Heppenheim. Unbeschwert Kind sein dürfen: Spielen, toben, lachen. Was doch eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist an vielen Orten aufgrund von Krieg, Hunger oder Armut nicht möglich. Bei der Flüchtlingshilfe Heppenheim ist man dafür sensibilisiert, weiß ob der vielen Familienschicksale Ankommender in der Kreisstadt Bescheid. Das Kinderfest war daher mehr als einfach nur ein buntes Unterhaltungsprogramm. Es sollte die Kleinsten in den Fokus rücken, und sie sollten sich komplett ausleben dürfen. Das war Lydia Kolonko vom Vorstand der Flüchtlingshilfe ganz besonders wichtig. Sandra Döbert und ihr Team vom Bereich Kultur und Begegnung der Stadtverwaltung Heppenheim hatten die Planung und Organisation komplett an den offenen Arbeitskreis abgegeben, der seit Anfang 2015 die Hilfe für Zufluchtssuchende – unabhängig ihres Aufenthaltsstatus – in Heppenheim gestaltet, koordiniert und ergänzt.
„Als eingetragener Verein arbeiten wir politisch und konfessionell unabhängig“, sagt Kolonko. Und in diesem Fall sei es auch gar nicht schwierig gewesen, Mitstreiter für die Ausgestaltung des Programms zu finden. Hannah Annette Ehleben aus Ladenburg war beispielsweise gerne mit dabei. Als Märchenmuhme entführte sie die Kinder mit ihren Geschichten an magische Orte und tief in den Märchenwald. Musikalisch wurde sie dabei von ihrem Klangkauz Manu an Posaune und mit Gitarre unterstützt. Ihre fantasie- und liebevolle, lustige Art war mitreißend und ansteckend. Schnell hatte sie Kinder, aber auch Eltern gleichermaßen in den Bann gezogen. Die Menschen den Alltag mal vergessen und sie das Leben nur im Hier und Jetzt genießen zu lassen, darf dabei als Gabe nicht unterschätzt werden. Es erinnerte die Kinder an ihre Urinstinkte. Denn eigentlich kann sich der Nachwuchs für alles begeistern und mit voller Hingabe genießen. Wenn die Parameter und Rahmenbedingungen stimmen. Wenn Kinder aber schon früh mit Leid und Gedankenlast überhäuft werden, dann wiegt auch ihre Seele schwer. Sie galt es zu befreien und auf dem klangvollen bunten Zauberteppich aus Märchen, Geschichten, Liedern und Gedichten davon zu schweben. „Wichtig ist uns in diesem Zusammenhang aber auch, den Kindern die deutsche oder europäische Kultur näherzubringen. Zauberei und Märchen, das ist nicht überall bekannt. Beides sollte Hemmschwellen senken und die deutschen Familien mit den Familien mit Migrationshintergrund zusammenbringen“, erklärt Kolonko.
Begegnung und Austausch zu fördern, das sind Hauptziele der Flüchtlingshilfe. Einen großen Anteil daran hatte nun auch Mister Kunterbunt aus Laudenbach, der mit seinem Mitmachzirkus zur Jonglage und dem ein oder anderen Balanceakt ermutigte. Kunterbunt, im wahren Leben Jörg Emig, hatte aber auch ein paar Zaubertricks mitgebracht, mit denen er die Augen der Kinder strahlen ließ.
Als der Mann mit der roten Propeller-Mütze, knotete er Luftballons zu Tieren und Gegenständen und spielte auch auf der Gitarre. Finanziell getragen wurde die Veranstaltung von der Flüchtlingshilfe selbst und durch die Unterstützung des Lions Clubs, sagt Lydia Kolonko. Der Klub hatte beispielsweise auch Eis gestiftet. Die Akteure des TV Sonderbach waren nicht wie angekündigt mit ihrer Rope-Skipping-Einheit, also der Seilspringgruppe gekommen, sondern ermutigten zum Tanzen. Hier mussten die Übungsleiter erst einmal Vertrauen zu den Kindern aufbauen.
Das Eis wollte nicht so schnell brechen. Aber mit einer Engelsgeduld und viel Einfühlungsvermögen war es ihnen dann doch gelungen. Daneben war das Team von Steffis Hits4Kids aus Bensheim gekommen und hatte sich bereit erklärt, die Kinder zu schminken. Das waren Stefanie Erber und andere engagierte Frauen, die auch Glitzertattoos machten und so den ganzen Tag voll beschäftigt waren. Ein Angebot, das rege genutzt wurde und viele tolle Fabelwesen mit Glitzer und bunten Strichen durch den Hof toben ließ. Kolonko zieht eine positive Bilanz. „Natürlich könnten es immer mehr Besucher sein, aber prinzipiell sind wir sehr zufrieden.“
Die Veranstaltung sei recht schwer zu kalkulieren gewesen, da aber das Wetter mitspielte, waren mehr Menschen als erwartet zum Saalbaukino gekommen. Viele eritreische, somalische und äthiopische Familien waren gekommen. Auch viele Deutsche waren da. „Rund 200 Kinder“, so schätzt Kolonko, die über 2000 Flyer in Kitas, Unterkünften und Einrichtungen als Einladungen verteilt hatte. Am Abend gab es dann im Lichtspielhaus noch Programm. Auch darum hatten sich die Vertreter der Flüchtlingshilfe gekümmert. Anna Cammilleri war hier im Lead. Sandshow Künstlerin Daria Tym und ihre Freunde unterhielten unter der Überschrift „Art for freedom“ also Kunst für den Frieden. Und auch dieses Konzept ging auf. pam/ü
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim_artikel,-heppenheim-kinder-hoerten-maerchen-aus-aller-welt-_arid,2135698.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim.html