Umwelt

Schweinepest führt in Heppenheim zu Waschbären-Boom

Die Tiere richten in Heppenheim und seinen Stadtteilen vermehrt Schaden an. Sie sind Allesfresser und dürfen derzeit nicht bejagt werden.

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dj/ü
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Mehr Waschbären wegen Schweinepest? Eberhard Ulmen, Jagdaufseher des Kirschhäuser Reviers II, zeigt ein Tier und auch das Gebiss eines Waschbären. © Dagmar Jährling

Heppenheim/Kirschhausen. In den letzten Wochen häufen sich Meldungen von Waschbärsichtungen in Heppenheim, Kirschhausen und Sonderbach. Die einen beobachten sie per Wildkamera, wenn sich die nachtaktiven Tiere am Futter des Vogelhäuschens bedienen und finden die mit ihren schwarzen Knopfaugen und ihrer schwarzen Gesichtsmaske niedlich aussehenden Tiere total süß.

Doch diejenigen Heppenheimer, die sie schon einmal unter dem Dach hatten, sind ganz und gar nicht begeistert. Sie heben Dachziegeln hoch und richten einigen Schaden an. Erst recht nicht begeistert sind sie, wenn Waschbären die aufgehängten Nistkästen herunterreißen und den Vogelnachwuchs fressen. Die Schildkröten einer Heppenheimerin wurden vor kurzem im Freigehege gefressen. Die geschickten Kletterer stiegen ein und bissen den Schildkröten Köpfe und Beine ab.

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„Eine Schildkröte in Freiheit würde den Kopf und die Beine einziehen, eine Schildkröte in Gefangenschaft ist es jedoch gewohnt, gestreichelt zu werden und deshalb für die Waschbären leichte Beute“, sagt Eberhard Ulmen, Jagdaufseher der Unteren Jagdbehörde für das Revier Kirschhausen. Den ersten Waschbär im Revier Kirschhausen hatte Ulmen im Jahr 2010 erlegt. Im letzten Jahr beteiligte sich der Jagdbezirk Kirschhausen an dem Verbundprojekt ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) der Goethe-Universität in Frankfurt.

Der Frankfurter Parasitologe und Infektionsbiologe Prof. Dr. Sven Klimpel zeigte gemeinsam mit Forschenden vom Senckenberg-Biodiversität- und Klima-Forschungszentrum und der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des Projektes in einer aktuellen wissenschaftlichen Studie, dass Waschbären in Deutschland Amphibien und Reptilien als Nahrungsquelle nutzen. Die invasiven Raubtiere stellten dadurch eine Bedrohung für die heimische Fauna dar.

Die Forschenden analysierten den Kot, die Mageninhalte und die Parasitenfauna von insgesamt 108 Waschbären aus Naturschutzgebieten in Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Sie resümieren, dass die invasive Spezies heimische Ökosysteme beeinflusst und auch geschützte Arten zunehmend gefährdet.

Waschbären haben bedrohte Arten auf dem Speiseplan

Aufgrund der Teilnahme an dem Projekt war Ulmen berechtigt, den Waschbären ganzjährig zu bejagen. Eine Schonzeit wie sonst üblich musste nicht eingehalten werden. Weil das Aufstellen von Totschlagfallen nicht möglich ist (es könnte der geschützte Baummarder hineingelangen), habe der Jagdaufseher Lebendfallen genutzt und den 13 gefangenen Waschbären danach in den Kopf geschossen. Die getöteten Tiere fror er ein. Sie wurden im Rhythmus von drei Wochen bei ihm abgeholt und nach Frankfurt gebracht.

Der Allesfresser

  • Die einst aus Nordamerika stammenden Waschbären wurden in Deutschland wegen ihres Felles um 1930 gezüchtet und dann ausgewildert.
  • Sie gelten als Allesfresser. Über 70 Prozent der Tiere sind mit dem Waschbärspulwurm infiziert. Sie sind auch Überträger von Salmonellen.
  • Nach dem Zoologen Frank-Uwe Mischler müssten pro Jahr etwa 300 000 Waschbären der Natur „entnommen“ werden, um ihre Anzahl nicht zu vergrößern. dj/ü

Es habe sich herausgestellt, dass die Neozoen nicht nur Kohlmeisen und weitere heimische Vögel fressen, sondern sich auch auf die vom Aussterben bedrohten Wechselkröten und Gelbbauchunken spezialisiert haben. Von den Gelbbauchunken soll es deutschlandweit nur noch um die 600 Exemplare geben.

„Manchmal kommt man an einen Tümpel und meint, darin schwimme eine Kröte. Dabei wurde sie vom Waschbär ausgehöhlt“, sagt Ulmen. Sie schlitzen die Kröten aufgrund ihrer Giftdrüsen auf und fräsen das Innere heraus. Damit gefährdeten die Prädatoren nicht nur die schützenswerten Kröten, diese fehlten dann auch in der Nahrungskette beispielsweise von Störchen und Schlingnattern.

Sorge bereitet dem Jagdaufseher, dass die Tiere in diesem Jahr außerhalb der jetzt zu Ende gegangenen Schonzeit aufgrund der Afrikanischen Schweinepest nicht bejagt werden dürfen. Es herrscht Jagdruhe. Immer wieder bekomme er von genervten Mitbürgern Anrufe, er solle sich um einen Waschbär in ihrem Haus kümmern. Doch das geht schon aufgrund der Jagdruhe nicht. „Wir dürfen außerdem in befriedeten Bezirken sowieso nicht auf die Jagd gehen“, sagte Ulmen.

Eine Nachfrage zur Häufung von Meldungen über Waschbären bei der Unteren Jagdbehörde des Kreises Bergstraße ergab kein erhöhtes Aufkommen von mehr Exemplaren. „Eine verstärkte Waschbärenpopulation im Bereich Heppenheimer Ortsteile ist uns nicht bekannt. Einzelanfragen gab es indes bereits. Grundsätzlich zählen Waschbären zum jagdbaren Wild. Dies würde außerhalb von Wohngebieten dem Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten unterliegen. Da die Jagd allerdings aktuell aufgrund der Afrikanischen Schweinepest ruht, dürfen auch die Waschbären derzeit nicht bejagt werden“, sagt Matthias Schimpf als zuständiger Dezernent.

Er weist darauf hin, dass innerhalb von Wohngebieten das kleine Jagdrecht beim Eigentümer liege, der mit der Falle aber nur jagen dürfe, wenn er selbst einen Fallenlehrgang absolviert habe. Auch den Elterntierschutz müsse der Eigentümer innerhalb von Wohngebieten dann beispielsweise beachten. Einfach einfangen und aussetzen dürfe er die Tiere nicht. Möglich sei es, einen örtlichen Jäger zu beauftragen, der einen Fallenlehrgang absolviert habe. Dieser dürfe das Tier fangen und erlegen. Dem widerspricht Ulmen: „Bei einem Wohngebiet handelt es sich um einen befriedeten Bezirk.“

Meldungen über Waschbären, die in Fischweiher die gelben Säcke aufrissen, gab es schon vor mehr als zehn Jahren. Auch am Schlossberg und in der Weststadt waren sie damals schon heimisch. Der erste Waschbär in Heppenheim wurde von Willi Schwab im Jahr 1976 geschossen. dj/ü

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