Lautertal. Die Debatte um den Satz für die Grundsteuer B hat eine für manchen unerwartete Wendung genommen. Auf einen Antrag der CDU hin hat sich der Lautertaler Finanzausschuss auf die Empfehlung an die Gemeindevertretung geeinigt, den Satz von derzeit 1050 auf 850 zu senken.
Dass die Lautertaler Gemeindevertreter gerne streiten, ist kein Geheimnis. So gab es denn auch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sich bei dem CDU-Vorschlag um eine Kehrtwende handelte. Nach Ansicht der Grünen war er das, schließlich hatten sich die Christdemokraten angesichts des ambitionierten Lautertaler Investitionsprogramms in der Vergangenheit skeptisch gegenüber einer Senkung der Abgabe gezeigt. Noch im Dezember stimmten die CDU und ihre Koalitionspartner von der Lautertaler Bürgerliste (LBL) gegen eine neue Hebesatz-Satzung, die eine Senkung des Grundsteuersatzes vom derzeitigen bundesweiten Rekordwert auf 950 Punkte vorsah.
Taunusstein als Vorbild
Dies erklärte LBL-Fraktionsvorsitzende Silvia Bellmann nun damit, dass diese Frage für die Koalition zu früh gestellt worden sei: Den Haushaltsentwurf für 2022 hatte Bürgermeister Andreas Heun da gerade erst vorgelegt. Mittlerweile hätten sich die Koalitionspartner den Plan eingehend angeschaut und sich Gedanken gemacht, wie die Bürger entlastet und Investitionen gestemmt werden können, ohne dabei den „Pfad der Konsolidierung“ zu verlassen.
Auf Antrag der Lautertaler Bürgerliste empfiehlt der Finanzausschuss zusätzlich die Vorgabe, zum Haushalt für 2023 eine sogenannte „Nachhaltigkeitssatzung“ zu erarbeiten, wie sie etwa in der Stadt Taunusstein zum Einsatz kommt. In so einer Satzung können bestimmte Vorgaben und Anweisungen für die Haushaltsplanung festgelegt werden, die über die Regeln des Landes hinausgehen.
Hohe Rücklagen
Zum Vorschlag der CDU trügen auch neue Erkenntnisse bei, sagte ihr Vertreter Erich Sauer. Norman Krauß vom Beratungsbüro Eckermann und Krauß, das Lautertal bei seinen Finanzen berät, hatte zuvor auf den enormen Fortschritt bei der Entwicklung der Rücklagen auf den Konten der Gemeinde hingewiesen.
Ende 2021 habe die Höhe der liquiden Mittel bei 3,3 Millionen Euro gelegen. Das sei N´nicht zwangsläufig Geld, über das Lautertal frei verfügen kann, die Aufsichtsbehörden müssten prüfen, wo es Verbindlichkeiten gibt, auch Steuerrückstellungen könnten notwendig werden.
Die Gemeinde komme jedoch so oder so weit über die gesetzlich vorgeschriebene Liquiditätsreserve von 273 000 Euro. „Es wurden vergangenes Jahr 900 000 Euro ohne Kredite investiert. Die Gemeinde hat stark entschuldet“, erläuterte der Finanzexperte. Politisch äußern wolle er sich zur Frage nach der Grundsteuersenkung nicht. Krauß rief aber die Zeit in Erinnerung, als Lautertal kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. „Aus dieser Zeit ist die Gemeinde stabil raus“, sagte er. Auch Krauß verwies aber auf das 17 Millionen Euro schwere Investitionsprogramm.
Die Senkung der Grundsteuer, so die Gemeindevertretung sie annimmt, wäre an Bedingungen geknüpft. Der Haushalt sei unter der Annahme einer Senkung auf 950 Punkte aufgestellt und vom Gemeindevorstand so mitgetragen worden, sagte Bürgermeister Andreas Heun. Die Absenkung um weitere 100 Punkte bedeute eine Deckungslücke von etwa 200 000 Euro. Deshalb enthält der CDU-Antrag auch die Vorgabe, dass die Koalition noch vor der endgültigen Beschlussfassung am 17. Februar Vorschläge zur Finanzierung macht.
Bei einer Senkung auf 850 Punkte hätte Lautertal nicht mehr den höchsten Grundsteuersatz im Kreis Bergstraße, läge aber noch weit über dem Durchschnitt. Die Abgabe war 2018 auf den Rekordwert erhöht worden, als im Haushalt nach Fehlbuchungen Lücken in sechsstelliger Höhe aufgetaucht waren. Seitdem hat sich die Finanzlage in der Kommune stark verbessert. Die Einwohner sollten nun wieder ein Stück weit entlastet werden, lautet der Tenor.
Der Vorschlag der LBL und der CDU fand bei den anderen Fraktionen große Zustimmung, die Beschlüsse dazu waren einstimmig. Nicht zum tragen kommt der ursprüngliche Vorschlag der CDU, die Steuer zunächst bis zur Jahresmitte zu belassen wie sie ist und erst dann auf 850 Punkte zu senken. Dies sei jedoch rechtlich nicht möglich, sagte Berater Krauß. Die Grundsteuer müsse auf das Jahr bezogen erhoben werden. Möglich sei nur, sie bis zum 30. Juni rückwirkend auf den 1. Januar zu ändern.
Noch keine Empfehlung für die Abstimmung über den Haushalt
Seine eigentliche Vorgabe für die jüngste Sitzung hat der Lautertaler Finanzausschuss nicht erfüllt. Eigentlich sollte er eine Empfehlung zur Abstimmung über den Haushalt für 2022 in der Lautertaler Gemeindevertretung erarbeiten. Dafür reichte die Beratungszeit von über drei Stunden aber nicht aus.
Die Gründe dafür waren vielfältig. Neben der Debatte um die Grundsteuer prägte auch die Frage nach der Gewerbesteuer das Treffen im Reichenbacher Rathaus. Auf den Vorschlag des Gemeindevorstands hin soll sie von 390 auf 400 Punkte erhöht werden. Besonders CDU-Vorsitzender Carsten Stephan sieht das kritisch, er befürchtet Belastungen für die Gewerbetreibenden. Bürgermeister Andreas Heun hingegen sieht kein Risiko von Abwanderungen. Außerdem empfehle auch der hessische Rechnungshof diese leichte Erhöhung.
Der Bürgermeister beanspruchte viel Redezeit, um darzulegen, dass sich Lautertal zwar in einer Krise befinde, damit aber nicht alleine dastehe. Landauf landab herrsche eine kommunale Krise. „Ein Schuldenproblem hat Lautertal jedenfalls nicht“, betonte der Rathauschef. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung sei die Kommune Ende 2020 mit 1159,72 Euro unter dem Hessenschnitt gewesen (1275 Euro). Im Plan für 2022 würde Lautertals Verschuldung bei möglichen Investitionskrediten von 4 Millionen Euro bei 1720 Euro liegen – und damit noch weit unter den Werten, die in vergleichbaren Kommunen Ende 2020 notiert wurden.
Reibereien zwischen den Sitzungsteilnehmern machten sich ebenfalls auf der Uhr bemerkbar. Die Fraktionen warfen sich gegenseitig Angriffe in Pressemitteilungen und Gemeindevertretersitzungen vor. Die Frage, wer angefangen hat mit dem schlechten Umgang, wurde bisweilen bis in die Jahre der Windkraftdebatte zurückverfolgt. Gegen Ende zeigte sich jedoch eine gewisse Einigkeit, als es um de Grundsteuer ging.
Ausschussvorsitzender Günter Haas (LBL) wird nun für Donnerstag, 10. Februar, zu einer weiteren Sitzung einladen. kbw
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