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Klaus Bitsch hält den SV Mittershausen am Leben

Der 66-Jährige bestritt 1976 sein erstes Spiel für die Fußballer und ist immer noch aktiv. Außerdem machte er sich einen Namen als Vorsitzender, Platzwart und bis vor Kurzem Trainer.

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pkl/fran/ü
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Der von wildem Grün überwucherte Sportplatz des SV Mittershausen-Scheuerberg sucht Seinesgleichen in der Umgebung. © Sascha Lotz

Mittershausen. 0:19, 0:13, 1:8, 0:10, 0:24. Was sich liest wie eine Telefonnummer, sind in Wahrheit die jüngsten Ergebnisse des Fußball-D-Ligisten SV Mittershausen-Scheuerberg. Seit mehreren Jahren kämpft der Verein aus dem Heppenheimer Doppelstadtteil mit einer beispiellosen Negativserie, die ihn regelmäßig auf den letzten Tabellenplatz der untersten Spielklasse führt. In der noch jungen Saison 2024/25 hat der SVM nach neun Spielen bereits ein Torverhältnis von 1:132 zu verzeichnen – und null Punkte. Im Stadtderby gegen die Starkenburgia-Reserve konnte der Verein keine Mannschaft stellen, weshalb die drei Punkte kampflos abgegeben wurden. Traurig, aber wahr: Das 0:3 am Grünen Tisch war die knappste Niederlage der bisherigen Spielzeit. Wie es weitergeht, ist nur bedingt abzusehen.

Zumindest die Vorrunde anständig beenden, lautet das kurzfristige Ziel des Vereins. „Wir dürfen uns keine zweistelligen Klatschen mehr erlauben, weil unsere Spieler sonst die Motivation verlieren könnten“, sagt Klaus Bitsch – Vorsitzender, Vereinsikone, Platzwart, Spieler und Stand-by-Trainer in Personalunion. „Sollte das nicht gelingen, sind wir uns auch nicht zu schade, die Mannschaft wieder abzumelden und die restliche Saison nur noch zu trainieren – vielleicht mit ein paar Testspielen zwischendurch.“

Der SV Mittershausen-Scheuerberg

  • Gegründet wurde der SV Mittershausen-Scheuerberg im Jahr 1968, im ersten Spiel der Vereinsgeschichte duellierten sich noch die beiden Orte Mittershausen und Scheuerberg untereinander (Endstand: 1:7). Im Folgejahr bestritt der neue Zusammenschluss dann seine erste Runde.
  • Seine sportlich erfolgreichste Saison erlebte der Verein in den Jahren 2006 und 2007. In einer legendären Meisterschaftssaison stieg Mittershausen im letzten Rundenspiel auf (in die C-Liga) – zum ersten und bislang einzigen Mal.
  • Durch zahlreiche Abgänge blieb im Folgejahr der Erfolg aus. Der SV Mittershausen/Scheuerberg stieg direkt wieder ab.
  • Außerhalb des sportlichen Betriebs war der Verein gerade in den 2000ern für seine Festlichkeiten bekannt. Zehn Jahre lang veranstaltete die „Kutsch“ aus Lindenfels jährlich ein zweitägiges Open-Air auf dem Gelände des Mittershäuser Sportplatzes. „Über 1000 Besucher waren in der Regel da“, schwärmt Klaus Bitsch. „Wir mussten extra Wiesenfläche anmieten, damit wir genügend Parkplätze hatten.“ red

Als Hauptgrund für die scheinbar endlose Durststrecke nennt er die anhaltenden Personalsorgen. „Wir haben eigentlich knapp 20 Mann im Kader“, sagt Bitsch. Ein paar davon wurden nach längerer Pause reaktiviert, andere seien komplette Neulinge. „Bei einigen ist fußballerisch noch viel Luft nach oben. Ihnen würde es guttun, erst mal ein bisschen zu trainieren.“ Zudem haben die Gelb-Schwarzen vier langzeitverletzte Stammspieler.

Es gibt aber einen Lichtblick: Seit zwei Wochen hat das Team vom Igelsbacher Weg einen neuen Trainer. Steffen Brauch spielte in der Jugend in Heppenheim, ist aber noch ein unbeschriebenes Blatt im Trainerkosmos. Der neue Coach soll frischen Wind in die Mannschaft bringen und löst die Allzweckwaffe Bitsch zumindest auf diesem Posten ab.

Seit 1976 schnürt der 66-jährige Bitsch die Fußballstiefel im Seniorenbereich – ausschließlich für den SV Mittershausen-Scheuerberg. Der Bundeskanzler hieß damals Helmut Schmidt (SPD), das Internet wurde erst 17 Jahre später für jedermann zugänglich, bis zur Präsentation des ersten iPhones dauerte es noch 31 Jahre. Das heutige SVM-Urgestein kehrte damals im zarten Alter von 17 Jahren von den Sportfreunden aus der Kernstadt zurück zu seinem Heimatclub. „Man hat mich damals für die erste Mannschaft als Stürmer geholt“, erzählt er. „Vorher habe ich immer mal wieder hier mittrainiert und – wenn Not am Mann war – bei den Spielen ausgeholfen. Ohne gültigen Spielerpass eben.“

Schätzungsweise 1300 Spiele bestritt Bitsch seitdem für „seinen“ Sportverein. Auch in der laufenden Saison stand er in jedem Spiel über die vollen 90 Minuten auf dem Platz. „Ich will wirklich nicht mehr spielen“, sagt er. „Mein Plan war es eigentlich, mit 50 Jahren aufzuhören. Mittlerweile bin ich 66 und habe gefühlt zehn Abschiedsspiele gehabt.“ Das letzte übrigens 2018 gegen die Reserve des Lokalrivalen SV Kirschhausen. Bevor aber sonntags nur zehn Spieler auf dem Platz stehen, erbarmt sich der Allrounder für seinen Herzensclub.

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Neben seiner Spielertätigkeit engagiert sich Bitsch auf vielfältigste Weise im Verein. Und er war es auch, der 2021 nach einer kurzen Auszeit im geschäftsführenden Vorstand die Zügel wieder in die Hand nahm, als die Mitglieder eigentlich über die Auflösung des Vereins abstimmen sollten. Die Corona-Pandemie hatte das Vereinsleben zum Erliegen gebracht – obwohl der SVM in den Jahren zuvor bei der Integration geflüchteter Menschen noch eine Vorreiterrolle übernommen hatte. „Viel zu wichtig ist der SV Mittershausen-Scheuerberg für den Heppenheimer Doppelstadtteil“, ließ Bitsch damals verlauten. Und diese Meinung hat er nach wie vor.

Die Frage, wie er in seinem Alter noch so fit sein kann, beantwortet Bitsch mit seinen „offenbar guten Genen“ und dem regelmäßigen Training auf dem Platz sowie bei sich zu Hause in der kleinen Hobby-Brauerei. Auch wenn ein Legendenspiel im Umkreis ansteht, lässt sich der Mittershäuser nicht zweimal bitten. Häufig ist er dabei der einzige Aktive – und dennoch einer der ältesten Akteure auf dem Feld.

Legendärer Hartplatz, weil das Wasser nicht für Rasen reicht

Apropos Platz: Auch in Sachen Infrastruktur hinkt der SV Mittershausen der Konkurrenz gefühlte Lichtjahre hinterher. Nach wie vor spielen Bitsch und Co. nämlich auf einem Tennenplatz, dem letzten seiner Art im gesamten Umkreis, der aktiv bespielt wird. Als solcher ist das Geläuf am Igelsbacher Weg seit Jahren kaum mehr zu erkennen. Mit bissiger Ironie hat schon so mancher Besucher konstatiert: „Warum sollte hier noch Geld für einen neuen Rasenplatz ausgegeben werden? Ein schönerer Naturrasen ist wohl nirgendwo anders zu finden.“

Gleichwohl gab es immer wieder Pläne für die Errichtung eines Naturrasens, verwirklicht wurden sie bislang aber noch nicht. Ein städtischer Zuschuss von 160 000 Euro wurde bereits vor einigen Jahren gewährt, der Verein selbst war bisher aber nicht in der Lage, den zur Realisierung erforderlichen Eigenanteil zu stemmen. Gerade in Zeiten, als der Spielbetrieb ruhte, machten sogar Gedankenspiele die Runde, das Gelände anderweitig zu nutzen. Beispielsweise als Hundeschule oder als Ausflugslokalität. Derartige Ideen wurden nach Bitschs Übernahme vor drei Jahren und der Wiederaufnahme des Spielbetriebs wieder begraben.

Und da die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, befasst man sich im Vorstand weiterhin mit der Errichtung eines Naturrasenplatzes. Priorität von Seiten der Stadt genieße jedoch die grundlegende Sanierung des Funktionsgebäudes, die nach Angaben der Ersten Stadträtin und Baudezernentin, Christine Bender (SPD), 2025 in Angriff genommen werden soll.

Die Errichtung eines Naturrasenplatzes dürfte sich nach Auffassung der Stellvertreterin von Heppenheims Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) hingegen deutlich schwieriger gestalten. Mittershausen und Scheuerberg beziehen ihr Wasser nämlich aus einer ortseigenen Quelle. „Uns stehen eigentlich nicht die nötigen Wassermengen zur Verfügung, um dort einen Naturrasenplatz zu unterhalten“, sagt sie. Und auch Bitsch weiß um die Problematik: „In einem trockenen Sommer könnte es passieren, dass das ganze Dorf kein Wasser mehr hat, wenn der Platz bewässert werden soll.“

Aufgegeben werden soll der große Traum vom Verein und seines nimmermüden Vorsitzenden zwar nicht, doch befindet sich der SV Mittershausen-Scheuerberg in einem regelrechten Teufelskreis. In nahezu jeder Hinsicht. pkl/fran/ü

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