Geschichte

Gedenken an den Arzt und Pädagogen Janusz Korczak

Der Verein Stolpersteine Heppenheim hatte anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht 1938 zu einem Vortrag eingeladen.

Von 
ai/ü
Lesedauer: 
Pfarrer im Ruhestand Joachim Dietermann erinnerte am Jahrestag der Pogromnacht von 1938 an Janusz Korczak. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Wer kein Erziehungswissenschaftler ist und nicht wusste, dass Janusz Korczak 1972 in der Frankfurter Paulskirche posthum mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde, der hat am Sonntag im Marstall in Heppenheim erfahren, warum dieser Arzt und Pädagoge ein Vorbild für Kinder und Erwachsene sein kann.

Joachim Dietermann, Pfarrer im Ruhestand, rief am Jahrestag der Pogromnacht in Erinnerung, welches Vermächtnis Korczak hinterlassen hat, als er 1942 Kinder aus dem Warschauer Getto in das Konzentrationslager Treblinka und in den Tod begleitete. Der Verein Stolpersteine Heppenheim hatte zu der Gedenkveranstaltung eingeladen, die im Schweigekreis am Nathan-Friedmann-Platz endete. Am Fuß des Schlossbergs wurde in der Nacht zum 9. November 1938 die Synagoge von Nationalsozialisten zerstört. Am Tag darauf wurden die jüdischen Bürger weiter gedemütigt. Sie mussten die Mauerreste ihres Gotteshauses niederreißen und die Trümmer beseitigen.

Einsatz für die Rechte von Kindern

Janusz Korczak wurde 1878 in Warschau als Henryk Goldszmit geboren. Den polnisch klingenden Namen wählte er 1899 als Pseudonym, als seine Karriere als Schriftsteller begann. Als Erzieher jüdischer Herkunft setzte er sich ab 1912 dafür ein, Kindern zu ihrem Recht zu verhelfen. Das setzte voraus, sie mit Achtung und Respekt durch die Kindheit zu begleiten.

Korczak war der erste Träger des Friedenspreises, der posthum geehrt wurde. Die Jury begründete ihre Entscheidung damals so: Er habe der alten Sehnsucht nach einer neuen Ordnung zwischen den Generationen und nach Frieden unter den Menschen jeglicher Art und Herkunft Kraft (...) gegeben. Den ihm anvertrauten Kindern habe er auch angesichts des Todes die Treue gehalten.

Zu Korczaks Vermächtnis gehören mehrere Kinderbücher, aus denen Dietermann zitierte. Seinen Vortrag gestaltete er interaktiv: Im Publikum hatte er Kärtchen mit Zitaten verteilt, die die Zuhörer nach und nach vorlasen. Die Lesung wurde mit Klezmer-Musik umrahmt. Die Diplommusikerin Hildrun Wunsch spielte unterschiedliche Blockflöten. Am E-Piano wurde sie von Monika Hölzle-Wiesen begleitet.

So wurde die Gedenkveranstaltung nicht von der Trauer bestimmt, die mit dem 9. November verbunden ist. Dietermann machte deutlich, dass Korczak ein fröhlicher Mensch gewesen sein muss, der mit Humor durchs Leben ging. Misserfolgen eines Kindes begegnete er mit Ermutigung, Tränen trocknete er mit Trost und Liebe.

Größe und Stärke waren für ihn keine Idealbilder. Er warnte schon damals die Eltern davor, Leistungsdruck auszuüben und vor Überbehütung. Das Wort „Helikopter Eltern“ kannte Korczak noch nicht. Doch er hätte sofort verstanden, was damit gemeint ist. Er ließ den Kindern die Freiheit, den eigenen Weg ins Erwachsenenalter zu finden.

Stolpersteine sollen im April verlegt werden

Schon 1918 forderte er ein „Grundgesetz für das Kind“, das nur aus drei Artikeln bestand. Paragraf 3: „Das Recht des Kindes zu sein, was es ist.“ „Janusz Korczak gehört zu den wenigen Lehrern der Menschheit, die ihre humanistisch-pädagogische Botschaft nicht nur verkündeten, sondern auch mit ihrem gelebten Leben bestätigten“, heißt es in der Beschreibung, mit der der Stolperstein-Verein zu dem Vortrag eingeladen hatte.

Sabine Fraune, die Vorsitzende, kündigte an, dass am 27. April 2026 weitere Stolpersteine in Heppenheim verlegt werden sollen.

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

Thema : Festspiele Heppenheim

  • Bergstraße Festspiel-Start in Heppenheim und Worms

    Im Kurmainzer Amtshof der Bergsträßer Kreisstadt läuft die erste Saison unter neuer Leitung, am Wormser Dom ist ein gänzlich neues Stück zu sehen.

    Mehr erfahren
  • Heppenheim Weicher sitzen und besser sehen bei den Heppenheimer Festspielen

    Fliegender Wechsel im Amtshof. Noch hängt die Fahne des am Sonntag beendeten Weinmarkts über der großen Bühne, da sind schon die Veranstaltungs- und Lichttechniker für das nächste große Ereignis am Werk. Die gemeinnützige „Theaterlust“-GmbH übernimmt die Regie mit ersten Vorbereitungen für das Bühnenbild, das ab diesem Mittwoch aufgebaut wird. In wenigen Tagen beginnen die Heppenheimer Festspiele: Die Premiere von Carl Zuckmayers „Der fröhliche Weinberg“ markiert am 15. Juli nach zweijähriger Corona-Pause den Neubeginn des traditionsreichen, 1974 von Hans Richter begründeten Freiluft-Theaters. {element} Die Schauspielerin und Regisseurin Iris Stromberger hat die Intendanz übernommen, jetzt steht sie zum ersten Mal auf der Bühne, die bis Ende August der Mittelpunkt ihres Theaterlebens sein wird. Ihr Mann Ingo Schöpp-Stromberger, Geschäftsführer und Bühnenbildner der Festspiele, schaut unterdessen auf dem Pflaster nach den Markierungen fürs Podest im hinteren Teil des Hofes. Weil das Gelände abfällt, werden die Sitzplätze erhöht, damit die gute Sicht gewährleistet ist. Neues Mobiliar und neue Polster {furtherread} Und auch in die Bequemlichkeit für die Gäste wird einiges investiert. Die Stadt hat neues Mobiliar angeschafft, vierzig Tische, achtzig Bänke, zusätzlich Stühle, allesamt ausgestattet mit Rückenlehnen. Denn der Festspielbesuch konnte früher zur Strapaze werden, altgediente Theaterfreunde erinnern sich an die harten Biertisch-Garnituren. Auch Andrea Helm, Stiftungsmanagerin der Sparkassenstiftung Starkenburg, hat solche Abende erlebt, „es war doch immer eine Herausforderung“, seufzt sie. Umso erfreuter stellte sie eine Anschaffung vor, die am Dienstag der Stadt von der Stiftung als Dauerleihgabe übergeben wurde: Polster für Bänke und Stühle, maßgeschneidert für das Amtshof-Mobiliar, abwaschbar, wetterfest und mit praktischen Klettbändern zu befestigen. Bei der Auswahl der grauen Farbe hat die Intendantin ein Wörtchen mitgeredet, sieht ja auch sehr schick aus zum Weiß der Bänke, und Iris Stromberger verspricht Tischdecken und Blumen-Deko. Sie will die Menschen aus ihren bequemen Fernsehsesseln wieder ins Live-Theater locken, und dann sollen sie es auch schön haben. „Die Festspiele bekommen einen anderen Charakter“, sagt Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU), und er meint nicht nur den Anblick im Theaterhof, sondern auch die enge und offenkundig sehr gute Zusammenarbeit der Betreibergesellschaft mit der Stadt. Dass die Zuschauer in diesem Sommer unter freiem Himmel sitzen, sei angesichts wieder steigender Corona-Zahlen eine gute Sache. Für die kommenden Jahre, ergänzt Schöpp-Stromberger, solle es aber wieder einen Regenschutz geben. Premiere fast ausverkauft Neben den Polstern, die von der Stadt auch für andere Veranstaltungen genutzt werden können, spendet die Stiftung den Festspielen 20 000 Euro. „Gelebte Kulturförderung“, die sowohl bei der Sparkasse als auch bei deren Stiftung selbstverständlich sei, sagt Helm. Allmählich zieht auch der Vorverkauf an, für die erste Premiere gibt es nur noch vereinzelt Karten, an allen Abenden lohnt es, an der Abendkasse nachzufragen. In den kommenden Tagen wird der Hof sein Gesicht verändern. An der Seite wird sich die Herrmann Gastro Gruppe aus Lampertheim einrichten, die außer Wein der Bergsträßer Winzer eG und Odenwaldquelle-Wasser auch kleine Speisen anbietet. Nicht nur der weiche Sitz, auch die Bewirtung markiert die Abkehr vom sehr rustikalen Charme, der dieses Festival früher auszeichnete. Dann geht es Schlag auf Schlag, die Endproben zum „Fröhlichen Weinberg“ sind schon auf der Amtshof-Bühne angesetzt, und nach dem ersten Wochenende muss rasch umgeräumt werden, damit die bereits fertig einstudierte zweite Produktion „Cash!“ am 22. Juli folgen kann. Die Wartezeit darauf verkürzt von 19. bis 21. Juli an drei Abenden der Schauspieler Walter Renneisen – mit zwei Programmen seines Dauerbrenners „Deutschland, deine Hessen“, dazwischen moderiert er mit eigenen Erinnerungen den Abend „Als der Jazz in Deutschland laufen lernte“, zu dem Sigi’s Jazz Men musizieren. Dann wird im Wochenturnus zwischen rheinhessischem Volksstück und britischer Farce gewechselt. In beiden Komödien hat Iris Stromberger als Regisseurin ihren Ensembles nicht nur Präzision, sondern auch Tempo verordnet. Den „Weinberg“ will sie in rekordverdächtigen neunzig Minuten plus Pause auf die Bühne bringen. Die Regisseurin verspricht: „Wir sind flott unterwegs.“ job/ü

    Mehr erfahren
  • Bergstraße Die Proben von „Cash“ machen Lust auf die Festspiel-Premiere im Amtshof

    In rund sechs Wochen – am 15. Juli zunächst mit Zuckmayers „fröhlichem Weinberg“ und ab 22. Juli mit „Cash“ – hebt sich nach zwei Jahren Corona-Pause wieder der Vorhang in Heppenheim.

    Mehr erfahren

Thema : Bürgermeisterwahl Heppenheim