Heppenheim. Ein weiteres Mahnmal, das an den Missbrauch Hunderter Schülerinnen und Schüler der früheren Odenwaldschule (OSO) im Stadtteil Ober-Hambach erinnert, könnte noch in diesem Jahr auf dem Gelände der früheren Privatschule errichtet werden. Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) bestätigte auf Nachfrage der Redaktion einen entsprechenden Bericht des Hessischen Rundfunks (HR).
Befürworter des Projekts, darunter Burelbach selbst, der frühere Bergsträßer Landrat Matthias Wilkes sowie der Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, haben sich demnach in einem nicht öffentlichen Treffen auf die weitere Vorgehensweise sowie die Finanzierung des Vorhabens verständigt.
Etwa 60 000 bis 70 000 Euro soll die Umsetzung eines Entwurfs von Adrian Koerfer, der selbst unter den Betroffenen war, nach Angaben des HR kosten. Allein das hessische Sozialministerium habe hierfür bereits 40 000 Euro eingeplant, auch der Kreis dürfte sich beteiligen. Im Gespräch mit der Redaktion stellte Burelbach allerdings klar, dass die Stadt entgegen dem HR-Bericht keine finanziellen Mittel beisteuern werde. „Wir unterstützen das Projekt dafür mit Leistungen unseres Bauhofs“, sagte der Rathauschef.
„Die Errichtung eines angemessenen Mahnmals gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen, das der riesigen Dimension des Unrechts entspricht, das den Odenwaldschülern dort durch Lehrkräfte angetan wurde, unterstütze ich sehr“, hatte der Bundesbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig vor wenigen Wochen der „Frankfurter Rundschau“ gesagt.
Seitdem sind nun weitere Details bekannt geworden. Koerfer hat das Mahnmal demnach als stilisierte meterhohe Türen konzipiert, symbolisiert durch Stahlplatten, an deren oberen Enden Klinken angebracht sind, unerreichbar für Kinder. Laut HR handelt es sich dabei um den Siegerentwurf eines im vergangenen Jahr ausgeschriebenen Wettbewerbs, den Koerfer selbst initiiert hatte.
Vor mehr als zehn Jahren war der jahrelange systematische sexuelle Missbrauch von Schülern ans Licht gekommen. Studien zufolge sollen mehr als zwei Dutzend Lehrkräfte und andere Mitarbeiter der Schule an den Verbrechen an bis zu 900 Schutzbefohlenen beteiligt gewesen sein. Das Internat musste schließlich Insolvenz anmelden, nach mehr als hundert Jahren wurde 2015 der Schulbetrieb eingestellt.
Im April 2017 stellte die neue Eigentümerin des Areals, die Mannheimer Werbeagentur Schaller & Partner, schließlich erste Pläne vor, nach denen auf dem Gelände des ehemaligen Internats ein Wohn- und Ferienpark für 300 Personen entstehen sollte. Angrenzende Wiesen wurden zugekauft und damit das Gelände auf mehr als 45 Hektar vergrößert. Inzwischen ist der „Wohnpark Ober-Hambach“ weitgehend realisiert, viele der knapp 100 Wohneinheiten sind entweder bezugsfertig oder bereits bezogen.
Einziges Erinnerungsstück war und ist bislang jedoch die 2010 zum Gedenken an die Opfer hinter dem Laborgebäude errichtete Metallskulptur „Keimen und Wachsen“ des ehemaligen Schülers Daniel Brenner (ausgeführt von Kunstschlosser Martial Herbst). Jetzt ist aber offenbar die Zeit für ein weiteres sichtbareres Zeichen gekommen, die neue Skulptur soll prominent in der Nähe eines künftigen Parkplatzes stehen.
Nur bedingte Unterstützung gibt es für das Vorhaben laut HR bislang jedoch vom Opferverein Glasbrechen. Infrage wird hiebei vor allem die Sinnhaftigkeit des fünfstelligen Betrages gestellt.
Was Glasbrechen sich stattdessen wünscht, wären Mahnmale „auf Augenhöhe“, wird der zweite Vorsitzende des Vereins, Johannes von Dohnanyi, vom HR zitiert. Dazu könne er sich etwa einen Skulpturenweg oberhalb der früheren Odenwaldschule vorstellen, auf dem mehrere Skulpturen gleichberechtigt nebeneinander stünden.
Die Befürworter hätten den Opferverein freilich gerne mit im Boot: Noch vor Ostern ist deshalb ein Treffen mit Vertretern von Glasbrechen geplant. dpa/fran/ü
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim_artikel,-heppenheim-mahnmal-fuer-ober-hambacher-oso-missbrauchsopfer-rueckt-naeher-_arid,1913254.html