Beedenkirchen. Die Sommerlinde auf dem Alten Friedhof in Beedenkirchen steht auf der Liste der Naturdenkmale des Kreises Bergstraße aus dem Jahr 2011 mit der Bezeichnung „geschützt als stärkste Linde im Kreis und von besonderer Schönheit“. Das war einmal. Ein Sturm im September sorgte dafür, dass der inzwischen hohle Stamm der zwei- bis dreihundert Jahre alten Sommerlinde einen Riss vom Stammfuß bis zum Stammkopf bekam. „Damit war es nun geboten, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten“, erklärte der für Naturschutz zuständige Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf. „Der Baum war nicht mehr verkehrssicher.“
Ein Baumpflegebetrieb habe erklärt, dass die Krone eingekürzt werden müsse, um die Last auf dem Stamm zu verringern und um weitere Bruchschäden zu verhindern, so Schimpf. Laut dem Kreisbeigeordneten war die Empfehlung „eine Einkürzung um mindestens 40 bis 50 Prozent“.
Wichtiges Ziel war dabei die Verkehrssicherheit. Das sehen die Straßenbaubehörde Hessen Mobil und das Ordnungsamt der Gemeinde Lautertal ebenfalls so. „Hintergrund ist, dass der Kreis bei Schäden, welche durch fehlende Verkehrssicherheit in solchen Fällen auftreten, in der Haftung ist. Beim Vorliegen eines Gutachtens, welches die Verkehrssicherheit und auch die Standfestigkeit deutlich in Frage stellt, ist daher ein unverzügliches Handeln angezeigt,“ erläuterte Matthias Schimpf.
BA-Bericht löste Unruhe und viele Aktivitäten aus
Nachdem der Bergsträßer Anzeiger in seiner Ausgabe 2. Oktober über die bevorstehende Straßensperrung zwecks der Fällung der Linde am Alten Friedhof in Beedenkirchen informiert hatte, gab es einige Unruhe im ansonsten beschaulichen Beedenkirchen. Viele Bürger, allen voran der Vorsitzende der örtlichen Naturschutzgruppe, Ulrich Rieckher, konnten nicht verstehen, warum nun der gesamte Baum gefällt werden sollte. Dass etwas getan werden musste, war offensichtlich. Nicht aber, dass der Baum deswegen gefällt werden muss. Bürger versuchten mit Anrufen bei der Gemeinde Lautertal, der Unteren Naturschutzbehörde und bei Rieckher, die Fällung zu verhindern. Die Naturschutzbehörde hatte die Entfernung des Baums genehmigt.
Rieckher informierte den Naturschutzbund-Kreisverband Bergstraße und Yvonne Albe von der Nabu-Gruppe Seeheim-Jugenheim. Zudem nahm er Kontakt mit der Unteren Naturschutzbehörde auf. Sein Vorschlag: erst einmal die Verkehrssicherheit herstellen. Dann einen Gutachter hinzuzuziehen und überlegen, wie man weiter vorgehen kann. Darauf habe sich die Naturschutzbehörde aber nicht eingelassen, berichtete Rieckher. Sie sei bei ihrem Standpunkt geblieben, dass die Fällung nötig sei.
Über die Linde
- Die Linde ist für viele Menschen ein besonderer Baum. Methusalems – also Linden, die bis zu 1000 Jahre alt werden können– gibt es in vielen Gegenden.
- Höhen von bis zu 40 Metern und beachtliche Stammdurchmesser sind bei Linden bekannt.
- In der Schnitzkunst ist Lindenholz beliebt. Viele Heiligenstatuen wurden aus diesem Holz gefertigt.
- Kulturgeschichtlich gilt die Linde als heiliger Baum. Durch seinen Wuchs ist der Lindenbaum prägend für sein Umfeld.
- Linden gehören seit ehedem in menschliche Siedlungen. Sie bildeten die Ortsmitte, waren Sitz und Symbol des Gerichts.
- Bekannt sind auch Feste, also Tänze unter Linden.
- Wie alt die Sommerlinde auf dem Alten Friedhof in Beedenkirchen ist, ist nicht bekannt. Sie könnte mit Errichtung des Friedhofes Mitte des 19. Jahrhunderts gepflanzt worden sein. Die Vermutung ist aber, dass der Baum älter ist. jhs
Lautertals Bürgermeister Andreas Heun sagte Rieckher schließlich zu, mit dem Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf zu sprechen. Ziel sollte sein, dass ein Teil des Baumes erhalten bleibt. Vonseiten des Nabu waren gleichzeitig Schritte eingeleitet worden, um den Baum zu retten.
So kam es, dass auf eine Fällung verzichtet, der Linde aber die Krone genommen wurde – deutlich mehr als „40 bis 50 Prozent“. Eine Begutachtung am 8. Oktober hat nach Angaben von Matthias Schimpf ergeben, dass die Verkehrssicherheit wieder hergestellt und der Baum standsicher ist. „Mit dem Kronenrückschnitt anstelle der zuvor in Rede stehenden Fällung wird als weiteres Ziel verfolgt, dass das Naturdenkmal längerfristig erhalten bleibt.“ Auch sollen Folgemaßnahmen beauftragt werden, kündigte Schimpf an. „Dass der Habitus des Baumes durch den Kronenrückschnitt verlorengehen würde, war absehbar.“
Für die Beedenkircher und die Naturschützer darüber hinaus ist das beim Blick auf den Torso des ehemals stolzen Baumes ein schwacher Trost. Gleichzeitig stellt sich die Frage, inwieweit der massive Schaden durch den Sturm hätte verhindert werden können. Die Linde ist seit vielen Jahren geschwächt. Zwischen den Hauptästen ist noch der Gurt zu sehen, mit dem die Krone gesichert worden war. Andere vergleichbare Bäume habe Pflegerückschnitte erhalten und wurde durch Metallstützen gesichert.
Am Baum wurden seltene Moose und Flechten festgestellt
„Trotz ihres hohen Alters und teilweise hohlen Stammes war die Linde, die aus drei Einzelstämmen bestand, bis in die äußersten Äste vital“, sagt Yvonne Albe vom Nabu Seeheim-Jugenheim. Sie kritisiert das schnelle Verfahren, von dem alle Beteiligten überrascht wurden.
Die Verkehrssicherheit sei sicher wichtig, allerdings hätte nur ein notwendiges Maß an Rückschnitten erfolgen sollen. Danach hätte eine gründliche Begutachtung vollzogen werden können, bei der weitere Maßnahmen festgelegt worden wären.
Ein ruhigeres Herangehen an die durchgeführten Maßnahmen wären Albes Ansicht nach wichtig gewesen. Schließlich habe Dr. Dorothee Killmann von der Universität Koblenz Flechten und Moose auf der Rinde und Ästen des Baumes analysiert und dabei seltene und nach der Bundesartenschutzverordnung geschützte Arten gefunden. „Eine Fällung ohne Beachtung des Artenschutzes für Moose und Flechten ist meines Erachtens ein Verstoß gegen die Bundesartenschutzverordnung“, so Killmann.
Yvonne Albe vermisst ein Artenschutzgutachten zur Bestimmung von schützenswerten Pflanzen- und Tierarten, die auf und in der Linde lebten. Positiv bewertete Albe die schnelle Reaktion des Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass der Baum nicht gefällt, sondern nur stark zurückgeschnitten wurde. Damit hat die Linde die Chance, neu auszutreiben. Die Frage, ob es wirklich nötig war die gesamte Krone wegzuschneiden, wird allerdings wohl nicht mehr geklärt werden können.
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