Lautertal. Schon die erste Sitzung des Lautertaler Haupt- und Finanz- und Wirtschaftsausschusses zum Haushaltsplan 2022 war über die selbstgesteckte Sitzungsdauer bis 22 Uhr hinausgegangen und hatte zwei Folgesitzungen sowie die Verschiebung der Gemeindevertretersitzung erforderlich gemacht, um dem höchsten Beschlussgremium der Gemeinde eine abschließende Entscheidung vorlegen zu können. Die am Donnerstag erfolgte Fortsetzungssitzung toppte den bisherigen Beratungsmarathon des Finanzausschusses allerdings nochmal – und das in zweifacher Hinsicht.
Ausschussvorsitzender Günter Haas war offenbar nicht gewillt, eine vierte Sitzung einzuberufen und die Sitzung der Gemeindevertretung erneut zu verschieben. Also hielt man insgesamt fünf Stunden im Sitzungssaal des Reichenbacher Rathauses durch, bis Haas dann fünf Minuten nach Anbruch des neuen Tages nach getaner Arbeit die Sitzung beschließen konnte. Auch Bürgermeister Andreas Heun war der Meinung: „Es reicht jetzt“. Dies nicht nur mit Blick auf seine Verantwortung als Arbeitgeber für Verwaltungsmitarbeiterin Tatjana Groh, die als Schriftführerin die Sitzung protokollierte. Auch, weil in der Gemeinde nach wie vor um 0 Uhr die Lichter ausgehen und der Heimweg am Donnerstag daher in Dunkelheit erfolgen musste.
Vorschlag der Verwaltung getoppt
Vor dem Jahreswechsel hatte der Gemeindevorstand die Senkung des Hebesatzes für die Grundsteuer B auf nicht-landwirtschaftliche Grundstücke um 100 Punkte vorgeschlagen. Die Mehrheitskoalition aus CDU und Lautertaler Bürgerliste zeigte sich zunächst skeptisch und stimmte nicht zu, schlug dann aber im neuen Jahr eine noch großzügigere Senkung vor. Einstimmig folgte dem nun der Ausschuss und sprach sich für eine Reduzierung des Hebesatzes für die Grundsteuer B um 200 auf 850 Punkte aus.
Den SPD-Fraktionsvorsitzenden Tobias Pöselt veranlasste das zu einem „ausdrücklichen“ Lob der Mehrheitskoalition, die nun dem Weg des Bürgermeisters gefolgt sei, um die Lautertaler zu entlasten, nachdem dafür bei Einbringung des Haushaltsplanentwurfs dafür noch kein Spielraum gesehen worden war.
Dass jetzt das Doppelte des Verwaltungsvorschlags beschlossen werde, ließ Pöselt aber auch hoffen, dass nicht das „große Erwachen kommt“, wenn das Geld wieder knapp werde. Die Zustimmung der SPD knüpfe er damit auch an die Erwartung, dass die Mehrheitskoalition bei entsprechender Entwicklung eine eventuell erforderliche Erhöhung dann auch mittrage. Es sei wichtig, dass der Haushalt weiter konsolidiert werde und Investitionen möglich bleiben.
Am Jubiläum wird gespart
Nicht erhört wurde von der Mehrheit sein nachdrückliches Plädoyer für die vorgeschlagene Erhöhung der Gewerbesteuer um 10 auf 400 Punkte, die von Christdemokraten und Bürgerliste gegen die Stimmen von SPD und Grünen abgelehnt wurde. Pöselt hatte hier auf die dann entstehende Erhöhung der Deckungslücke hingewiesen.
Frank Maus, Fraktionschef der Lautertaler Grünen, sah bei dem Satz für die Grundsteuer B ebenfalls den Weg in die richtige Richtung, aber auch die dadurch geschaffenen Probleme. Es sei richtig, dass die Bürgerschaft entlastet werde, aber der Umfang sei für ihn „etwas zu ambitioniert“. So habe man zur Deckung der Finanzlücke im Ergebnishaushalt einige Einsparungen (92 500 Euro) vornehmen müssen – nicht nur beim anstehenden Gemeindejubiläum, sondern auch bei den Straßensanierungen.
Auch werde die Deckungslücke zum Teil durch den Griff in die Rücklage gedeckt, was zwar rechtens sei, aber die Finanzierung der anstehenden großen Investitionen schmälere. Dennoch wollten die Grünen der Absenkung auf 850 Punkte zustimmen, um auch der Bevölkerung ein Signal zu geben, dass die Kommunalpolitik an einem Strang ziehen könne.
Finanzsituation habe sich massiv verbessert
Sowohl Erich Sauer von der CDU als auch die LBL-Fraktionsvorsitzende Silvia Bellmann widersprachen dem Hinweis auf den Griff in die Rücklage. Beide machten deutlich, was letztlich zu der geänderten Haltung geführt hatte. Denn bei der Einbringung des Haushaltsplanentwurfs stand noch ein Defizit in Höhe von 342 000 Euro im Raum, weswegen die Mehrheitskoalition gegen eine Absenkung der Grundsteuer war.
Inzwischen habe sich die Finanzsituation aufgrund neuer Zahlen massiv verbessert und statt einem Defizit gab es jetzt ein Plus von 450 000 Euro. In der Summe verbessere sich die Haushaltslage somit um eine dreiviertel Million Euro, so Bellmann. Insofern sei die Rücklage nicht angegriffen worden, sondern im Vergleich zur ersten Haushaltsplanfassung die Zuführung zur Rücklage lediglich reduziert worden.
Bürgermeister Heun machte deutlich, dass ihm „kleinere Schritte“ der Gemeindevertreter besser gefallen hätten. Die Absenkung der Grundsteuer auf 850 Punkte sei rein rechtlich zwar möglich, aber sportlich, denn bei der mittelfristigen Finanzplanung komme man dadurch „an die Kante“.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Uneinigkeit bei der Gewerbesteuer
Der Rathauschef verwies auf die Vorgaben, bis 2025 im ordentlichen Ergebnis des Haushaltes kein Minus verursachen zu dürfen. Das könnte schwierig werden, warnte Heun davor, wieder ein Haushaltskonsolidierungskonzept aufstellen zu müssen.
Bis 2025 habe man durch die Entscheidung in der Rücklage einen Rückstau von rund 700 000 Euro. Abzüglich der erforderlichen Mindestrücklage von 273 000 Euro ergebe das für die kommenden drei Jahre einen Puffer von rund 400 000 Euro. Das sei wenig und erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass wieder an der Steuerschraube gedreht werden muss, was nicht nachhaltig sei.
Bei der Gewerbesteuer war es dann aber mit der Einstimmigkeit vorbei. Die Mehrheit von LBL und CDU will es beim bisherigen Hebesatz von 390 Punkten belassen, währen SPD und Grüne dem Vorschlag der Verwaltung folgten und eine Erhöhung auf 400 Punkte für richtig halten.
Frank Maus hielt die von Erich Sauer angeführte Verknüpfung mit den Auswirkungen durch Corona für nicht zutreffend, denn aktuellen Zahlen zufolge sei das Brutto-Inlandsprodukt in den vergangenen beiden Jahren gegenüber 2018 und 2019 angestiegen. Auch sei von der Anhebung der Gewerbesteuer nur ein verschwindend geringer Teil der Lautertaler Gewerbetreibenden betroffen. Der Verlust der durch die Anhebung zu erwartenden Mehreinnahmen in Höhe von rund 35.000 Euro würde die Erhöhung der Rücklagen unnötig zusätzlich beschneiden.
Wiedererhöhung 2023 möglich
Sauer begründete den Verzicht auf die Anhebung der Gewerbesteuer mit dem dadurch entstehenden Signal, das man vermeiden wolle: die Senkung der Grundsteuer werde mit dem Anheben der Gewerbesteuer bezahlt.
Deutlich machte Sauer aber auch, dass diese Entscheidung zunächst nur für dieses Jahr gelte. Wie es im kommenden Jahr aussehe, müsse dann neu bewertet werden, wollte der CDU-Gemeindevertreter eine mögliche Erhöhung nicht ausschließen.
Die Diskussion um die Steuerhebesätze war zwar auch ausführlich, aber längst nicht so ausgiebig wie die Beratung des Investitionsplans, in der es zum Teil auch um grundsätzliche Fragen zur infrastrukturellen Situation der Gemeinde ging. Darüber wird diese Zeitung noch berichten.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lautertal_artikel,-lautertal-grundsteuer-b-in-lautertal-soll-auf-850-hebesatz-punkte-sinken-_arid,1915890.html