Besuch - Fünf Jahre nach Schließung der Heppenheimer Einrichtung schwelgen vier Altschüler am Ort ihrer Jugend in Erinnerungen / Missbrauchsskandal nicht miterlebt

Rückkehr an die Odenwaldschule

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fran
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Ober-Hambach. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen ins beschauliche Ober-Hambach: Christian aus dem Taunus, Lucas aus Schifferstadt, Valentin und Alex aus Bürstadt. Und doch kommen sie alle irgendwie nach Hause, denn alle waren Schüler an der Odenwaldschule und haben an dem einstigen Eliteinternat viele Jahre ihrer Jugend verbracht. Jahre, die sie nicht missen wollen, auch wenn sie nicht immer leicht waren.

Den Missbrauchsskandal der 70er und 80er Jahre haben die jungen Männer nicht miterlebt, wohl aber dessen Folgeerscheinungen. So besuchten sie über Jahre eine Schule, die gleichermaßen um ihre Existenz und ihren Ruf zu kämpfen hatte. „Tagsüber waren wir in der Schule, anschließend haben wir Plakate für die Rettung der OSO gedruckt und nachts haben wir diese dann überall aufgehängt“, erinnert sich Lucas.

Von Schülern selbst gebaut

Selbst als sie keine OSO-Schüler mehr waren, haben sie bei den Plakataktionen mitgeholfen. Gebracht hat es nichts: Mit Ende des Schuljahres 2014/15 stellte die OSO den Schulbetrieb ein, das Internat ging in die Insolvenz. Geblieben sind Erinnerungen. An die Schulzeit, das Internatsleben – vor allem aber an die gemeinsame Zeit in der Strandbar, die seinerzeit eine Handvoll Neuntklässler ins Leben gerufen hat, darunter Christian, Alex und Valentin.

Das Gelände wurde größtenteils von den Schülern erbaut und verwaltet. „Wir hatten hier die einmalige Gelegenheit, einen Ort nach unseren Vorstellungen zu schaffen“, sagt Christian. Darüber hinaus war die Strandbar ein Zufluchtsort „bei Liebeskummer oder Schulstress“ gewesen. Letztmals belebt war das Gelände beim Sommerfest 2015, unmittelbar vor dem Aus für Schule, Internat und Strandbar.

Seitdem sind fünf Jahre vergangen. Die Erinnerungen werden mit Altschülertreffen wachgehalten – und mit Besuchen der Strandbar oder vielmehr dem, was heute noch davon übrig ist. Denn das Ensemble des früheren Internats wurde zwar 2016 von der Mannheimer Werbeagentur Schaller erworben und zum „Wohnpark Ober-Hambach“ umgerüstet. Die Strandbar jedoch verfällt.

Kniehoch wuchert das Unkraut

Auf dem Sand wuchert inzwischen kniehoch das Unkraut und auch die grüne Blockhütte und die angrenzende Holztheke sind mittlerweile zugewachsen – wenngleich sich im Gestrüpp noch so manches Relikt vergangener Feierlichkeiten findet: Glas- und Tellerreste, ein Einweggrill und einstmals kunstvolle Töpfereien. Skurril wird es, als Lucas eine pinkfarbene Gehhilfe aus dem Gebüsch zieht.

Christian zückt einen Schlüssel. „Mal sehen, ob der noch passt“, sagt er – und die anderen folgen ihm Richtung Blockhütte. Und siehe da: Der Schlüssel passt. Die Begeisterung ist groß, als Kühlschränke, ein Sofa und so manch angebrochene Flasche hinter den Spinnweben zum Vorschein kommen. Die Zeit scheint in diesem Moment stillzustehen. „Da sieht man mal, wie kurzfristig hier alles dichtgemacht wurde“, sagt Christian. Alex hat indes die Abrechnung des letzten Sommerfests entdeckt: „Wir haben 92,31 Euro Gewinn gemacht“, liest er vor.

Internatsordnung zählt nicht mehr

Daneben liegt eine vergessene Internatsordnung, die sich als Euphoriebremse entpuppt – denn sie erinnert die jungen Männer an die Enthüllung des Skandals vor etwas mehr als zehn Jahren. „Schockierend“ seien die Nachrichten gewesen, sagt Christian. Das Ende der OSO bedauert er dennoch bis heute: „Mit der Schule wurde Schülern eine einzigartige Einrichtung in der deutschen Bildungslandschaft genommen.“ Ältere Schülergenerationen sehen das womöglich anders. fran

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