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Jazzer sorgen für Urlaubsgefühl im grauen Heppenheim

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mp/ü
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Tenorsaxofonist Tony Lakatos und Gitarrist Ferenc Snétberger gastierten auf Einladung von Forum Kultur in dessen „Jazz is flowering“-Reihe in der Christuskirche Heppenheim. © Arne Schumacher/ü

Heppenheim. Puristische Kirche trifft auf facettenreichen Jazz: Am Samstagabend gastierten Tenorsaxofonist Tony Lakatos und Gitarrist Ferenc Snétberger in der evangelischen Christuskirche Heppenheim und machten den Abend mit ihrer Darbietung im Rahmen der „Jazz is flowering“-Reihe von Forum Kultur zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Mit warmer Akustik füllten sie das ausverkaufte Gotteshaus, beflügelten die Gedanken, halfen, dem Alltag zu entfliehen. Dabei schwebten die Töne mal über den Wolken und brachten die Menschen dem Himmel nah, mal erdeten sie sich mit großer Resonanz und holten auf den Boden der Tatsachen zurück. Dabei verstanden es die ungarischen Musikvirtuosen auch, in fremde Länder zu entführen. Viele Flamenco- und Bossa Nova Melodien ließen von südländischen Städtchen träumen. Etwas Urlaubsgefühl im grauen Heppenheim.

Das Bedürfnis nach traditionellen Klängen und Melodien macht sich auch in der langen Musikgeschichte der Jazzer bemerkbar. So in der eigenen Arbeit der Künstler. Ein Album trägt beispielsweise den Titel „Gypsy Colours“. Darin gibt es Anklänge an die Tradition der Roma, Reminiszenzen an Ornette Coleman, atmosphärisch dichte Balladen und von Bebop und ungarischer Musik inspirierte Titel. Von Django Reinhardt über Egberto Gismonti bis Johann Sebastian Bach beherrscht das Duo zeitgenössische Werke, interpretierte sie, löste die Noten vom Blatt. Dabei schlug Lakatos auch immer wieder rhythmisch das Cajon. Der langjährige Solist der hr-Bigband kann auf ein großes Repertoire zurückgreifen, zeigte sich wandelbar und präsentierte sich dem Publikum als gnadenloses Improvisationstalent. Besonders schön zu beobachten: Trotz abgestimmter Harmonie – oder von Zeit zu Zeit gewollter Disharmonie – gelang es den Musikern, sich durch neue Griffe oder Töne selbst zu überraschen. Unprätentiös und dennoch selbstkritisch.

Positive Energie

Die gegenseitige Wertschätzung für weiterentwickelte Melodien griff aufs Publikum über und erfüllte den Raum mit positiver Energie der Begeisterung. Für das Einhalten der 2G-Regeln herrschte dabei großes Verständnis. Auch die Masken wurden in den Kirchbänken während der ganzen Veranstaltung getragen. Die Regeln zu verschärfen, hatten sich der Forum-Kultur-Vorsitzende Christoph Hussong und sein Team nicht leicht gemacht. Sie hielten so lang wie möglich an den 3G-Regeln fest – und das spartenübergreifend.

Aber in Anbetracht der steigenden Inzidenzen können und wollen die Kulturschaffenden kein Risiko eingehen: „Wir sind froh, dass wir Konzerte feiern können und setzen alles daran, dass uns diese Freiheit auch nicht mehr genommen wird“, wird Hussong nicht müde zu betonen: „Unser Publikum und die Künstler sollen sich sicher fühlen.“

Gemäß der Corona-Verordnung des Kreises Bergstraße für Innenräume waren daher ausschließlich Geimpfte mit vollständigem Impfschutz und Genesene zum Konzert zugelassen. Für Menschen ohne Booster-Impfung war ein Testnachweis erforderlich. „Bei Nichteinhaltung der Einlassregeln werden Tickets nicht erstattet“, so der Organisator weiter. Doch das war nicht nötig. Das Publikum zeigte sich abermals als äußerst rücksichtsvoll und umsichtig. mp/ü

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