Heppenheim. Mit seinem VW-Käfer und zwei Koffern zog Hans Baumgartner 1967 von Waldshut nach Heppenheim, um im Turnverein trainieren zu können.
Als der Weitspringer fünf Jahre später mit der Silbermedaille aus München zurückkehrte, fuhr er im offenen Mercedes-Coupé bis zum Marktplatz, der voller Menschen war. Vor dem Rathaus wurden er und sein Trainer Hansjörg Holzamer gefeiert. „Ich war überwältigt“, sagt Baumgartner heute.
Die Feiern zum Jubiläum „50 Jahre Olympische Spiele München 1972“ haben begonnen. Wie erinnert er sich an seinen größten Erfolg und den Weg dorthin? Baumgartner hat auch mit seinen 73 Jahren nicht vergessen, wie bescheiden die Verhältnisse waren, in denen seine Karriere begann.
Feinheiten im Weitsprung
Er gehörte zu den vielen Talenten, die Hansjörg Holzamer (1939-2019) entdeckt hat. Der wusste, dass aus dem Talent nur dann ein Spitzensportler wird, wenn er ihm im Starkenburgstadion die technischen Feinheiten des Weitsprungs beibringen kann. Baumgartner wohnte möbliert bei „Keils Bienchen“ an der Lehrstraße, später bei Hermann Fuhrmann, dem Chauffeur des Landrats. „Insgesamt bin ich sieben Mal in Heppenheim umgezogen“, sagt er. Holzamer achtete darauf, dass seine Sportler gebildet sind. Deshalb absolvierte der Weitspringer die Berufsaufbauschule in Bensheim, um über die Fachoberschule zum Studium zu kommen. So konnte er später als Diplom-Ingenieur ein Unternehmen für Haustechnik gründen.
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Seit Jahren lebt er in Mörlenbach
Obwohl Baumgartner seit Jahren in Mörlenbach lebt, verbindet ihn vieles mit Heppenheim. Das Rathaus kam noch einmal ins Spiel, als er dort 1979 seiner Frau Christa das Ja-Wort gab. Deren frühen Tod mussten er und die drei Kinder 2004 betrauern.
Während Baumgartner Ende der sechziger Jahre noch auf dem Zweiten Bildungsweg war, hielt er mit 7,54 Meter schon den deutschen Jugendrekord. 1970 gewann er die Juniorenmeisterschaft mit 7,97 Meter. Der erste Satz über acht Meter gelang ihm in Sofia, als er Europameister in der Halle wurde.
18 Monate später: Baumgartner wohnt im Olympischen Dorf, zieht aber bei der Eröffnungsfeier am 28. August 1972 nicht mit der deutschen Mannschaft in das Olympiastadion ein. Denn er reist er zurück nach Heppenheim, um sich fernab vom Trubel auf den Wettkampf seines Lebens vorbereiten zu können.
„Die einzig richtige Entscheidung“
Wie nahm Baumgartner am 5. September die Nachricht vom Attentat auf die israelische Mannschaft auf? „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt er.
Während zunächst davon ausgegangen wurde, die Spiele würden abgebrochen, verkündete IOC-Präsident Avery Brundage: „The games must go on“. Was meinte Baumgartner?
„Das war die einzig richtige Entscheidung. Mit dem Abbruch der Spiele hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht.“ Doch mit den „heiteren Spielen“ war es vorbei. Am 9. September trat Baumgartner gegen die Weltelite an, stellte mit 8,18 Meter seine persönliche Bestleistung auf und gewann die Silbermedaille. Nur Randel Luvelle Williams (USA) sprang mit 8,24 Meter weiter. Baumgartners Erfolge bei Welt-, Europa- und Deutschen Meisterschaften füllen eine lange Liste.
Er startete 1976 noch einmal bei Olympischen Spielen. In Montreal kam er auf Platz 8. Wie denkt er über die Entwicklung der Leichtathletik? Die Namen der Sportlerinnen und Sportler sind ihm kaum noch geläufig, abgesehen von dem der Weitspringerin Maleika Mihambo.
Deren Nervenstärke bewundert er und vergleicht: „Auch ich war ein Wettkampftyp. Meine Bestleistungen habe ich nicht im Training erzielt, sondern dann, wenn ich gefordert war.“
700 Mark Sporthilfe
Baumgartner bedauert, dass das Interesse an den olympischen Kerndisziplinen nachgelassen hat. Der Fußball sei überrepräsentiert. „Damit wird mehr Geld verdient“, sagt er. Trotzdem leben auch die Leichtathletikprofis nicht schlecht.
Baumgartner kam mit 700 D-Mark Sporthilfe pro Monat aus und ist bis heute dankbar, dass diese Form der Förderung 1967 im Hinblick auf München geschaffen wurde.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat den Medaillengewinnern von damals bereits am 3. Juli die Ehre erwiesen, am Gründungstag des IOC. Zum Festprogramm in München gehörte die Rückkehr ins Olympische Dorf, wo Baumgartner mit Bewohnern ins Gespräch kam.
Auch beim Blick vom 291 Meter hohen Fernsehturm auf den Olympiapark sei ihm klar geworden, wie genial die Planer damals dachten. Sollte sich München erneut um die Austragung Olympischer Spiele bewerben? Für Baumgartner ist das keine Frage: Das Stadion mit dem Zeltdach, so sagt er, sei zeitlos modern. ai/ü
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