Gemeindevertretung

Gemeinde sieht die Mittelpunktschule Gadernheim in Gefahr

Die Haupt- und Realschüler sollen künftig auf die Auerbacher Schillerschule wechseln. Über die Hintergründe.  

Von 
Thorsten Matzner
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Gadernheim. Die Lautertaler Gemeindevertretung hat eine Resolution gegen den neuen Schulentwicklungsplan des Kreises Bergstraße beschlossen. Alle Fraktionen stimmten dem Papier zu. Konkret geht es um den Vorschlag, künftig die Viertklässler der Grundschule Elmshausen und der Felsenmeerschule Reichenbach an die Schillerschule in Auerbach zu lenken, sofern sie einen Haupt- oder Realschulabschluss anstreben. Bisher gehen diese Schüler üblicherweise auf die Mittelpunktschule Gadernheim.

„Mit Erstaunen und Verwunderung haben wir die aktuellen Pläne zur Entwicklung der MPS Gadernheim aus dem Entwurf des Schulentwicklungsplanes für 2025–2030 zur Kenntnis genommen“, heißt es in der Resolution, die Ende Oktober bei einer Regionalkonferenz in Bensheim vorgestellt wurde. Bereits dort war die Absicht auf Kritik gestoßen. Umgesetzt werden könnte die Änderung zum Schuljahr 2025/26, sodass bereits der übernächste Abgänger-Jahrgang davon betroffen wäre.

„Bestand der MPS wird aufs Spiel gesetzt“

„Wenn diese geplante Änderung umgesetzt werden sollte, wird der zukünftige Bestand der MPS in Gadernheim perspektivisch mehr und mehr gefährdet und für die Lautertaler Schülerinnen und Schülern damit insgesamt die Möglichkeit einer weiterführenden Schule im Lautertal aufs Spiel gesetzt“, heißt es in dem Text weiter.

Schon vor fast 20 Jahren hatte das Land angedroht, die Mittelpunktschule zu einer Grundschule einzustufen. Die Haupt- und Realschulklassen sollten auslaufen, indem keine Schüler ab der fünften Klasse mehr aufgenommen werden. Nach heftigem Protest und einer Initiative der Schule zur Schaffung eines neuen Konzepts für den Übergang auf die Sekundarstufe I wurde dies damals abgewendet. Seither gibt es in Gadernheim für die Jahrgänge fünf und sechs Verbundklassen, in denen die Haupt- und die Realschüler gemeinsam unterrichtet werden. Ab der Jahrgangsstufe sieben greift dann die übliche Trennung der beiden Bildungsgänge. An die damaligen Probleme erinnert die Gemeindevertretung in ihrer Resolution. Eine Wiederholung der Situation müsse „unter allen Umständen vermieden“ werden.

Wenn die Schülerlenkung wie geplant umgesetzt werde, sei der Bestand der Mittelpunktschule als weiterführende Schule gefährdet. „Die Wahl der weiterführenden Schulen sollte in der Hand der Eltern liegen. Der aktuelle Entwurf schneidet sehr viele der Kinder und Jugendlichen der Dörfer Elmshausen, Reichenbach, sowie Beedenkirchen, Staffel, Schmal-Beerbach und Wurzelbach von der Möglichkeit zum Besuch der Lautertaler MPS ab, da sie Schüler der Grundschulen in Elmshausen und Reichenbach sind.

Deutlich längere Fahrtzeiten und mehr Verkehr in Bensheim

Damit würde für die Hälfte unserer Dörfer, in Einwohnerzahlen ausgedrückt sogar rund 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler, ein Besuch der MPS faktisch unmöglich gemacht.“ Für die Kinder – vor allem aus den Orten rund um Beedenkirchen – ergäben sich zudem deutlich längere Fahrtzeiten und eine schlechtere Anbindung mit dem Nahverkehr außerhalb der Kernzeiten des Schülerverkehrs zur ersten und nach der sechsten Stunde. In der Resolution heißt es dazu: „Die Situation im Schülerverkehr wird durch die vorgeschlagene Lenkung noch brisanter. Schon jetzt sind Busse nach Bensheim als Anlaufstation für den gymnasialen Bereich überfüllt. Wenn in den nächsten Jahren jeweils noch weitere Klassen nach Bensheim fahren müssen, verschlechtert sich die Situation für Kinder aus dem Lautertal noch mehr. Der allmorgendliche Rückstau am Ritterplatz zwingt zu deutlich früherer Verkehrsteilnahme als talaufwärts nötig.“ Besonders wichtig sei ein wohnortnahes Angebot für Förderschüler.

Die Gemeindevertreter widersprechen der Darstellung im Entwurf des Schulentwicklungsplans, dass eine Schülerlenkung dazu führe, dass Mittelpunktschule und Schillerschule gleich gut mit Schülern versorgt würden. Vielmehr sei dies bereits der Fall, wie die prognostizierten Schülerzahlen zeigten. Außerdem wird in der Resolution auf die gesellschaftliche Bedeutung der Gadernheimer Schule verwiesen. So beteilige sich die MPS „in einer Zeit, in der demokratiegefährdende Kräfte zu einer Spaltung unserer Gesellschaft führen können“ an vielen Projekten in der Gemeinde.

Berufsorientierung mit Gütesiegel ausgezeichnet

Genannt werden die Gedenkfeier zur Pogromnacht, weitere Diskussionsveranstaltungen und die Unterstützung des Jugendrats. Wegen der großen Palette an Angeboten zur Berufsorientierung sei die Schule auch für die Wirtschaft in Lautertal wichtig und wirke „dem Fachkräftemangel entgegen“. Die Arbeit sei mit dem Gütesiegel Berufs- und Studienorientierung des Landes Hessen ausgezeichnet worden, das die MPS als einzige Schule im Kreis trage. Überdies sei die MPS als „Digitale Schule“ ausgezeichnet.

Die MPS Gadernheim habe sich mit einem „sehr engagierten Kollegium“ sehr gut entwickelt und sei für die Kinder aus Lautertal wieder die wichtigste Haupt- und Realschule geworden. Die zeige sich an den steigenden Schülerzahlen. Habe die Schule 2016 noch 262 Schüler umfasst, so seien es aktuell 420.

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Die Vorschläge im neuen Schulentwicklungsplan „greifen hochproblematisch in die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Gemeinde ein und können keinesfalls akzeptiert werden“, schreiben die Gemeindevertreter. „Wir fordern daher, den Vorschlag einer generellen Schülerlenkung der Absolventen der Grundschulen Reichenbach und Elmshausen zurückzuziehen und alle Aktivitäten in dieser Hinsicht zu unterlassen. Punktuelle, anlassbezogene Lenkungen bei überhöhten Anmeldezahlen über 50 Personen an der MPS sind von der Resolution nicht betroffen und nachvollziehbar.“

Unterschriftensammlungen laufen an

Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wollen die Schulelternbeiräte aus Elmshausen und Reichenbach Unterschriften sammeln, wie Bürgermeister Andreas Heun berichtete. Unter anderem beim Adventsmarkt in Beedenkirchen werden Listen ausgelegt. Heun sagte, er stehe in Kontakt mit den Beteiligten. Auf Vorschlag des Elmshäuser Ortsvorstehers Walter Kirschbaum soll das Thema in die Ortsbeiräte gegeben werden. Im Jugendrat wird das Thema am Donnerstag, 21. November, behandelt. Die Sitzung im Rathaus beginnt um 19.30 Uhr.

Redaktion Lokalredakteur Lautertal/Lindenfels

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