Lautertal. Bei den Kommunalwahlen im März 1972 errang die frisch formierte CDU Lautertal 9,2 Prozent und damit zwei Sitze in der 19-köpfigen Gemeindevertretung. Erst knapp zwei Monate zuvor hatte sich der Ortsverband im Gasthaus Zur Traube gegründet. Damals waren die Christdemokraten ein parteipolitischer Exot inmitten einer tiefroten Hochburg. Doch eine starke SPD habe die Opposition auf ihrem Kurs nach oben auch fest im Innern zusammengeschweißt, so Landrat a.D. Matthias Wilkes, der den Weg acht Jahre lang als Vorsitzender begleitet hat.
Im vergangenen Jahr wurden die Christdemokraten nach einer überaus dynamischen und wechselvollen Geschichte erstmals zur stärksten Fraktion in der Gemeindevertretung. Die Kooperation aus LBL und CDU dauert an. Und die Parteispitze ist zuversichtlich, dass es weiter aufwärts gehen wird: Im nächsten Jahr will der stellvertretende Kreisvorsitzende Christian Lannert aus Bensheim Bürgermeister werden, wie der 38-Jährige passenderweise im Reichenbacher Rathaus verkündete – dem Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Lautertaler CDU. Als stärkste Kraft habe man einen klaren Anspruch auf dieses Amt, sagte Lannert.
Promovierter Historiker
Im Rahmen des Jubiläums wurden Karl Kauer (Elmshausen) für 50-jährige und Kurt Rettig für 25-jährige Mitgliedschaft geehrt. Birgit Heitland überreichte die Urkunden und Ehrennadeln. Hans Seyfert (50 Jahre) und Heiner Neuschild (25) waren nicht anwesend.
Bürgermeisterkandidat Christian Lannert ist seit März stellvertretender Vorsitzender der Kreis-CDU. Der promovierte Historiker ist in Fürth aufgewachsen und lebt mit seiner Frau in Bensheim-Schönberg. „Hier sind meine Wurzeln“, sagte er in seiner Vorstellungsrede. Lannert ist Lehrer am Beruflichen Schulzentrum Karl-Kübel-Schule in Bensheim und Dozent für Berufspädagogik und Berufsbildungsforschung an der TU Darmstadt. Die Wahl findet am 4. Juni statt. Amtsinhaber Andreas Heun hat signalisiert, dass er sich eine weitere Wahlzeit vorstellen kann. Heun ist seit 2017 im Amt. tr
Doch bevor der Blick am Ende der zweistündigen Feier in die Zukunft ging, beleuchteten die Redner zunächst die kontrastreiche Vergangenheit des Ortsverbands, der sich im Kontext der Gebietsreform – der 50. Geburtstag der Gemeinde wird dieses Jahr gefeiert – mit einer eigenen Liste aktiv in die Kommunalpolitik im Tälchen eingeklinkt hat. Zwar gab es bereits nach dem Krieg in den 40er Jahren schon Unions-Kandidaten auf Bürgerlisten und in so manchem Dorfparlament, doch erst ab 1972 mischte die Partei auf Gemeindeebene mit. Wenn auch in massiver Unterzahl, wie Gründungsmitglied Erich Sauer in seiner Festrede betonte. „Als ich vor 50 Jahren bei der Gründungsversammlung zum Schriftführer gewählt wurde, hätte ich das nicht geahnt“, sagte er vor zahlreichen Gästen im Sitzungssaal. Darunter auch Vertreter von SPD, LBL und von den Grünen.
Ein „echtes Angebot“
1977 fuhr die CDU mit 25,7 Prozent bereits ein respektables Ergebnis ein, so Sauer. Doch klebte man weiterhin an der Oppositionsbank, was sich erst vier Jahre später ändern sollte: Gemeinsam mit der Freien Wählergemeinschaft Lautertal (FWGL) holte sich die CDU gegen die SPD die Mehrheit in der Gemeindevertretung, zudem hatten jetzt drei Ortsvorsteher (Beedenkirchen, Elmshausen und Reichenbach) ein schwarzes Parteibuch. Mit Gottfried Beyß wurde ein Mann aus den eigenen Reihen Verwaltungschef, doch aufgrund zwei verlorenen Kommunalwahlen 1985 und 1989 musste er gegen eine SPD-Dominanz im Parlament regieren.
1993 drehten sich die Machtverhältnisse dann erneut, so Erich Sauer. CDU und FWGL übernahmen wieder das Zepter, der 34-jährige Matthias Wilkes wurde Vorsitzender der Gemeindevertretung. In Reichenbach wurde Margarete Sauer die erste Frau an der Spitze eines Ortsbeirats. Ab 1995 saß Jürgen Kaltwasser 21 Jahre lang im Chefsessel des Rathauses. Nicht zuletzt die Debatte um die Windkraftanlagen im Haurod hatte dazu geführt, dass die Wähler deren Befürworter SPD und Grüne Liste (GLL) das Vertrauen entzogen, so Erich Sauer. Die Folge: bei den Kommunalwahlen 2016 sicherte sich die damals neue Lautertaler Bürgerliste (LBL) auf Anhieb ein Drittel der Wählerstimmen. Seither arbeiten CDU- und LBL-Fraktion im Gemeindeparlament zusammen.
„Jedes Mitglied hat seine eigene Geschichte in der CDU“, sagte der Vorsitzende Carsten Stephan, der unter den Ehrengästen auch die Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Birgit Heitland begrüßte. Die Zwingenbergerin bezeichnete die Union als feste Größe in der Kommunalpolitik. Es brauche starke Stadt- und Gemeindeverbände wie in Lautertal, um auch auf höherer Ebene stabile politische Positionen einzunehmen. Mit Christian Lannert könne die CDU den Bürgern in Lautertal ein „echtes Angebot“ machen, so Heitland, die sich generell mehr Köpfe aus der Union wünscht, die sich auf dem Weg ins Rathaus machen.
Gäste aus anderen Parteien
Der Bundestagsabgeordnete Michael Meister dankte allen, die vor 50 Jahren mutig Flagge gezeigt und sich in einer klassischen SPD-Kommune für die CDU engagiert hatten. „Die Politik in Lautertal birgt schon immer Risiken und Nebenwirkungen“, so Meister in Reichenbach. In der Gemeinde habe man beispielhaft erlebt, dass Demokratie nicht nur die Existenz eines Rathauses mit einem Bürgermeister bedeute, sondern vor allem auch von einer starken und kritischen Opposition getragen werde.
Wie auch Birgit Heitland stellte Meister der aktuellen Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis aus. Die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft würden aufs Spiel gesetzt, der dadurch über Jahrzehnte errungene Wohlstand der Menschen sei somit ernsthaft gefährdet.
Matthias Wilkes lenkte das Augenmerk wieder auf den eigentlichen Jubilar. Die Lautertaler CDU habe die Gemeinde nicht nur wirtschaftlich und bildungspolitisch sowie in punkto Lebensqualität gefestigt, sondern auch durch eine konstruktive und zielorientierte Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg stetig weiterentwickelt. Die Anwesenheit von Helmut Lechner (SPD), Heidi Adam (ehemals Freie Wähler) und Frank Maus von den Grünen sei kein Zufall, sondern ein Zeichen für die gute Kooperation zum Wohle der Gemeinde.
Maus überreichte der CDU eine junge heimische Rotbuche, die man gemeinsam einpflanzen und damit ein Zeichen für eine zukunftsorientierte Kommunalpolitik setzen wolle. Auch Maus plädierte für ein sachliches politisches Miteinander trotz unterschiedlicher Parteibrillen, um Lautertal weiter voranzubringen.
Die Grüße aus dem Rathaus brachte mit Karl Josef Kuhn ironischerweise der stellvertretende Lautertaler CDU-Vorsitzende mit, da Bürgermeister Andreas Heun und der Erste Beigeordnete Friedrich Mink eine Teilnahme absagen mussten. Als Vorsitzender der Gemeindevertretung gratulierte Helmut Adam zum runden Geburtstag. Für die Musik sorgte Michael Schaab an der Gitarre, der unter anderem auch das „Odenwaldlied“ anstimmte.
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