Lautertal. Seit Ende Februar steht die Gemeinde Lautertal nicht mehr unter dem Schutzschirm des Landes Hessen. In Darmstadt überreichte Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid (Grüne) die Entlassurkunde an Bürgermeister Andreas Heun, seinen Stellvertreter Friedel Mink (LBL) und Tatjana Groh von der Finanzabteilung im Rathaus. Damit geht die finanzielle Aufsicht über die Gemeinde vom Regierungspräsidium zurück an den Kreis Bergstraße.
Zudem wird die Verwaltung entlastet, wie Groh berichtete. Die Berichte an das Regierungspräsidium seien immer sehr zeitaufwändig gewesen. Bürgermeister Heun sagte, die Entscheidung, dem Programm 2013 beizutreten, sei richtig gewesen. Immerhin sei die Teilnahme freiwillig gewesen. Durch die politische Entscheidung in Lautertal sei die Gemeinde deutlich entlastet worden.
Wirtschaftskrise als Auslöser
Für das Schutzschirm-Konzept hatten im Februar 2013 die SPD und die Grünen in der Gemeindevertretung gestimmt. Die CDU und die Unabhängige Bürgervertretung Lautertal (UBL) waren dagegen. Das mit dem Land vereinbarte Konzept hatte unter anderem eine Erhöhung der Grundsteuer B von 270 auf zunächst 400, später 500 Punkte vorgesehen, aber auch höhere Gebühren für die Leistungen der Gemeinde und Einsparungen bei Personal- und Sachkosten im Rathaus.
Ab 2017 sollten die Haushalte der Gemeinde wieder ausgeglichen sein. Bekanntlich kam es anders, was auch Bürgermeister Heun nicht entgangen ist. Natürlich seien Fehler gemacht worden, habe sich die Gemeinde nicht an ihr Konsolidierungsprogramm gehalten. Seiner Meinung nach ist das aber nur ein Aspekt der späteren Finanzkrise in Lautertal.
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Ausgangspunkt sei vielmehr die Wirtschaftskrise ab 2008 gewesen. Dass das der Auslöser für das Rettungsschirm-Programm gewesen sei, habe auch Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) noch 2020 betont. Denn nicht nur Lautertal, sondern viele Kommunen seien damals finanziell stark gebeutelt worden, erinnerte Heun. Daher sei es zu einfach, wenn Leute mit Wirtschafts-Sachverstand anführten, der Staat könne mit Geld nicht umgehen
Erhöhte Jahresraten
Lautertal habe in seiner schwierigen Situation 2013 eine „wegweisende Entscheidung“ getroffen. Das Land habe der Kommune 5,2 Millionen Euro an Schulden abgenommen. Heun sagte, der Schuldenstand läge aktuell bei mehr als 20 Millionen Euro, wenn die Gemeinde ihre Chance nicht ergriffen hätte. Der Beteiligung am Schutzschirm sei dann 2017 noch die Teilnahme an der Hessenkasse gefolgt, die eine weitere Entlastung um 6,3 Millionen Euro gebracht habe. Dieses Geld muss allerdings bis 2036 in jährlichen Raten an das Land zurückerstattet werden.
Es sei daher auch in kommenden Jahren die Aufgabe, diese Summe aus dem laufenden Haushalt zu erwirtschaften, erinnerte der Bürgermeister. Es geht um 180 000 Euro im Jahr. Zurzeit sind es sogar 198 000 Euro, wie Tatjana Groh sagte. Denn die aktuellen Jahresraten sind erhöht, weil das Land im Corona-Jahr 2020 eine Kürzung der Rückzahlung um 50 Prozent gestattet hatte. Dieses Geld wurde Lautertal nicht geschenkt, sondern wird jetzt auf die aktuellen Raten aufgeschlagen.
Es habe sich gezeigt, dass es gut sei, „wenn man mit dem Land zusammenarbeitet“, so Bürgermeister Heun. Das Land habe seine Kommunen in der Krise nach 2008 nicht allein gelassen, sondern „etwas gemacht“. Nachdem Lautertal das Ziel nicht erreicht hatte, 2017 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, hatte Wiesbaden der Kommune eine Fristverlängerung eingeräumt.
Rote Zahlen durch Energiepreise
Von 2018 bis 2021 gelang es dann, nicht nur rote Zahlen zu vermeiden, sondern sogar Überschüsse einzufahren. Daher wurde nun die Schutzschirm-Vereinbarung aufgehoben. Die Überschüsse werden laut dem Bürgermeister helfen, das schwierige Jahr 2023 zu überstehen.
Vor allem wegen der gestiegenen Energiepreise schließt der Haushalts-Entwurf nun wieder mit einem Minus ab. Hinzu kommen unerwartete Mehrkosten durch die Entscheidung des Kreises Bergstraße, ab Mai Flüchtlinge nicht mehr selbst unterzubringen, sondern den Kommunen zuzuweisen. Heun rechnet mit 21 Leuten pro Quartal, für die Unterkünfte gesucht - und auch bezahlt werden müssen.
Eine neuerliche Erhöhung der 2022 erst gesenkten Grundsteuer kann wegen des Polsters auf dem Girokonto 2023 wohl noch vermieden werden. Dennoch werde es auch in Zukunft darauf ankommen, die Stabilität des Haushalts zu gewährleisten. „Das wird schwierig genug“, ist sich Andreas Heun sicher.
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