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Stehen die Gassensensationen vor dem Aus?

Der Macher und künstlerische Leiter Stephan Behr beklagt, dass es beim Budget seit Jahren keine Entwicklung gibt

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mbl/ü
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Txema Munoz als „The Postman“ testete Zwerchfell und Konzentration bei den diesjährigen Heppenheimer Gassensensationen auf dem Amtshof. © Marius Blume

Heppenheim. Die zurzeit in Heppenheim laufende Runde der politischen Gremien-Sitzungen ist die letzte, ehe der kommunale Haushalt in den Fokus rückt. Mit einhergehen die einen oder anderen Begehrlichkeiten – und Befürchtungen. Gerade in der Kultur sind Geldgeber entscheidend, um weiterwirken zu können. Die Gassensensationen, ein sogar internationales Straßentheater-Festival, das mindestens in Südhessen seinesgleichen sucht, stehen vor allem auf drei Säulen: die Stadt, deren Rolle offenbar unterschiedliche Wahrnehmung erfährt, der Förderverein und die meist auch schon länger treuen Sponsoren.

Das Prinzip, „Theater für alle“ bei freiem Eintritt zu präsentieren, ist seit nunmehr 30 Jahren gewachsen. Aber die Technik, deren Kosten enorm stiegen und die deshalb schon eine gewisse Reduktion erfuhr, oder auch die Gagen wollen beglichen sein, das Spektakel soll ein solches bleiben.

Die Gassensensationen können auf ein veritables Stammpublikum bauen, wie auch die dieses Jahr vom Förderverein durchgeführte Befragung zeigt. Von 827 befragten Besuchern haben 479 das Maximum zur Teilnahme angegeben, wonach sie schon auf mehr als fünf vorherige Besuche zurückblicken. Die Umfrage hat durchaus repräsentativen Charakter und bringt weitere klare Spitzenergebnisse zutage: Sehr zufrieden mit Künstlern und Bands waren 417 Personen, 461 bewerteten Organisation und Durchführung als hervorragend.

Macher der ersten Stunde ist der künstlerische Leiter Stephan Behr. Eine Stärke des Konzepts ist ihm zufolge, nicht von Eintrittsgeldern abhängig und nicht auf gutes Wetter und entsprechende Resonanz angewiesen zu sein. Gleichwohl ist Zuspruch die Basis des Erfolgs. Viele Leute, die im Juli immer gern dabei sind, sind eben auch 30 Jahre älter geworden, führt der Vorsitzende des Fördervereins, Martin Fraune, an. Die ebenfalls abgeklopfte Altersstruktur belegt das: Immerhin 47 Gäste waren zu dem Zeitpunkt jünger als 18.

Heißt in der Regel, sie kamen mit ihrer Familie. Die größte Gruppe bilden Menschen zwischen 55 und 64, das waren 275 Personen. Hinzu kommen immerhin 194 älter als 65. Behr und Fraune besuchten die Redaktion dieser Zeitung, um ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Die meisten Nennungen bei der Frage nach der Quelle einer Kenntnis des Festivals zielen auf Freunde und Bekannte: Mit 404 Personen gibt fast die Hälfte diesen Weg an. Das passt zur Aussage von tatsächlich 726 der 827 Teilnehmer, die Gassensensationen „auf jeden Fall“ weiterempfehlen zu wollen. Behr hat genug gesehen und organisiert, um das einordnen zu können, unter Einbezug derer, die den Besuch „wahrscheinlich“ empfehlen: „50 Prozent sind gut, 70 Prozent exzellent, aber mehr als 90 Prozent wie hier fast unglaublich. Und es zeigt, dass sich die Leute das Ganze auch ein Stück weit zu eigen gemacht haben.“

So wollen sie ganz gewiss nicht drauf verzichten müssen, wissen Leiter und Förderer. Letzterer bemängelt immer wieder den „Zuschuss“ der Stadt von 20.000 jährlich als unzureichend. Der Förderverein zählt inzwischen mit mehr als 1400 alternden Mitgliedern zu Heppenheims größten Vereinen. Kündigungen gebe es kaum welche, und die Unterstützer trugen erneut rund 50.000 Euro zur Finanzierung bei. „Das kann so aber nicht weitergehen“, macht Fraune deutlich. Und Behr, der allmählich schon wieder dabei ist, das Programm für das nächste Jahr auf die Beine zu stellen, dabei in einem gewissen Kostenrahmen bleiben muss, beklagt:

„Am Budget hat sich seit 17 Jahren nichts verändert.“ Dabei bleibt es nicht nur aus seiner Sicht besser nicht, denn: „Wenn es keine Erhöhung gibt, ist das Festival gefährdet.“ Fraune behält sich, dann wohl als Angehöriger der Grüne-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung, einen Antrag auf mehr städtische Zuwendungen vor. „Die Gassensensationen sind eine städtische Veranstaltung“, unterstreicht dagegen Bürgermeister Rainer Burelbach im Gespräch mit dieser Zeitung. Dies hatte er auf Fraunes Andeutung hin schon im jüngsten Sozialausschuss gesagt. Sogar rund 100 000 Euro seien wie üblich im Haushalt vorgemerkt, Förderverein und Sponsoring reduzierten diese Maximalsumme dann, das räumt er ein, zuletzt auf die obligatorischen 20 000.

„Stephan Behr ist von uns engagiert, alle Verträge laufen über die Stadt“, erklären Burelbach und Erste Stadträtin Christine Bender (SPD). Wie es künftig läuft, werden die Haushaltsberatungen weisen müssen, zu denen aus städtischer Sicht auch alle größeren Kulturveranstaltungen auf dem Prüfstand stehen müssen. mbl/ü

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