Heppenheim. Die Verantwortlichen in den Kommunen sind froh, wenn nicht nur der oftmals große Schuldenberg schmilzt, sondern zumindest ein ausgeglichener Haushalt gelingt. Insofern sticht Heppenheim mit zuletzt mehrfach erzielten Überschüssen sowieso heraus. Auch bei der Gewerbesteuer – ein wesentlicher Faktor dieses Erfolgs.
Beachtlich stellt sich das über eine nun vom Hessischen Statistischen Landesamt vorgelegte Übersicht dar. Demnach konnte die Kreisstadt ihre Gewerbesteuer-Einnahmen seit 2015 bis zum vorläufigen wirtschaftlichen Abschluss des vergangenen Jahres fast verdoppeln: von vergleichsweise bereits sehr ordentlichen gut 19 Millionen Euro auf zuletzt mehr als 34 Millionen.
Dazwischen lagen die Werte bei 18,5 Millionen (2016), dann rund zwei Millionen höher, ehe die Einnahmen 2018 ohne größere Krise auf rund 17,3 Millionen sanken. Fast schon wieder 20 Millionen waren es 2019, knapp 20,7 im ersten Corona-Jahr und 2021 dann mit dem gewaltigsten Sprung gut 32,7 Millionen Euro: ein Plus von fast 60 Prozent innerhalb dieses herausragenden Jahres.
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Die genannten Zahlen sind Brutto-Angaben, also Einzahlungen in die städtische Kasse aus Gewerbesteuervorauszahlungen vor Abzug der Gewerbesteuerumlage. Die beschreibt den Anteil, den die Kommune an Bund und Land abgibt. Im eigenen Säckel bleibt genug hängen, um den Kämmerer ruhiger schlafen zu lassen.
Besonders einträglich war eben 2021, damals erzielte Heppenheim im Stadt-Etat einen Überschuss von fast zehn Millionen Euro. Für 2022 veranschlagte der Haushaltsplan einen Überschuss von gerade einmal sehr vorsichtig kalkulierten 85 500 Euro. Auch dieser wurde um weit mehr als drei Millionen Euro übertroffen. Was nicht unerheblich mit der Gewerbesteuer zu tun hat, obwohl Heppenheim seinen Hebesatz Anfang 2022 investorenfreundlich sogar gesenkt hatte – von 380 auf 360 Prozent.
Auswirkungen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs
Geschäftssterben, Rezession, Energieverknappung, das sind landauf, landab seit Monaten die düsteren Prognosen – und bitteren Wahrheiten. Über die Auswirkungen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs scheint der Krisenmodus bestimmend und der wirtschaftliche Absturz programmiert. Doch die Produktion lief allen Lieferschwierigkeiten zum Trotz weiter, in einigen Sektoren sogar deutlich erhöht. So beispielsweise im Pharmabereich, auch in Heppenheim.
Der Konzern Biontech, dem eine Schlüsselrolle in der Corona-Bekämpfung zufällt, erzielte über seinen Impfstoff gigantische Erlöse, von denen Mainz als Hauptsitz in erheblichem Maße profitierte. Die rheinland-pfälzische Hauptstadt ist nicht zuletzt dank hunderter Millionen Euro an Gewerbesteuer-Zahlungen durch Biontech praktisch schuldenfrei und kann kräftig investieren. Auch Marburg profitiert über Biontechs Impfstoff-Werk. Nach zuvor rückläufiger Entwicklung sprang die Jahresbilanz der Statistik zufolge von 2020 auf 2021 von gut 100 auf fast 485 Millionen Euro.
Den Einnahmen stehen enorme Aufwendungen gegenüber
Ganz so üppig fällt der warme Geldregen in Heppenheim nicht aus, und es lässt sich nicht sagen, welches Unternehmen was beiträgt. Sicher ist, dass beispielsweise das der Stadt seit Jahrzehnten treue Eis-Unternehmen Langnese seine Steuern über den Mutterkonzern Unilever hauptsächlich andernorts entrichtet, während ein großer lokaler Beitrag auf Heppenheims Medikamenten-Produzent Infectopharm zurückzuführen sein dürfte. Kommunen, die zu gut auf eigenen Beinen stehen, erleben indes ein Luxus-Problem. Es fließt deutlich weniger oder nichts mehr über Umverteilungsinstrumente, und auch Förderungen bleiben aus.
Diese Sorge hat Heppenheim noch nicht, auch über Förderbescheide kommen gute und wichtige Einnahmen zusammen. Zielgerichtet, etwa für den Ausbau der Kinderbetreuung. Den Einnahmen stehen ansonsten auch enorme Aufwendungen gegenüber, so für die nun in Betrieb genommene neue Nibelungenhalle.
Es bleibt aber doch Verfügungsmasse hängen, nachdem auch die Kreisumlage gestiegen war und schon der jüngste Zwischenbericht des städtischen Fachbereichs Finanzen mehr als zutreffend von einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis bei der Gewerbesteuer gesprochen hatte.
Die willkommenen Einnahmen ermöglichen weitere Investitionen – und werden Begehrlichkeiten wecken. Der Hessische Städte- und Gemeindebund reagierte denn auch prompt relativierend auf die neuen Zahlen. „Bei den allermeisten Städten und Gemeinden” breche über die gute Gewerbesteuer-Bilanz nun auch nicht der Reichtum aus, erklärte Geschäftsführer David Reuber. Dergleichen dürfte im Heppenheimer Rathaus gut ankommen.
"Alles andere als rosig"
Der Löwenanteil entfällt auf die Großstädte, vor allem auf Frankfurt. So kamen im Finanzzentrum nach 1,7 Milliarden 2015 zuletzt 2,5 Milliarden Euro zusammen. Mit gut 230 Millionen erzielte Darmstadt nicht mal ein Zehntel davon, rund 380 Millionen waren es in Wiesbaden. „Alles andere als rosig“, nannte Reuber die Aussichten der meisten Kommunen.
Das würde das nicht mehr ganz so vorsichtig, aber doch defensiv kalkulierende Heppenheim so auch nicht unterschreiben. Dafür sprechen die jüngsten Zahlen zu überzeugend für sich, auch in Relation zu den anderen Kommunen des Kreises und Städten vergleichbarer Größe. mbl/ü
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