegbaum
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Matthias Schimpf sprach im Bürgerhaus über die Flüchtlings-Situation im Kreis und in Lindenfels. © Neu

Lindenfels. „Dieses unerträgliche Mikado der Moral will ich nicht mitmachen“, sagte Matthias Schimpf im Lindenfelser Bürgerhaus vor etwa 50 Gästen. Der hauptamtliche Kreisbeigeordnete und Vorstandssprecher der Grünen Bergstraße bekannte sich im Bürgergespräch klar zum Recht auf Asyl und zum humanen Umgang mit Geflüchteten. Trotz aller Herausforderungen bei der Umsetzung. Eingeladen zu dem Termin hatte der Ortsverband seiner Partei.

Länger als eine halbe Stunde referierte Schimpf über die Fakten, Zahlen und die Nöte des Kreises. Mit Blick auf die gegen Ende des Jahres wohl weiter deutlich steigenden Zahlen Geflüchteter – derzeit sind es 35 Personen pro Woche – rutschte ihm sogar das Wort von der „großen Angst“ der Verantwortlichen heraus, das Schimpf sofort mit „Herausforderung“ korrigierte.

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Er erklärte, dass aus der Ukraine geflüchtete Menschen einen anderen Status genießen als Asylbewerber und dass diese wiederum anders zu behandeln seien als Menschen mit abgeschlossenem Asylverfahren. „Die sind dann halt erst mal hier“, sagte Schimpf. Und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch abgelehnt wurde.

Das Publikum schien teilweise überfordert mit den juristischen Unterschieden, die unterschiedliche Zuständigkeiten nach sich ziehen. Es gab Zwischenrufe wie: „Die ganzen Zahlen kann sich ja kein Mensch merken“ und „Für mich ist das alles eins“. Das veranlasste den Referenten zu der Bitte, „sortenrein“ zu diskutieren.

Kein Beispiel für ein Problem genannt

Im Laufe der Debatte kristallisierte sich heraus, dass die im ehemaligen Luisenkrankenhaus untergebrachten Menschen sich im Alltag meistens unauffällig verhalten. Jedenfalls wurde kein Beispiel für ein Problem genannt. Im Gegenteil: Der örtliche Supermarkt profitiere sehr von den neuen Kunden. Die etwa 300 Ukrainer – das sind etwa 13 Prozent der 2293 Einwohner von Lindenfels-Mitte – dürfen arbeiten, haben Anspruch auf Bürgergeld und sind im Gegensatz zu Asylbewerbern von der sogenannten Ortspflicht befreit.

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Philipp Kriegbaum
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In der Mehrzahl handelt es sich um Frauen und deren Kinder. Nur etwa die Hälfte der Ukraine-Geflüchteten wird wie in Lindenfels durch Schimpfs Behörde untergebracht: 2022 seien 1400 Angehörige dieses Personenkreises zugewiesen worden. Etwa dieselbe Zahl wohne privat irgendwo im Kreis Bergstraße. Dennoch berichteten mehrere Diskussionsteilnehmerinnen, sie hätten Angst, in Lindenfels nachts alleine auf die Straße zu gehen. Kinder könne man nicht mehr ohne Begleitung raus schicken. Es wurde von lautstarken Feiern berichtet und von schmutzigen Bürgersteigen.

Der Kreis ist nicht immer zuständig

Gemeint waren dabei wohl in erster Linie die Zustände rund um ein Haus an der Nibelungenstraße an prominenter Stelle mitten an der Ortsdurchfahrt. Schimpf äußerte mehrfach sein Verständnis für den Unmut der Bürger.

Doch diese etwa 40 Bewohner syrischer Herkunft seien Einwohner von Lindenfels, die bei einem privaten Hausbesitzer zur Miete wohnten. Sie gehörten zu der bereits angesprochenen Gruppe derer, die „dann erst mal hier“ sind. Heißt: Der Kreis hat keine Zuständigkeit. Um ordnungsrechtliche Verstöße muss sich die Stadt kümmern. Doch städtische Verfügungen werden in der Regel ignoriert.

16 Menschen, die aus Staaten außerhalb der EU – sogenannten Drittstaaten – geflüchtet sind, wurden der Stadt vom Kreis zugewiesen. Diese sind ebenfalls in einem Haus an der Nibelungenstraße untergebracht. Die hier verursachten Störungen scheinen sich den Äußerungen in der Versammlung nach in vertretbarem Rahmen zu halten.

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Mehrere Diskussionsteilnehmer betonten, dass sie nicht „jene Partei“ unterstützen wollten, die „immer mächtiger“ werde. Der Name AfD wurde gemieden wie der von Lord Voldemort bei Harry Potter. Eine Diskussionsteilnehmerin fragte allerdings unverhohlen: „Warum machen wir denn die Grenzen nicht zu?“ und unterstellte „Das denkt jeder.“

Matthias Schimpf machte mehrfach deutlich, dass er von dem Spruch „das Boot ist voll“ nichts hält. Das Asylrecht dürfe nicht angetastet werden. Er plädierte für die Abschaffung des Arbeitsverbots für Asylbewerber, weil es die Bemühungen um Integration unterlaufe.

Jochen Ruoff, der Vorsitzende der Lindenfelser Grünen, will sich darum kümmern, dass eine ähnliche Runde mit Schwerpunkt auf die ordnungspolizeilichen Themen zustande kommt. Dazu will er die Polizei einladen.

Freier Autor Schwerpunkte: Lokales Lindenfels / Lautertal, Chorgesang, Vereine, Hintergründe.

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