Hambach. In dem umgangssprachlich auch als "Roschdisches Messer" bekannten Lokal "Zur Rose" in Hambach sind am Wochenende endgültig die Lichter ausgegangen. Nach fast 80 Jahren hat die zum Kult gewordene Schankwirtschaft dichtgemacht. Einen Neuanfang unter anderer Führung wird es nicht geben.
Wie einst bei Peter Alexander
Peter Alexander landete seinen größten Hit, als er 1976 "Die kleine Kneipe in unserer Straße" besang. Im Refrain heißt es weiter: "Da, wo das Leben noch lebenswert ist. Dort in der Kneipe in unserer Straße, da fragt Dich keiner, was Du hast oder bist". Verfasser Michael Kunze hatte sich im Milieu umgesehen und seine Eindrücke in den Text einfließen lassen.
Das Gasthaus "Zur Rose" in Hambach hätte Kunze ebenfalls als Vorlage dienen können. Diese kleine Kneipe in der (Tal-)Straße 95 ist zum Inbegriff eines Treffpunkts geworden, in dem sich vom Müllmann bis zum Akademiker alle Stände trafen. Ob nun Blaumann oder feiner Zwirn - Äußerlichkeiten spielten in der Schankstube keine Rolle. Hier kamen sich die Menschen näher; hier fragte tatsächlich niemand danach, "was Du hast oder bist"; hier war genau deshalb "das Leben so lebenswert". Prominentester Einkehrer war übrigens der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann.
Letztes Hoch auf das Stammlokal
Das Schlusskapitel der "Rose"-Geschichte wurde geschrieben, als in der Nacht zum vergangenen Sonntag das unwiderruflich letzte Schoppenglas über den Tresen ging. Noch einmal stießen die Gäste an, und noch einmal ließen sie das Lokal hochleben. In der Stunde des Abschieds machte sich Wehmut breit.
Dass die Wirtschaft etwas despektierlich als "Roschdisches Messer" Eingang in den Sprachgebrauch fand, hatte natürlich nichts mit mangelnder Hygiene zu tun, sondern war Ergebnis eines Böse-Buben-Streichs. Demnach sollen einst Dorfburschen zu nächtlicher Stunde den vor dem Lokal baumelnden Kerwekranz abgeschnitten und das Corpus Delicti, ein rostiges Tapeziermesser, am Tatort zurückgelassen haben.
Das "Roschdische Messer"
Der Vorgang machte schnell die Runde. Bald sprach der Volksmund nur noch vom "Roschdische Messer", was in der Nachbetrachtung allerdings eher Segen als Fluch war. Gasthäuser "Zur Rose" gibt es wie Sand am Meer; einem solchen, das seinen (Uz-)Namen einem rostigen Messer verdankt, kommt hingegen ein absolutes Alleinstellungsmerkmal zu. Im Kern freilich blieb das Lokal, was es vorher war: ein Ort zum Wohlfühlen, in dem schon mal über den Markierungsstrich eingeschenkt wurde und die Portionen üppiger als anderswo ausfielen. Ortsvorsteherin Renate Netzer: "Unser Hambach hat ein Herzstück verloren." Die Wirtschaft sei zu einer über die Grenzen hinaus bekannten Institution geworden.
Das Lokal wurde am 1. April 1934 von Ernst Schuster eröffnet. Angeschlossen war ihm im ersten Stock ein Dorfsaal, in den die örtlichen Vereine zu Tanz- und Theaterveranstaltungen einluden und der "Liederkranz" seine Singstunden abhielt.
1959 trat die aus dem Sudetenland vertriebene Elfriede Schuster, geborene Langer, das Erbe des Gründers an. Unterstützt von ihrem bei der Firma Freudenberg beschäftigten Ehemann Christian Joseph verhalf sie dem Traditionshaus zu neuer Blüte. Die Arbeitsteilung war klar geregelt: "Seppl" baute den Wein an, Elfriedes Reich war die Küche. Nicht nur nebenher mussten vier Kinder großgezogen, Kleinvieh versorgt und der Haushalt geführt werden. Dass trotz Mehrfachbelastung alles klappte, war auf den sprichwörtlichen Familiensinn der Schusters zurückzuführen. Chefin Elfriede führte umsichtig Regie und erfreute sich nach ihrer Einheirat in den Schuster-Hof (1954) bald größter Beliebtheit. Den Gästen trat sie mit Respekt, Herzlichkeit und kernigem Humor entgegen. Im November 2005 schloss Elfriede Schuster für immer die Augen und folgte damit ihrem zuvor schon verstorbenen Mann.
Kein Nachfolger in Sicht gewesen
In den letzten neun Jahren übernahmen Birgit und Marlene Schuster die Verantwortung und führten die "Rose" im Geiste ihrer Schwiegereltern fort. Dass die beiden nun einen Schlussstrich gezogen haben, kann ihnen niemand verdenken. Ein Pflegefall in der Familie mag bei der Entscheidung ebenso ins Gewicht gefallen sein wie die ungelöste Nachfolgefrage und vor allem der offenbar zu hohe Investitionsbedarf. Abgesehen davon: Würde ein modernisiertes "Roschdisches Messer" nicht seine Seele verlieren?
Auf jeden Fall bleiben wird die Erinnerung an ein Lokal, das an Urwüchsigkeit kaum zu überbieten war. Nicht nur Hambach ist seit dem Sonntag ein Stück ärmer. fk
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