Bildung

Immer länger in der Schule: Kinder und Jugendliche haben weniger Freizeit

Weil Ganztagsangebote der Lehranstalten in Heppenheim zunehmen, werden die Zeiten für Vereinsbesuche knapper

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ks/ü
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Die Angebote für ganztägige Förderung an Schulen werden stetig ausgebaut. Während die Eltern dadurch Planungssicherheit bekommen, haben die Kinder weniger Freizeit. Das spüren auch Vereine. © Frank Rumpenhorst/dpa

Heppenheim. Immer länger sind die Kinder in der Schule, das gilt schon für die Kleinen. Spätestens, wenn 2026 der Rechtsanspruch auf Ganztag in Grundschulen kommt, sollen auch Schüler der ersten Klasse acht Stunden täglich dort betreut und gefördert werden. Das Angebot wird in den Folgejahren sukzessive auf die weiteren Klassenstufen ausgedehnt.

Ältere Kinder sind schon heute lange in der Schule. Die Folgen davon sind einerseits Planungssicherheit für Eltern und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Andererseits bedeutet dies, dass Kinder immer weniger freie Zeit haben – und die Vereine ein geringeres Zeitfenster für ihre Angebote.

Der Einfluss auf die Vereinsarbeit ist spürbar

„Oft kollidieren dann verschiedene Aktivitäten miteinander“, so die Erfahrung von Martina Herweh, Vorsitzende des Heppenheimer Kinder- und Jugendchores. „Der Chor ist dann beispielsweise zur gleichen Zeit wie die Gymnastikstunde, das Training oder auch der Kommunionsunterricht.“ Und dann wird’s kompliziert. Denn nach Belieben verschieben lassen sich die Angebote meist nicht. „Sportvereine sind ja an die Hallenzeiten gebunden“, kennt Herweh die Nöte der Vereinskollegen.

Das bestätigt Klaus Martin. „Das schulische Ganztagsangebot hat ganz klar Einfluss auf die Vereinsarbeit“, erklärt der Vorsitzende des FC Starkenburgia. „Seit die Schule später endet, verschieben sich die Zeiten für die Trainings nach hinten.“ Das Angebot verdichtet sich also. Dadurch wiederum fehlt es an Platz zum Beispiel auf dem Galgen, wo der Verein Fußballtraining abhält.

Deshalb weicht der Verein auf Plätze in Kirschhausen oder Hambach aus. Und auch auf die Trainer hat das Auswirkungen. „Das sind ja alles Ehrenamtliche und die müssen sich das ja in den enger werdenden Zeit-Slots einrichten“, sagt Martin. Der Organisationsaufwand für Vereine werde so immer größer. Die Starkenburgia hat rund 500 Mitglieder, davon die Hälfte Kinder und Jugendliche. „Allein im Alter zwischen fünf und 14 Jahre haben wir etwa zehn Mannschaften.“

Die Zahl der Mitglieder ist bei beiden Vereinen indes stabil. Auch bei der städtischen Musikschule sei ein messbarer Einfluss des Ganztagsangebots im Sinne von weniger Schülern oder Anmeldungen nicht festzustellen, teilt die Stadt mit. Doch die sinkende Flexibilität in Sachen Uhrzeit macht sich auch an dieser Stelle bemerkbar.

Es gibt auch Angebote bis in die Abendstunden

„Wir merken, dass die Zeiten, an denen die Kinder und Jugendlichen zum Unterricht kommen können, eher am Nachmittag liegen“, so Sprecherin Cornelia Gerards. „Wir können aber flexibel darauf reagieren, da wir bis in die Abendstunden Unterricht anbieten.“ Bei der Musikschule liefen ständig neue Anmeldungen, in manchen Fächern gebe es Wartelisten. „Im laufenden Schuljahr kommen unter der Woche rund 1000 Schüler zu uns in Haus.“ Insgesamt seien drei Viertel der Musikschüler im schulpflichtigen- oder Kindergarten- und ein Viertel im Erwachsenenalter. Klaus Martin sieht durch die Entwicklung auch einen erhöhten Organisationsaufwand bei den Eltern. Die müssen sich im Zweifel für einen Verein entscheiden. Fußball spielen oder singen? Reiten oder ein Instrument lernen? „Für alles ist oft keine Zeit mehr“, sagt der Starkenburgia-Vorstand. Gegeneinander ausspielen wollen Martina Herweh und Klaus Martin sportliche und musische Freizeitaktivitäten ausdrücklich nicht. „Beides ist wichtig“, sind sie sich einig. Martina Herweh kann sich vorstellen, dass die mentalen Kapazitäten der Kinder oft erschöpft sind, wenn sie den ganzen Tag in der Schule verbringen. „Anschließend auch noch in einen Verein zu gehen, kann dann zu viel sein.“ Das sieht auch Klaus Martin. „Die Kinder werden in ihrer Freizeit stark beansprucht.“ Dennoch betonen beide die hohe Bedeutung von Vereinen. „Hier lernen Kinder noch mal andere Sozialkompetenzen“, findet Martina Herweh.

Keine einfache Lösung für das Dilemma

Hinzu komme, dass die Kinder in der Regel ihre Hobbys gerne pflegen. Sie sieht einen Unterschied in der Art der Betreuung. „In der Schule müssen sie bleiben, den Verein suchen sie sich meistens aus.“ Sprich: Wer in den Chor geht, will singen, wer in den Sportverein geht, hat Freude an der Bewegung. Der Gang in den Verein ist dann ein anderer Rahmen, eine andere Grundlage der Begegnung, findet auch Klaus Martin.

Weil viele Eltern auf beide Gehälter aus der Erwerbsarbeit angewiesen sind, gibt es keine einfache Lösung für das Dilemma. Vereine sollten sich Herweh zufolge stärker in Schulen integrieren, damit Kinder sich musisch und sportlich weiter entwickeln können. Doch so einfach ist es nicht. „Vereinsmitglieder engagieren sich in der Regel ehrenamtlich“, betont sie. „Es ist oft so schon schwer genug, überhaupt Leute zu finden.“ ks/ü

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