Lautertal. Das Aktionsbündnis Lautertaler Wald hatte vor Kurzem die erneuten Baumfällungen im Naturschutzgebiet Felsberg im Lautertaler Gemeindewald heftig kritisiert (wir haben berichtet). Nun äußert sich Steffen Hering, Leiter des Forstamts Lampertheim, zu den Vorwürfen.
Das Aktionsbündnis hatte unter anderem angemahnt, dass sowohl abgestorbene und auch augenscheinlich gesunde Fichten nicht nur entlang der Wege, sondern auch abseits der Wege gefällt worden seien. „Es ist richtig, dass an drei Örtlichkeiten im Nordosten des Naturschutzgebiets ,Felsberg bei Reichenbach’ Käferfichten entfernt wurden. Insgesamt wurden 96 Bäume mit rund 300 Festmetern gefällt“, erläutert Steffen Hering.
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Das Forstamt Lampertheim setze damit das mit der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt abgestimmte Waldschutzkonzept des Landesbetriebs Hessen-Forst um. „Die Hälfte der entnommenen Bäume stellten noch eine Gefahr für umliegende Fichtenbestände dar. In diesen Bäumen haben sich im letzten Jahr Borkenkäfer eingebohrt, um dort zu überwintern. Diese sogenannten ,Stammüberwinterer’ fliegen im Frühjahr bei Temperaturen ab circa 15 Grad Celsius aus und befallen dann umliegende Fichten“, so Hering.
Nutzung statt Verrottung
Um weitere Waldschäden zu vermeiden, sei es unbedingt notwendig, diese Bäume inklusive der unter der Borke eingebohrten Käfer zu entnehmen. Um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im dem Naturschutz- und FFH-Gebiet zu vermeiden, müssen zudem das geerntete Holz zügig aus dem Wald abgefahren werden. Dies diene auch dem Schutz des nahen und in Flugreichweite der Käfer liegenden Privatwaldes.
„Bei der verbleibenden Hälfte der entnommenen Bäume handelt es sich um bereits abgestorbene Fichten, die aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Waldbrandprävention geerntet wurden. Nicht zuletzt sollen die ohnehin abgestorbenen Bäume einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden und den wertvollen und klimafreundlichen Rohstoff Holz liefern, anstatt den im Holz gebundenen Kohlenstoff durch Verrottung wieder in die Atmosphäre zu entlassen. Aufgrund des Förderprogramms ,Klimaangepasstes Waldmanagement’ verbleiben rund zehn Prozent der Derbholzmasse aus diesem Holz im Wald als Totholz“, erklärt Hering.
Gemeinde Lautertal sei dazu verpflichtet, den Wald zu schützen
Gemäß des Hessischen Waldgesetzes sei die Gemeinde Lautertal als Waldbesitzerin dazu verpflichtet, zu handeln und den Wald angemessen gegen eine Schädigung durch tierische und pflanzliche Schädlinge, Naturereignisse und Feuer zu schützen, heißt es in der Pressemitteilung von Hessen-Forst weiter. „Mit den Waldschutzmaßnahmen im Gemeindewald ist Hessen-Forst als Dienstleister dieser rechtlichen Verpflichtung nachgekommen. Ob die Holzerntemaßnahmen direkt am Weg oder im Bestand stattgefunden haben, ist in diesem Fall unerheblich, da es sich um Waldschutz- und nicht um Verkehrssicherungsmaßnahmen genhandelt hat“, betont Hering.
Das Aktionsbündnis hatte zudem befürchtet, dass der Boden am Steilhang in Südostausrichtung nun stark erosionsgefährdet und aufgrund der Kahlfläche mit schwerwiegenden Konsequenzen wie Austrocknung und Trockenschäden an den verbleibenden Bäumen zu rechnen sei.
Tote Fichte schützt Buche nicht
„Die Experten des Forstamtes sehen an dem betroffenen Standort keine besondere Erosionsgefahr. Es ist davon auszugehen, dass sich auf dem Standort zügig krautige Pflanzen und Naturverjüngung einfinden werden, die einer Erosion entgegenwirken“, sagt Hering, räumt jedoch ein: „Es ist nicht auszuschließen, dass einzelne benachbarte Bäume infolge der plötzlichen Freistellung Schaden nehmen. Dies betrifft insbesondere Buchen, die jahrelang im Dichtschluss standen und nun disponiert für Sonnenbrand sind. Diese Schäden wären jedoch auch zu erwarten, wenn die Fichten als stehendes Totholz auf der Fläche verblieben wären. Durch den Nadelverlust könnten die toten Stämme umliegende Bäume nicht vor einstrahlendem Sonnenlicht schützen.“
Laut dem Aktionsbündnis müsse das zuständige Forstamt vor einem solchen Eingriff eine Vorprüfung erstellen, um eine Verschlechterung des Schutzgebiets auszuschließen. Die Mitglieder forderten deshalb, Einsicht in die FFH-Vorprüfung zu erhalten.
Durch Entnahme der Fichten sei mit Erhöhung des Buchenanteils zu rechnen
„Es ist keine FFH-Vorprüfung vor einer Holzerntemaßnahme zu erstellen“, stellt Hering klar. Das hessische Umweltministerium habe mit Erlass vom 25. August 2023 geregelt, dass bei der Waldbewirtschaftung in Natura-2000-Gebieten im Einzelfall Erheblichkeitsabschätzungen durch Waldbesitzer durchzuführen seien. „Die Bewertung, ob die geplanten Maßnahmen ein Natura-2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen können und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen, liegt somit in der Eigenverantwortung der Waldbesitzenden beziehungsweise ihrer betreuenden Dienstleister wie Hessen-Forst“, so Hering. Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz und Forst (LANA-FCK-Kontaktgruppe) habe für diesen Vorsorgeprozess eine Checkliste entwickelt. „Ergibt sich aufgrund des Vorsorgeprozesses, dass geplante Maßnahmen eindeutig als unkritisch zu bewerten sind, können Waldbesitzer diese durchführen“, erklärt Hering.
Das Forstamt Lampertheim habe vor Beginn der Maßnahme im Dezember 2023 eine Erheblichkeitsabschätzung gemäß dieser Checkliste durchgeführt. „Im Ergebnis wurde die Fällung der Käferfichten eindeutig nicht als erhebliche Einschränkung der Lebensraumtypen durch Flächenverlust oder Verschlechterung der Strukturen der Lebensraumtypen bewertet. Die zuständigen Forstleute gehen sogar davon aus, dass durch die Entnahme der Fichten mit einer Erhöhung des Buchenanteils zu rechnen ist“, schreibt der Forstamtsleiter weiter. Dies wäre ganz im Sinne der Naturschutzgebietsverordnung und des Bewirtschaftungsplans des FFH-Gebiets.
Keine Beteiligung wegen Haftung
„Eine vorhergehende Beteiligung des Aktionsbündnis Lautertaler Wald ist nicht vereinbart und auch nicht vorgesehen“, erklärt Hering. Grund hierfür sei, dass für das Unterlassen notwendiger Waldschutzmaßnahmen nur die waldbesitzende Gemeinde und Hessen-Forst als Dienstleister und nicht das Aktionsbündnis haftbar gemacht werden könne.
Für die Naturschützer war außerdem nicht nachvollziehbar, warum Baumfällungen im FFH-Gebiet Felsberg erfolgen, obwohl diese Region potenziell für eine baldige Naturwaldausweisung infrage käme. Einen entsprechenden Vorschlag habe Steffen Hering in der Sitzung des Bau-, Umwelt- und Infrastrukturausschusses am 6. Februar der Gemeinde Lautertal vorgebracht, schrieb das Aktionsbündnis. Unverständlich sei ebenso, warum die Mitarbeiter des Forstamts gegen diesen Vorschlag handelten.
Aktuelle Fällmaßnahmen stünden im Widerspruch zum Beschluss der Gemeindevertretung
Hierbei scheint jedoch ein Missverständnis vorzuliegen, denn Steffen Hering erklärt nun vielmehr: „Stilllegungen in einem Schutzgebiet sollten immer auch den Schutzzweck, in diesem Fall ,naturnahe Buchenwälder’, fördern. Die Ausweisung eines Fichtenbestands als Naturwaldentwicklungsfläche würde dieses Schutzziel nicht fördern und der Verpflichtung der Waldeigentümerin zum Waldschutz entgegenstehen.“
Die Mitarbeiter des Forstamts hätten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und des forstlichen Betreuungsauftrags durch die Gemeinde gehandelt. „Es wurden keine Handlungen vorgenommen, die meinem Vorschlag, Naturwälder als Kompensationsmaßnahmen im Schutzgebiet auszuweisen, entgegenstehen“, unterstreicht Hering.
Das Aktionsbündnis hatte des Weiteren angemerkt, dass laut einem Beschluss der Gemeindevertretung vom Herbst 2023 zeitnah Konzepte entwickelt werden sollen, wie die Lautertaler FFH-Gebiete zukünftig effektiver geschützt werden können. Die aktuellen Fällmaßnahmen stünden jedoch im Widerspruch zu diesem Beschluss.
„Das Forstamt ist im Gespräch mit der Gemeinde, um konkrete, flächenscharfe Vorschläge für Waldstilllegungen als Kompensationsmaßnahmen zu entwickeln“, entgegnete der Forstamtsleiter.
Auch zur Kritik des Aktionsbündnisses, dass für die Fällungen aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht keine juristische Notwendigkeit bestanden habe, äußerte sich Steffen Hering: „Der Grund der Holzerntemaßnahmen war nicht die Verkehrssicherung. Die Fällungen dienten dem Waldschutz. Die juristische Notwendigkeit zum Waldschutz ist in Paragraph 8 des Hessischen Waldgesetzes begründet.“ red
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