Heppenheim. „Fastnacht? Das ist einfach mein Ding!“ Sarah Koob sitzt am heimischen Wohnzimmertisch in Kirschhausen und strahlt. Man spürt sofort: Hier sitzt eine, die mit dem ganzen Herzen bei der Sache ist. Jemand, der eine große Leidenschaft hat und auch die Verantwortung nicht scheut. Die Frau mit dem ansteckenden Lachen ist Frau Zugmarschall Sarah I. der Heppenheimer Straßenfastnacht und damit Hauptverantwortliche für den Fastnachtsumzug, bei dem Jahr für Jahr fast 100.000 Besucher die Straßen der Kreisstadt säumen. Sie folgt auf Norbert Weiser, der das Amt seit 2019 innehatte.
Wer ist diese fröhliche Frau, die man nun offiziell als „Obernärrin“ bezeichnen kann? Zunächst einmal ist sie Mutter zweier Kinder: Tochter Mia ist 13 und vielen bekannt als Tanzmariechen der Bottschloren, Sohn Max ist zehn und fährt gerne beim Umzug mit.
Hündin Kinga wuselt herein, ebenso freundlich wie ihr Frauchen. Kaum im Gespräch, kommt der größte „Makel“ von Sarah Koob ans Tageslicht: Sie ist in Bensheim geboren. Aber: „Ich bin ein echtes Hepprumer Mädchen“, beteuert sie. „Wenn die Sarah ihre Starkenburg nicht sieht, dann wird sie krank“, habe ihre Tante einmal gesagt und da sei was dran. Sogar vom heimischen Küchenfenster aus sieht man die Burg, die an diesem Novembernachmittag gerade im Nebel verschwindet.
In Kirschhausen ist Sarah in den Kindergarten gegangen, hat die Eichendorff-Schule besucht, dann die Heinrich-Böll-Schule in Fürth und am Ende die Karl-Kübel-Schule, bevor sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau auf der Juhöhe gemacht hat. Später hat sie in der Buchhaltung der väterlichen Firma gearbeitet. Nach der Kinder-Pause war Sarah Koob Tagesmutter bis September dieses Jahres. Sie muss lachen, als sie erzählt, womit sie jetzt ihr Geld verdient: „Ich verkaufe Fastnachtsartikel“. Das tut sie für die Heppenheimer Firma Hanninger, bei der sich alles um Halloween und Fastnacht dreht.
Woher kommt ihr Faible für die fünfte Jahreszeit? Gerade einmal sechs Monate war Sarah Koob alt, als sie 1985 das erste Mal im Kinderwagen als Teil der Hutzelschweizer den Zugweg entlang geschoben wurde. Seitdem hat sie keinen Heppenheimer Gaudium verpasst. Vom Straßenrand aus hat sie noch keinen erlebt. Im Kindergartenalter begann sie bei der Fastachtsgesellschaft Bottschlorum zu tanzen, tat dies, bis sie ins Zugkomitee wechselte. Mit Schwester Laura hielt sie Büttenreden bei den Fastnachtsveranstaltungen des SV Kirschhausen. Beim SV Erbach, bei dem sie Handball spielte, tanzte sie im Ballett.
2005 fing Sarah Koob beim Zugkomitee an. Damals startete gerade Barbara Schaabs Ära als Frau Zugmarschall. Sie wuchs immer mehr hinein, wurde 2019 Schriftführerin. Schnell wurde sie zur rechten Hand von Norbert Weiser, weiß also ganz genau, was zu tun ist.
Schnell stellt sich im Gespräch heraus, dass sie gar nicht anders kann, als Fastnachts-affin zu sein. Die Gene sind schuld, viel mehr der Opa. Das war kein Geringerer als Hans Eberhard – Zugmarschall von 1961 bis 1978. Gerne blickt sie zurück auf die Zeit mit dem Opa und ihrem Onkel Richard Eberhard. Viele Jahre stand Hans mit seinem Sohn in der Bütt. „Nie werde ich vergessen, als der Opa nach Onkel Richards Tod (Er starb im Alter von 32 Jahren in Brasilien) das erste Mal allein in der Bütt stand. Das war ein schwerer Moment.“
Und sie erinnert sich an die Stunde, in der ihr Opa im Jahr 2023 im Alter von 89 Jahren starb. Da war sie bei ihm. Als er aufhörte zu atmen, sei ihr Blick zur Uhr gegangen – es war 17.11 Uhr, so steht es auch in der Todesurkunde. „Der Opa würde drüber lachen“, weiß sie. „Bei uns war und ist einfach Fastnacht drinnen.“
Vom Opa hat Sarah dessen Fastnachtsorden-Sammlung geerbt und die Narrenkappen – eine prächtiger als die andere. Sie hält seinen Zugmarschall-Stab hoch, den mit dem Elefanten und dem Narren an der Spitze, zeigt alte Schwarzweiß-Fotos. Es wird immer deutlicher: Da ist jemand in genau die richtigen Fußstapfen getreten.
Ist es nicht ein bisschen wahnsinnig, die Verantwortung für den Umzug zu übernehmen? Sarah Koob lacht ihr herrlich mitreißendes Lachen: „Ich darf nicht viel darüber nachdenken.“ Der Opa habe das Amt ins Leben gerufen. „Ich liebe die Familie, und ich liebe den Umzug, und finde einfach, es muss weitergehen. Ich habe über die Verantwortung gar nicht so viel nachgedacht. Ich weiß, sie ist da. Aber es muss Spaß machen und das tut es“, ergänzt sie.
Und sie lobt ihr tolles Team beim Zugkomitee, auf das jederzeit Verlass sei. „Ich habe keine Angst, dass ich allein dastehe.“ Und wie ist das mit dem Job zu vereinbaren? „Ich habe beim Bewerbungsgespräch direkt gesagt: Ich bin Frau Zugmarschall und muss manchmal während der Arbeitszeiten telefonieren oder kurz weg.“ Das wurde akzeptiert.
Jetzt freut sich Sarah Koob erst einmal auf den kommenden Samstag (15.), wenn die Fastnachter um 11.11 Uhr am oberen Ende der Fußgängerzone die Kampagneneröffnung mit einem bunten Programm feiern und verraten, wer in diesem Jahr die Schirmherrschaft übernimmt.
Und dann nähert sich die närrische Hoch-Zeit bereits mit großen Schritten. Frau Zugmarschall und ihr Gefolge werden mit dem Musikzug Starkenburg von Saalfastnacht zu Saalfastnacht ziehen, um für den Fastnachtsumzug am 15. Februar zu werben. So sehr sie diesem Tag entgegenfiebert, so sehr hofft sie auch, dass die Polizei am Abend dieses Tages anruft und ihr mitteilt, dass alles gutgegangen ist. „Dann fällt alles von mir ab. Dann brauch ich keine Party mehr, sondern nur ein gutes Essen mit der Familie.“ Dieser – ihren Kindern, den Eltern, der Schwester und der Tante – ist Sarah Koob ganz besonders dankbar: „Ohne deren Rückhalt und Unterstützung könnte ich das alles so nicht leisten.“ rid/ü
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