Heppenheim. In einer öffentlichen Facebook-Gruppe stellt ein User ein Foto ein, aufgenommen in einem Wohngebiet in Lorsch. Auf dem Bild sieht man einen leuchtenden Abendhimmel. Er erstrahlt rot, blau, grün oder rosa. Wie ein magischer und bunter Vorhang erstrecken sich die Farben im Nachthimmel ins schier Unendliche. Schnell findet die Community heraus, was es damit auf sich hat: Polarlichter. Weitaus bekannter sind sie im hohen Norden, in Skandinavien, auf Island oder Grönland. Doch in den vergangenen Tagen war das Naturschauspiel auch hierzulande und auch im Kreis Bergstraße zu sehen.
Doch wie kommt das bunte Lichtermeer zustande? „Polarlichter entstehen durch die Wechselwirkung vom Sonnenwind mit der Erdatmosphäre“, erklärt Dr. Jens Rothermel von der Starkenburg-Sternwarte in Heppenheim. Der Sonnenwind besteht aus elektrisch geladenen Teilchen, genauer gesagt aus Elektronen und Atomkernen von Wasserstoff und Helium, die in stark unterschiedlicher Menge von der Sonne abgegeben werden, führt Rothermel, der im Verein Starkenburg-Sternwarte Schriftführer ist, weiter aus.
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Komme dieser Plasmastrom in Erdnähe, werde er wegen seiner elektrischen Ladung durch das Magnetfeld der Erde beeinflusst und gelange normalerweise ausschließlich in hohen Breitengraden in unsere Atmosphäre. „Dort werden die Luftmoleküle in 100 bis 200 Kilometer Höhe durch die energiereichen Teilchen, die mit sehr hoher Geschwindigkeit von mehreren 100 Kilometern pro Sekunde an der Erde ankommen, zum Leuchten angeregt“, so der Astronomie-Experte.
Letztlich könne man sich den Effekt wie eine riesengroße Leuchtstoffröhre vorstellen. Die Farben, die Polarlichter haben können, kommen von den unterschiedlichen Luftbestandteilen, die zum Leuchten angeregt werden: Sauerstoff leuchtet grün und rot, Stickstoff violett und blau, erklärt Jens Rothermel.
Normalerweise können Polarlichter somit nur hoch im Norden oder tief im Süden auf der Erde beobachtet werden, doch kommen zeitgleich sehr viele Sonnenwindteilchen an (man spricht dann auch von einem Sonnensturm), werden einige der Sonnenwindteilchen in niedrigere Breitengrade gedrückt, beschreibt Rothermel das Phänomen, das dazu führt, dass „wir an der Bergstraße in den Genuss dieses Himmelsschauspiels kommen“.
Die Menge der Sonnenwindteilchen hänge wiederum von der Sonnenaktivität ab, die sich in einem etwa elfjährigen Zyklus periodisch ändere. „In den aktivsten Jahren dieser Zyklen können bis zu fünf Sichtungen pro Jahr in unserem Raum gelingen.“ Meist reduziere sich diese Anzahl wetterbedingt noch. „Das nächste Maximum der Sonnenaktivität wird für kommendes Jahr erwartet, so dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren noch mit weiteren Polarlicht-Sichtungen rechnen können“, ist sich Rothermel sicher.
Und wer selbst Polarlichter beobachten möchte, schaut am besten erst nach, ob aktuell eine Wahrscheinlichkeit für die Sichtung in der Region besteht. Zur Beobachtung selbst begibt sich der Interessent zu einer Stelle, von der aus eine gute Horizontsicht in Richtung Nordwesten, Norden und Nordosten gegeben ist und an der es möglichst wenig Lichtverschmutzung gibt. „Die meisten Polarlichtsichtungen bei uns beschränken sich auf großflächige, rötliche Aufhellungen am Himmel“, erklärt Rothermel. Wer viel Glück habe, erlebe ein kräftiges Polarlicht mit sich sehr schnell verändernden Strukturen, die wie Vorhänge oder Lichtstrahlen aussehen.
Es wird also keine Sternwarte benötigt, um Polarlichter beobachten zu können. Insbesondere von der Starkenburg-Sternwarte aus ist die Sicht in Richtung Norden eingeschränkt. Eine Polarlichtbeobachtung ist daher beispielsweise vom direkt unterhalb der Sternwarte gelegenen Parkplatz aus besser möglich. „Einige Mitglieder der Sternwarte behalten das Geschehen rund um die Sonne und Polarlichter immer im Auge, um die wenigen Chancen auf eine erfolgreiche Polarlichtbeobachtung nicht zu verpassen“, sagt Jens Rothermel. pk/ü
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