Gedenkfeier

Gedenkfeier in Reichenbach: Schüler erinnerten an Gewalt gegen Juden 1938 und 2023

Von 
Thorsten Matzner
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Reichenbach. Die Gemeinde Lautertal und die evangelische Kirchengemeinde Reichenbach gedachten mit einem Gottesdienst und einer Kranzniederlegung des 86. Jahrestages der Pogromnacht. Pfarrer Jan Scheunemann leitete die Feier und erinnerte daran, dass es Antisemitismus und Gewalt gegen Juden weiterhin gebe.

Scheunemann erinnerte an den Terrorangriff der palästinensischen Organisation Hamas auf Israel im Oktober vergangenen Jahres. Antisemitismus beginne bereits mit der Gleichsetzung der nationalsozialistischen Judenverfolgung und der Politik Israels im Zusammenhang mit den Palästinensern. Die israelische Regierung müsse sich selbstverständlich Kritik an ihrem Vorgehen - auch aus dem Ausland - gefallen lassen. Die Gräueltaten im nationalsozialistischen Deutschland seien aber einzigartig.

Schüler der Mittelpunktschule Gadernheim gestalteten die Feier mit. Auch sie setzten die Ereignisse von 1938 und 2023 in eine Beziehung, indem sie in die Rollen jüdischer Jugendlicher aus der Zeit vor fast 90 Jahren und von heute schlüpften. Dabei wurde deutlich, dass auch heute Juden in Deutschland nicht mehr unbeschwert leben können. Und wenn es nur darum geht, Symbole der Religion nicht mehr offen zu tragen oder gewisse Straßen und Plätze als sogenannte No-go-Zones zu meiden.

Ein WLAN-Netz mit einem antisemitischen Namen

Bürgermeister Andreas Heun und der Vorsitzende der Lautertaler Gemeindevertretung, Helmut Adam, warnten in ihren Ansprachen ebenfalls davor, dem Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit das Feld zu überlassen. Heun machte deutlich, dass Judenfeindlichkeit auch in Lautertal zu beobachten sei. So habe die Verwaltung in der Gemeinde ein WLAN-Netz mit dem Namen „Zyklon_B“ gefunden. Die Angelegenheit sei dem Staatsschutz übergeben worden.

Zyklon B war der Handelsname eines blausäurehaltigen Gases der „Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung“, das in den Konzentrationslagern verwendet wurde, um die Gefangenen zu töten.

Nach dem Gottesdienst zogen die Besucher mit Pfarrer Scheunemann, Heun und Adam zur früheren Synagoge in der Bangertsgasse in Reichenbach. Dort wurde ein Kranz zur Erinnerung niedergelegt. Die Gemeinde hatte dort vor über 30 Jahren eine kleine Erinnerungsstätte einrichten lassen.

Das Haus, in dem sich die Synagoge befand, wurde am 9. November 1938 nicht angegriffen. Die jüdische Gemeinde von Reichenbach war durch die nationalsozialistische Verfolgung ab 1933 bereits so weit geschrumpft, dass das Gebetshaus aufgegeben und an die Gemeinde verkauft worden war. Es dient seither als Wohnhaus. Judenverfolgung gab es aber auch im Lautertal. So wurde die Familie Israel in Elmshausen in die Emigration getrieben. An die Familienmitglieder Theodor, Mina und Walter Israel erinnern vor ihrem ehemaligen Wohnhaus inzwischen Stolpersteine. Nationalsozialisten aus dem Lautertal waren auch an der Pogromnacht beteiligt. Sie zogen nach Reichelsheim, wo es noch eine größere jüdische Gemeinschaft gab. Dort wurde die Synagoge geplündert und zerstört. Jüdische Bürger wurden auf die Straßen getrieben und geschmäht. In Bensheim waren Bürger aus Lautertal an der Zerstörung der Synagoge am Morgen des 10. November 1938 beteiligt.

Redaktion Lokalredakteur Lautertal/Lindenfels

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