Gesundheitsserie

Natur und Umwelt: Heilkräuter und ihre Wirkung kennenlernen

Bei einer Wanderung auf dem Kirchenpfad von Reichenbach nach Knoden begegnet man zahlreichen Heilkräutern.

Von 
Jutta Haas
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Reichenbach. Eine Wanderung auf dem Kirchenpfad von Reichenbach nach Knoden hinauf lohnt sich. Nach dem Einbiegen in den Kirchenpfad von der Knodener Straße auf Höhe der Reichenbacher Kindertagestätte verläuft der Weg auf einem unbefestigten geschotterten Feldweg vorbei an Feldern und Wiesen und führt zunächst an den Waldrand und dann einen schmaler werdenden Waldweg immer steiler bergauf. Am Ende wird der Weg wieder etwas breiter und schließlich ist Knoden in Sicht.

Ein Höhenunterschied von 270 Metern verlangt sportliche Kondition. Ist er geschafft, hat die Person, die den Weg auf sich genommen hat, etwas für ihre Gesundheit getan. Belohnt wurde sie mit schönen Ausblicken auf das Lautertal, vor allem auf Reichenbach. Dem Verschönerungsverein von Reichenbach sei Dank für die Pflege des Weges, gerade im Sommer neigen Brombeerranken und Brennnesseln gerne dazu, in den Weg hineinzuwachsen.

Die Inhaltsstoffe der Kamillenblüten haben eine beruhigende und krampflösende Wirkung. © Jutta Haas

Die Zeit, in der der Aufstieg nach Knoden geschafft wird, dürfte individuell unterschiedlich sein. Etwas länger wird er dauern, wenn die Pflanzen, die am Wegesrand blühen, für Aufmerksamkeit sorgen. An diesem Tag konnten zehn Heilpflanzen beobachtet werden. Wer sie für seine Hausapotheke ernten möchte, sollte achtsam bei den Kräutern am Wegesrand sein. Wild- und Haustiere mögen auch Pflanzen, um ihre Reviere zu markieren. Ein Wissen über die Pflanzen, die verwendet werden können oder etwa giftige Eigenschaften haben, ist wichtig.

So lästig die Brennnessel auch sein mag, wenn sie bei der Wanderung gerade in einem feuchten Sommer dem Menschen auf Augenhöhe begegnet, so ist sie doch eine wertvolle Heilpflanze. Ihre beste Erntezeit ist das Frühjahr, wenn sich die jungen Blätter entwickelt haben. Sie werden frisch oder getrocknet zur Zubereitung für einen Tee verwendet.

Brennnesselkraut – dazu gehören die Stängel und Blätter – haben entwässernde Eigenschaften. Sie werden unterstützend bei Harnwegsinfekten eingesetzt. Gerne werden Brennnesselblätter auch Teemischungen zugesetzt, etwa Tees für Leber- und Gallenbeschwerden oder in Teemischungen, die bei rheumatischen Beschwerden verwendet werden. Im Frühjahr sind Kuren mit Brennnesseltees beliebt. Die entwässernde Wirkung unterstützt die Ausscheidung und bewirkt eine Anregung des Stoffwechsels. In Heilkräuterbüchern ist die Rede von einer Entgiftung, die nach einem langen Winter im Frühjahr dem Körper gut tut.

Ein Sud half gegen Geschwüre und Brandwunden

Zu den Heilpflanzen gehört auch die Brombeere, die bei dieser Wanderung mit ihren langen Ruten den Weg kreuzte. Ihre hakenförmigen Stacheln sorgten zudem dafür, dass sie gerne Bekanntschaft machen wollte. Obwohl die Begegnung weniger gemütlich ist, so ist auch die Brombeere eine wertvolle Heilpflanze. Die Beeren selbst sind zwar lecker, wichtiger sind jedoch die Blätter des Strauches.

Schon einer der bekanntesten Ärzte der Antike, Pedanios Dioskurides (der Grieche lebte zu Zeiten des römischen Kaisers Nero von 54 bis 68 nach Christus), hinterließ die Empfehlung, die Brombeerblätter zu nutzen. Ein Tee aus den Spitzen der Blatttriebe helfe gegen Durchfall und starke Monatsblutung. Das wurde in der Klosterheilkunde übernommen. Dort wurde auch die entzündungshemmende Wirkung festgestellt und so wurde ein Sud bei Geschwüren und Brandwunden eingesetzt. Heute wissen die Menschen um die Inhaltsstoffe und der Einsatz bei akuten Durchfallerkrankungen und leichten Schleimhautendzündungen im Mund ist wissenschaftlich anerkannt.

Giftig, aber enthält auch hochwirksame Inhaltsstoffe: Der Fingerhut. © Haas

Schon zu Beginn der Wanderung wurde am Rand der Felder die Kamille entdeckt. Sie dürfte wohl zu den bekanntesten Heilpflanzen gehören. Schon im alten Ägypten wurde die Pflanze wegen ihres gelben Blütenbodens als Blume des Sonnengottes verehrt. Ein deutliches Erkennungsmerkmal der Pflanze ist, dass dieser Blütenboden hohl ist.

Gesammelt wird von der Kamille die Blüte. Ihre Inhaltsstoffe – der wichtigste ist das Chamazulen – wirken beruhigend, entzündungshemmend, wundheilungsfördernd und krampflösend. Der Einsatz ist so vielfältig wie die Wirkung. Äußerlich können mit Kamillenauszügen Spülungen auf der Haut und Schleimhaut durchgeführt werden, auch Sitzbäder werden gerne gemacht. Innerlich wirkt die Kamille als Tee getrunken beruhigend und krampflösend auf Magen und Darm.

Öl zur Linderung von Muskelschmerzen

Das leuchtend gelb blühende Johanniskraut fällt am Wegesrand auf. Beim Zerreiben einer Blüte werden die dazu benutzten Finger rötlich-lila. Schon im Lorscher Arzneibuch – es gehört zu den ältesten Arzneibüchern im heute nördlichen Bereich von Europa und wurde zu Zeiten Karls des Großen 785 nach Christus im nahen Lorsch geschrieben – wird das Johanniskraut erwähnt und bei Melancholie empfohlen.

Die Blätter der Brennnessel werden für die Teezubereitung verwendet. © Haas

Eingesetzt wurde es auch zur Wundbehandlung, bei Rheuma und Gicht. Heute, über 1200 Jahre später, wird Johanniskraut nicht nur als Tee, sondern auch in vielen Fertigarzneimitteln verarbeitet. Es ist wissenschaftlich anerkannt und die Indikation lautet „depressive Verstimmungen, Angstzustände und nervöse Unruhe“. Auch die äußerliche Anwendung von Johanniskrautöl, dem Rotöl, ist bis heute geblieben. Einreibungen bei Muskelschmerzen sowie bei gereizter und trockener Haut werden geschätzt.

Eine weitere gelbblühende Pflanze, die am Kirchenpfad blüht, ist der Odermennig. Diese Heilpflanze mit ihren kleinen Blüten ist nicht so bekannt, hat aber auch nachgewiesene Inhaltsstoffe, die bei Durchfallerkrankungen wirken. Ebenso wird es bei Schleimhautentzündungen eingesetzt. Beide Einsatzgebiete beschrieben schon die griechischen Ärzte und die Äbtin Hildegard von Bingen (um 1150).

Falsche Anwendung kann zu Herzrhythmusstörungen führen

Unweit vom Odermennig lockte die Schafgarbe mit ihrer Doldenblüte viele Insekten an. Die weißen Blüten haben die meisten Inhaltsstoffe, verwendet wird das gesamte Kraut. Die Bitterstoffe in der Pflanze regen den Appetit an und unterstützen die Verdauung, besonders bei krampfartigen Beschwerden. Frauen schätzen die Wirkung bei krampfartigen Menstruationsbeschwerden. In den Lazaretten der Geschichte wurde die Schafgarbe auch zur Blutstillung eingesetzt. Erklärungen für die Wirkung finden sich abermals beim griechischen Arzt Dioskurides und später auch bei der deutschen Äbtin Hildegard von Bingen.

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Oben im Wald zeigt im Frühsommer der Fingerhut seine imposanten kerzenartigen Blütenstände mit Blüten, die an den Fingerhut einer Näherin erinnern. Diese Pflanze gehört zu den giftigsten, die sich in hiesigen Breitengraden finden lassen. Ein Sammeln sollte also nicht stattfinden. „Schon 0,3 Gramm getrocknete Pflanzenteile sind für Erwachsene giftig“, ist im Fachbuch über Giftpflanzen nachzulesen. Auch Kinder sollten nicht in die Versuchung kommen, mal ihre Finger in eine Blüte zu stecken – auch könnte dort gerade eine Biene schlafen. Im Reich der Giftpflanzen finden die Pharmazeuten aber hochwirksame Inhaltsstoffe, die zu standardisierten Arzneimitteln verarbeitet werden. Die Therapie mit Digitalis gehört in die Hände von versierten Ärzten, ihr Einsatz gilt zumeist älteren Menschen mit einer Herzschwäche. Falsch angewendet oder der Verzehr der Pflanze führt zu Übelkeit, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen, die zur Bewusstlosigkeit führen können.

Nach so viel Pflanzenkunde galt es nun den Höhenanstieg weiter fortzuführen und schließlich wird auch ohne die Einnahme einer Pflanze mit klopfendem Herzen die Knodener Höhe erreicht.

Freie Autorin

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