Persönlich

Als Henry Kissinger in Heppenheim war

Der verstorbene ehemalige US-Außenminister hat nach dem Zweiten Weltkrieg an der Bergstraße und in der Kreisstadt gelebt.

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dj/ü
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Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger kehrte im Mai 2005 an die Bergstraße zurück. Er folgte einer Einladung in die Villa Schüssel in Heppenheim, wo Kissinger während seiner Zeit in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs gelebt hatte und wo er von Ministerpräsident Roland Koch begrüßt wurde. © Karl-Heinz Köppner

Heppenheim. Am Mittwoch starb der frühere US-Außenminister Henry Kissinger im Alter von 100 Jahren in seiner Heimat Kent in Connecticut. Politiker aus aller Welt kondolierten seitdem den Hinterbliebenen und dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Seine politische Laufbahn führte ihn nach dem Zweiten Weltkrieg auch an die Bergstraße, wohin er 2005 noch einmal für einen Besuch zurückkehrte.

Kissinger galt als Architekt guter amerikanisch-chinesischer Beziehungen in den siebziger Jahren. Noch bevor Kissinger Außenminister wurde, nutzte er damals die sogenannte „Ping-Pong-Diplomatie“ zwischen Tischtennisspielern aus Amerika und China und reiste 1971 zweimal unter Geheimhaltung nach China und führte mit Premierminister Zhou Enlai Gespräche. Er ebnete so den Weg für den Besuch des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon im Jahr 1972 in China.

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Kissinger war neben dem deutsch-amerikanischen Literaturwissenschaftler und Buchautor Guy Stern (geb. 1922) einer der letzten lebenden „Ritchie Boys“. Dabei handelte es sich um Männer, die aufgrund ihrer Sprachkenntnisse im Camp Ritchie in Verhörtechniken ausgebildet wurden, um zunächst in der neuen Heimat Amerika deutsche Spione während des Zweiten Weltkrieges ausfindig zu machen und schließlich zum Kriegsende und danach in Deutschland Nationalsozialisten zu enttarnen.

Träger des "Bronze Star" und bei Befreiung von KZ Hannover-Ahlem dabei

Henry Kissinger war Jude aus dem mittelfränkischen Fürth in Bayern. Im Jahr 1938 ging seine Familie mit ihm nach New York. Fünf Jahre später nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Noch im selben Jahr wurde er zum Militärdienst bei der US Army eingezogen. Ein Jahr darauf ging es zurück nach Europa. Kissinger kam als Gefreiter nach Deutschland und wurde in die militärische Aufklärung seiner Division und schließlich in den Führungsstab übernommen. Er kämpfte gegen die Wehrmacht in der Ardennenoffensive und wurde mittlerweile Sergeant als Spezialagent beim Counter Intelligence Corps eingesetzt.

Im März 1945 war er (laut Wikipedia) mit der 84. US-Infanteriedivision drei Wochen in Krefeld, ab dem 9. April in Hannover, wo er mit Robert Taylor mehrere Gestapo-Beamte aufspürte und verhaftete. Hierfür erhielt er am 27. April den „Bronze Star“. Er war auch unter den Soldaten, die am 10. April das KZ-Außenlager Hannover-Ahlem befreiten.

Arbeit in Bensheim, wohnen in Zwingenberg und Heppenheim

Danach führte der Weg des zukünftigen Außenministers an die Bergstraße. Er arbeitete von Mitte 1945 bis April 1946 in der amerikanischen Besatzungszone beim Counter Intelligence Corps (CIC) in Bensheim. Die frühere Polizeistation war das Hauptquartier des CIC. Zeitweise wohnte er in Zwingenberg. Belegt ist außerdem, dass er eine Weile in Heppenheim im früheren Amerikahaus, in der sogenannten „Villa Schüssel“, lebte.

Wolfram Ziegler aus Hochstädten lernte Kissinger, der sich damals nur als „Mr. Henry“ ansprechen ließ, als Achtjähriger persönlich kennen. Er habe damals mit seiner Mutter in Auerbach in ihrem Elternhaus gelebt. Sein Vater war noch nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Katharina Ziegler habe für die amerikanische Militärregierung übersetzt. Die in diesem Jahr verstorbene Anita Fritz vom Saalbaukino hatte keine ganz so guten Erinnerungen an Kissinger. Ausgerechnet an ihrer Kommunion musste sie mit ihrer Familie ihr Zuhause auf dessen Geheiß verlassen, um Platz zu schaffen für die vielen Heimatvertriebenen.

Am 8. Mai 2005 besuchte Kissinger mit dem damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch noch einmal das Amerikahaus und wurde vom Hausherrn Karl Netzer bekocht. Anlass dazu hatten die Feierlichkeiten zum Kriegsende vor damals 60 Jahren gegeben, für die man Kissinger als Hauptredner einer Gedenkveranstaltung in Darmstadt gewinnen konnte. dj/ü

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